Satire muss alles und viel mehr
Erstellt von Redaktion am Donnerstag 7. Januar 2016
Aus der Sonderausgabe „Charlie Hebdo“
Heiko Werning und Volker Surmann
Was darf die Satire heute? Was darf die Karikatur nach „Charlie Hebdo“? Und wo sind die ganzen Unterstützer geblieben?
Wären sie zu dem Zeitpunkt schon beerdigt gewesen, die Satiriker von Charlie Hebdo hätten sich im Grabe umgedreht, wenn sie gesehen hätten, wer da im Januar plötzlich alles „Charlie“ sein wollte. Dabei war schon der große Solidaritätsmarsch in Paris eine einzige Spitzenpointe.
Da hakten sich unter dem Banner „Je suis Charlie“ allen Ernstes die Vertreter etwa Saudi-Arabiens, Russlands und der Türkei unter, um gegen das Attentat auf die Satirezeitung zu protestieren.
Zugegeben, in deren Ländern hätte es solche Anschläge auf Kunstschaffende niemals gegeben. Weil die schon vorher ermordet, von Amts wegen hingerichtet oder in irgendein modriges Kerkerloch gesteckt worden wären. Es geht halt nichts über eine umsichtige Prävention.
Mit Lizenz zum Witzeln
Trotzdem ist es unappetitlich, dass die Dresdner Spaziervögel der Pegida sogleich den Terror propagandistisch zur Rechtfertigung ihres Islamhasses einsetzten, um die Solidarität mit einer Zeitung zu behaupten, die sie sonst ganz selbstverständlich als Lügenpresse beschrien hätten. Aber andererseits: Dass Deppen sich wie Deppen benehmen, ist ja nun mal auch keine Überraschung.
Doch auch im Feuilleton müffelt es. „Mit dem Islam hättet ihr euch das nicht getraut!“ fleischhauert es traditionsgemäß als Antwort auf jede Satire, die einen Nerv trifft und dabei skandalöserweise nicht den Islam zum Ziel hat. Dass der Vorwurf dabei oft schlicht Unsinn ist, weil viele der so Angegriffenen durchaus enem auch schon islamische Umtriebe zum Ziel ihres Spotts gemacht haben, sei nur am Rande vermerkt.
Doch wäre es schlimm, wenn ein Satiriker sich auf Katholiken, Hundebesitzer oder Briefmarkensammler spezialisierte? Macht das den einzelnen Witz weniger lustig? Darf man erst frei spotten, wenn man mit einer Mohammed-Karikatur seine Lizenz zum Witzeln erworben hat? Und gilt die erst, wenn sie mit mindestens einer Fatwa belegt wurde?
Mit pietätbedingtem Abstand von einigen Wochen krochen die großen Relativierer aus ihren Löchern (Frankfurter Allgemeine, Süddeutsche Zeitung, Tagesspiegel), um des Deutschen allzeitige Lieblingskonjunktion in Großbuchstaben in die Feuilletons zu pressen: aber. Natürlich dürfe Satire alles, aber … muss man denn Witze machen, die religiöse Gefühle verletzen? Muss man denn immer so provozieren?
Sensibles Umschiffen von Gefühlen
Quelle: TAZ >>>>> weiterlesen
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Fotoquelle: Wikipedia – Autor: