Hass im Netz trifft faktisch nicht alle gleich
Dass Rechte und Rechtsextreme sich auf die Tweets von Heinrich stürzen, ist nicht überraschend. Überraschend ist höchstens, wie wenig Menschen, die eigentlich nicht rechts sind, dazulernen, wenn es um Kampagnen von rechts geht.
Dass es um eine Kampagne und nicht um ein paar zufällig aufgetauchte Tweets geht, ist eigentlich klar: Die Tweets, die Heinrich nun vorgeworfen werden, sind teilweise sechs Jahre alt. Man hat die nur so schnell parat, wenn man sie gesammelt hat. Ein neueres Zitat, das Heinrich vorgeworfen wird, stammt aus dem Jahr 2019. Damals hatte sie in einer Talksendung von einer »eklig weißen Mehrheitsgesellschaft« gesprochen. Dafür hatte sie sich dann aber auch 2019 schon entschuldigt.
Das juckt Rechte und Rechtsextreme natürlich herzlich wenig. AfD-Politiker Georg Pazderski nannte Heinrich eine »Rassistin und Antisemitin«. Maximilian Kneller, Junge Alternative NRW, nannte sie »geistesgestört« und teilte einen Tweet von Heinrich, in dem sie jemandem schrieb »ich will dich verbrennen« und »alle Männer sind Scheiße«. Dass der Tweet von 2015 ist, entbehrt nicht einer gewissen Ironie, denn im selben Jahr trat Kneller vom Vorsitz der JA NRW zurück, nachdem er bei Facebook eine junge Liberale »Schlampe« genannt hatte und schrieb, er würde ihr »auf jeden Fall den übelsten Hatefuck verpassen«.
Wenn es von sogenanntem Hass im Netz die Rede ist, heißt es oft: Hass im Netz kann jeden treffen. Das stimmt im Prinzip. Faktisch aber trifft er nicht alle gleich. Benedikt Brechtken von den Jungen Liberalen ist bekannt dafür, auf Twitter gerne Stress zu machen. Als er zwischenzeitig gesperrt wurde, weil er unter anderem geschrieben hatte, dass man Kubicki steinigen sollte und er gern Rosa Luxemburg töten würde, durfte er darüber in der »Welt« schreiben. Im Teaser hieß es: »Benedikt Brechtken ist bei Twitter der reichweitenstärkste Junge Liberale. Immer wieder wurde er von Netzdenunzianten angeschwärzt.«
Quelle : Spiegel-online >>>>> weiterlesen
*********************************************************
Kontroverse um Sarah-Lee Heinrich
Ich weiß, was du mit 14 gesagt hast
Von Lin Hierse
Gegen die Vorsitzende der Grünen Jugend gibt es einen Shitstorm wegen Tweets, die sie mit 14 schrieb. Was sie schrieb, ist Problem der Gesellschaft.
Ich weiß, was du mit 14 gesagt hast. In dein Freundschaftsbuch hast du eine Liste aller Klassenkamerad:innen geschrieben, hinter jeden Namen einen Doppelpunkt, dann eine Schulnote. Ich weiß, dass Sabrina von dir eine 5 bekommen hat, obwohl du nichts gegen sie hattest, aber sie bekam die 5, weil niemand sie mochte, und du wolltest zur Mehrheit gehören, das erschien dir besser. Mirko hatte sogar eine 6, das war seine Note als Gesamtpaket Mensch, weil er den Inhalt von Tintenpatronen in abgestandenes Bockwurstwasser kippte und das Zeug vor der ganzen Klasse runterwürgte.
Ich weiß, was du mit 14 mal gesagt hast. Dass Frauen mit hohen Stiefeln aussehen wie Nutten, und dass unsere Kunstlehrerin Frau B. keinen Mann abgekriegt hat wegen ihrer Achselhaare. Du hast auch gesagt, dass dich das ständige Thema Nationalsozialismus langweilt, und dass du Jungs vom Bauchnabel abwärts ekelhaft findest. Einmal hast du deinen Vater nach seiner Nachtschicht angeschrien, dass es scheiße ist, wie wenig Geld ihr habt. Und einmal, auf Klassenfahrt, sagtest du, dass Tobi unsterblich in dich verliebt ist, weil ihr euch dreieinhalb Minuten mit Küchenhandtüchern durchs Schullandheim gejagt habt.
Als du 14 Jahre alt warst, hast du gesagt, dass es dich ankotzt, von Erwachsenen nicht ernst genommen zu werden. Du hast gesagt, dass es furchtbar ist, dass es Hunger gibt, obwohl doch genug zu essen da ist. Du warst entsetzt, dass in Fabriken Waffen produziert werden. Du konntest nicht verstehen, warum nicht alle Menschen gut sind. Beinah musstest du weinen deswegen. Wirklich geweint hast du, als Tobi eine Freundin hatte, da hast du gesagt, dass du niemals wieder in der Lage sein würdest, zu lieben. Außerdem: dass Maryams Arme schön aussehen, weil darauf dunkle Haare Muster bilden. Und: dass du das Gedicht mit den blühenden Zitronen magst, weil es sich anfühlt wie Nachmittagssonne auf Mallorca.
Quelle : TAZ-online >>>>> weiterlesen
*********************************************************
Grafikquellen :
Oben — Twitter – Sarah Lee
**************************
2.) von Oben — Margarete Stokowski (2018)