Sanktionsregime des Westens
Erstellt von Redaktion am Donnerstag 21. September 2023
Von Jörg Kronauer
Kann man sich lauthals zum Kampf gegen Hunger und Armut bekennen und gleichzeitig Hunderte Millionen Menschen von ihrer Versorgung abschneiden? Na klar! Die westlichen Staaten aka »Wertegemeinschaft« machen es vor. Deutschland zum Beispiel. Wohlfeile Töne, auch das eine oder andere Milliönchen hat die Bundesregierung immer wieder zur Hand, wenn sie sich damit als globale Wohltäterin aufspielen kann. Gleichzeitig geht sie mit harten Sanktionen gegen missliebige Staaten vor; oft noch weiter reichende US-Sanktionen billigt sie in der Regel umstandslos. Wen die Sanktionen treffen, das weiß man seit Jahren – die einfache Bevölkerung, die vom Zugang zu Gütern des Alltagsbedarfs, oft auch zu Nahrung, zu Medikamenten abgeschnitten wird. Jüngstes Exempel ist Niger, eines der ärmsten Länder der Welt. Millionen hungern dort bereits seit Jahrzehnten. Seit dem Putsch Ende Juli wird jetzt unter Beifall des zufriedenen Berlins mittels drakonischer Sanktionen auch noch die Einfuhr von Lebensmitteln blockiert. Man darf raten, wozu das führt.
Mit diesem schreienden Missstand hat nun eine Gruppe von elf Staaten, angeführt von Russland, die Vereinten Nationen in New York konfrontiert. Am Montag wollte die UNO auf einem eigenen Gipfel ihre Nachhaltigkeitsziele bekräftigen, deren erste zwei lauten: »keine Armut«, »kein Hunger«. Die elf Staaten kennen die Folgen von Sanktionen aus eigener leidvoller Erfahrung und dringen darauf, derlei Maßnahmen endlich einzustellen, statt sie, wie der Westen es tut, immer häufiger als Mittel des Wirtschaftskriegs zu nutzen, bevorzugt gegen ökonomisch eindeutig unterlegene Gegner – siehe Niger. Dabei wollen die elf Staaten es nicht bei Worten belassen: Sie ziehen, wie am Montag gemeldet wurde, die Blockade von mindestens vier geplanten UN-Erklärungen in Betracht, in denen – wie üblich in gedrechselten Worten mit sorgenvoll mahnendem Unterton – stolze Ziele für den Fortschritt der Menschheit verkündet werden sollten; Ziele, die für Staaten, die mit Sanktionen überzogen werden, sowieso nicht erreichbar sind. Das Motto der elf: lieber keine Erklärung als noch eine Lüge mehr.
Ob der Vorstoß vom Montag Erfolg haben wird, das ist kaum abzuschätzen. Klar ist: Es müsste sich eine größere Zahl weiterer Staaten anschließen. Klar ist aber auch: Die Stimmung beginnt zu kippen. Im Juli sprach sich der Russland-Afrika-Gipfel in seiner Abschlusserklärung explizit gegen einseitig verhängte ökonomische Zwangsmaßnahmen aus. Im August äußerte sich der BRICS-Gipfel entsprechend; am vergangenen Wochenende folgte der G77-Gipfel, dessen Abschlusserklärung immerhin von 134 Staaten und China, also von zwei Dritteln aller UN-Mitglieder, getragen wird, in denen vier Fünftel der Menschheit leben. Eine Mehrheit gegen die Sanktionskriege des Westens mit ihren oft mörderischen Folgen ist in der Staatenwelt da. Die Frage ist nur, inwieweit sie auch praktisch mobilisiert werden kann.