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Schon geschafft?

Erstellt von DL-Redaktion am Donnerstag 3. Dezember 2015

Schon geschafft?

Michael Jäger

Pragmatismus – Angela Merkel agiert geschickt, aber um die Flüchtlingskrise zu lösen, ist das zu wenig. Sie übersieht vollkommen die soziale Dimension des Problems

Wie viele Flüchtlinge im nächsten Jahr kommen, weiß man nicht. Die Bundeskanzlerin ist gerade in die Türkei gereist, um zu erreichen, dass dort die Ausreise nach Europa gestoppt wird. Woran man nebenbei sieht, dass die deutsche Politik nicht ganz so menschenfreundlich ist, wie es den Anschein hat. Einen Zaun um Deutschland wird man aus mehr als einem Grund nicht bauen können, also strebt man den Zaun um ganz Europa an.

Die Flüchtlinge haben allerdings bewiesen, dass sie sich von Zäunen, ja von polizeilicher Gewalt nicht mehr abhalten lassen. Da sie vor dem Tod fliehen, nehmen sie auf der Flucht die Todesgefahr in Kauf. Das wissen die Politiker im Grunde. Angela Merkel gibt deshalb keine Obergrenze erwarteter Flüchtlinge an. Die Bescheidenheit bisher beschlossener Integrationsmaßnahmen lässt sich zum Teil damit erklären. Was bleibe ihr übrig, als auf Sicht zu fahren, entschuldigt sich nämlich die Kanzlerin. Aber es ist doch nur eine Teilerklärung. Der wahre Grund dürfte sein, dass die Politiker das Ausmaß des Problems noch gar nicht erfassen, weniger vielleicht sogar als gewöhnliche Bürger.

Auf Sicht fahren

Das Problem hat sich ja immer noch nicht gezeigt, dem nackten Auge jedenfalls nicht trotz all der Bilder, die uns so aufwühlen. Gerade Politiker, die mehr auf Zahlen schauen, können es nicht sehen: 800.000 Asylbewerber erwarten sie bis zum Jahresende, doch bis Ende September sind weniger als 304.000 gekommen. 1992 waren es bis zum Jahresende mehr als 492.000. Diesen Vergleich muss man ziehen. Er macht deutlich, worum es geht und was die Regierung zu lernen hätte. Dass man mit der Einreise so vieler Menschen fertigwerden kann, wie bis jetzt gekommen sind, wurde 1992 bewiesen. Schon diese Zahl aber, die gering ist dem gegenüber, was heute bevorsteht, genügte damals, in Teilen der Gesellschaft einen so massiven Fremdenhass auszulösen, dass die etablierten Parteien vor ihm zurückwichen. Das tun sie heute nicht, aber wird die Union standhalten, wenn zwei Millionen gekommen sind? Wenn Angela Merkel weiter nur auf Sicht fährt, ist das kaum zu erhoffen.

Wie schaffen wir das? Mit den Maßnahmen allein, die bislang ergriffen wurden, um die Integration der Flüchtlingsmassen möglich zu machen, wird es nicht gelingen. Es gibt sie immerhin, weshalb der Eindruck falsch ist, die Politik schlittere planlos in die neu entstandene Situation hinein. So haben Bund und Länder ein Paket beschlossen, wonach der Bund ab 2016 dauerhaft einen Teil der Asylkosten übernimmt, 670 Euro pro Monat und Asylbewerber. Er stellt ferner mehr Mittel für Integrationskurse zur Verfügung. Diese und andere Maßnahmen, auf die man sich geeinigt hat, haben noch keinen neuen Zuschnitt. Nur dass mehr Geld ausgegeben werden muss, ist klar und wird berücksichtigt, indem man die geplanten Mehrausgaben auf erwartete 800.000 Asylbewerber in diesem Jahr bezieht. Auch daran, dass die Länder die Hauptlast tragen – 80 Prozent der Kosten –, ändert sich nichts. Bezeichnend die Gesundheitskarte für Asylbewerber: Ob eine eingeführt wird, bleibt den Ländern überlassen, der Bund schafft die gesetzlichen Voraussetzungen – doch das wurde schon im Herbst 2014 vereinbart.

Quelle: Der Freitag <<<<< weiterlesen

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Fotoquelle: Wikipedia – Author Ertly – –/– Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International

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