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RENTENANGST

Sanders gegen Clinton,

Erstellt von Redaktion am Mittwoch 10. Februar 2016

– Trump gegen alle

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von Albert Scharenberg

Mit dem Caucus im Bundesstaat Iowa am 1. Februar und der ersten Primary am 9. Februar in New Hampshire ist das Rennen um die Präsidentschaftskandidatur von Demokraten und Republikanern offiziell eröffnet. Doch unabhängig von dessen Ausgang steht schon heute fest, dass der Vorwahlkampf die herrschende US-Politik in ihren Grundfesten erschüttert hat.

Bei den Demokraten geschieht Ungeheuerliches: Ausgerechnet ein selbst erklärter demokratischer Sozialist, der Senator aus Vermont, Bernie Sanders, hat gute Aussichten, die Favoritin des Establishments, Hillary Clinton, in Iowa und New Hampshire hinter sich zu lassen und zu einer ernsten Bedrohung für die ehemalige First Lady zu werden.

Und bei den Republikanern ist die Lage geradezu alarmierend. Während zuvor die meisten Beobachter auf Jeb Bush, den Bruder des früheren Präsidenten, gesetzt hatten, wird der gesamte Vorwahlkampf fast ausschließlich von Donald Trump dominiert. Seit der Milliardär, der zuletzt mit einer Reality-TV-Show von sich reden gemacht hatte, im Juni 2015 seine Kandidatur für das Präsidentenamt bekannt gab, steht das Land kopf – und bekommt die Parteiführung kein Bein mehr auf den Boden. Was ist da los? Wie erklärt sich das „Phänomen Trump“?

Make America great again!

Während die republikanischen Parteigranden ab 2012, nach der zweiten Wahlniederlage gegen Obama, halbherzig versuchten, ihre geringe Unterstützung in der rasch wachsenden Wählergruppe der Latinos zu stärken, schlug Trump den entgegengesetzten Weg ein: „Sie bringen Drogen. Sie bringen Kriminalität. Sie sind Vergewaltiger“, verteufelte er die mexikanischen Einwanderer. Alle geschätzt elf Millionen Menschen, die sich ohne legalen Aufenthaltstitel in den USA aufhalten, müssten umgehend deportiert werden. Er werde dafür sorgen, dass an der Grenze zu Mexiko ein unüberwindbarer Zaun errichtet wird, für den Mexiko obendrein auch noch bezahlen würde. Und damit nicht genug: Nach den Terroranschlägen in Paris und im kalifornischen San Bernardino forderte Trump gar ein vorläufiges Einreiseverbot für alle Muslime – verdachtsunabhängig, wohlgemerkt. Für in den USA lebende Anhänger des Islam will er eine Registrierungspflicht einführen – was in den Medien sogar Vergleiche mit der Judenpolitik der Nazis heraufbeschworen hat.

Auch auf anderen Politikfeldern hat sich Donald Trump als „wild card“ erwiesen. In der Außenpolitik etwa, mit Blick auf ISIS, Russland, China, vertritt er grundlegend andere Positionen als die Parteiführung. Die – fälschlicherweise als Handelsabkommen bezeichnete – Trans-Pacific Partnership (TPP), das pazifische Gegenstück zu TTIP, das bei den republikanischen Großspendern aus der Großindustrie als den Nutznießern der Globalisierung äußerst beliebt ist, lehnt er rundheraus ab. Trumps Stärke resultiert daraus, das Unbehagen und die Wut gegenüber den etablierten politischen Kräften zu artikulieren – koste es, was es wolle. Das republikanische Establishment kann sich hingegen bis heute keinen Reim darauf machen, warum Trump die Umfragen so lange so deutlich anführt. Vielleicht will man sich aber auch schlicht nicht eingestehen, was ohnehin kein Geheimnis ist: dass nämlich große Teile der eigenen Basis es durchaus schätzen, wenn jemand ganz offen Einwanderer aus Mexiko und Muslime aus aller Welt diffamiert.

Hierin liegt, so scheint es, der eigentliche Beitrag der Kandidatur Trumps: den offenen Rassismus, den viele seit Jahrzehnten überwunden glaubten, zurück in den öffentlichen Diskurs zu tragen. In jedem Fall pflegt Donald Trump eine „Politik der Angst“, eine modernisierte Form des rechtsradikalen „Paranoid Style in American Politics“ (Richard Hofstadter). Er inszeniert sich dabei als Vertreter des kleinen, weißen Mannes – und in dieser Gruppe erfährt der Milliardär große Unterstützung. Ein Blick auf Bildung und Einkommen seiner Anhänger zeigt, dass rund die Hälfte nur einen Highschool- oder gar keinen Schulabschluss und gerade einmal 19 Prozent einen Hochschulabschluss besitzen; 38 Prozent von ihnen verdienen weniger als 50 000 Dollar pro Jahr, nur 11 Prozent mehr als 100 000.

All das ist auch eine Folge der neoliberalen Politik der letzten Jahrzehnte. Durch die wachsende soziale Ungleichheit dünnt die Mittelschicht immer weiter aus. Mit dieser sozialen Mitte aber schrumpft – und zwar keineswegs nur in den USA – genau jene Gruppe, die jahrzehntelang in den liberalen Demokratien für die Stabilität der politischen Mitte sorgte.

Kurzum: Trumps Basis ist die von Abstieg bedrohte – bzw. in der Folge der Großen Rezession von 2008 bereits betroffene – weiße Mittelschicht. Da in den Vereinigten Staaten jeder, der auch nur einigermaßen über die Runden kommt, automatisch der middle class zugerechnet wird, handelt es sich um eine Art „Lumpen-Mittelschicht“. Trumps Anhänger hätten das Gefühl, schreibt David Frum in „The Atlantic“, „dass das Leben in diesem Land für Menschen wie sie einst besser war – und sie wollen dieses alte Land zurück.“ Genau an diese Sehnsucht knüpft Trump an, mit seinem Wahlkampfslogan: „Make America great again!“ Sprich: Wir müssen dort wieder hin, wo wir mal waren, zurück in die gute alte Zeit – als es nur wenige Latinos im Land gab, Frauen den Männern in traditionellen Familien untergeordnet waren und das Land noch keinen schwarzen Präsidenten hatte. In diesem Sinne ist Donald Trump das letzte Aufgebot des weißen Mannes.

Diese soziale Basis und ihr politischer Überbau – aus Rassismus, aggressivem Nationalismus und Sündenbocktheorie, Verschwörungswahn und Intellektuellenfeindlichkeit, Autoritarismus und Personenkult – erzeugen jene explosive Mischung, die auch etablierte bürgerliche Medien und selbst manch Konservative dazu veranlasst hat, Trump als Faschisten zu brandmarken.

 Von Bush über Palin bis Trump

Quelle : Blätter >>>>> weiterlesen

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