Russische Propaganda
Erstellt von DL-Redaktion am Freitag 5. August 2022
Mit welchen Strategien Putin die EU zerstören will
Wusste nicht so ziemlich jeder über die Verbindungen Bescheid? Sage uns wo du erzogen wurdest – und alle wissen wer du bist.
Eine Kolumne von Sascha Lobo
Russland geht es nicht nur darum, die Ukraine zu vernichten. Putins Propaganda-Apparat versucht auch in Ländern wie Deutschland die liberale Demokratie zu schwächen: durch Beeinflussung der öffentlichen Debatte.
Die Radikalisierung der »Querdenker« und Impfgegner nimmt immer extremere Ausmaße an. Und dabei geht es nicht nur um den harten, gewaltbereiten Kern. Auch die Mitläufer*innen – allem voran in den sozialen Medien – befinden sich in einer selbst beschleunigenden Alarmspirale. Die häufiger geäußerte Hoffnung, dass mit der Zeit eine gewisse Entspannung käme, hat sich bei einem substanziellen Teil der Corona-Extremisten nicht bewahrheitet, im Gegenteil. Einer der Gründe dafür ist absichtsvolle Propaganda.
Auftritt Angela Merkel. Die Frau, die offenbar schon alles vorher wusste, und Deutschland irgendwie trotzdem in eine tiefe Abhängigkeit von Russland geführt hat. Im Juni dieses Jahres erklärt sie, dass sie bereits nach der Annexion der Krim gewarnt habe, dass Putin die EU zerstören wolle . Es bleibt vermutlich Merkels ewiges Geheimnis, warum sie mit diesem Wissen Deutschland in eine spektakuläre, tiefe, toxische Abhängigkeit von Putins Gas, Öl und Kohle hineinregiert hat.
Interessanter aber ist zu Merkels zutreffender Feststellung über Putin, wie genau dieser die EU zerstören will. Ein wesentliches Element dafür ist Propaganda, schließlich war Putin KGB-Agent, und destruktive Kommunikation stets eine Spezialität dieses Hauses. Es gibt eindeutige Nachweise dafür, dass Putins Propaganda-Apparat liberale Demokratien schwächen möchte, indem er zum Beispiel rechte und rechtsextreme Kräfte stärkt und auch Erzählungen verbreiten lässt. Es gibt aber auch deutliche Hinweise darauf, dass Impfkritik und »Querdenker« in ähnlicher Weise befeuert, verstärkt und gelenkt werden. Viele Telegram-Kanäle, die während der Pandemie »Querdenker«-Inhalte verbreiteten, sind pünktlich zum russischen Überfall auf die Ukraine umgeschwenkt auf offene Putin-Unterstützung. Rechte Erzählungen passen zu beiden Themenkomplexen.
Am einfachsten erkennbar ist die Verbindung bei Twitter-Accounts, weil die meist offen einsehbar im Netz liegen. In den vergangenen Tagen ist auf Twitter der Hashtag #IchbereuedieImpfung viele Zehntausende Male verbreitet worden und war längere Zeit auf Platz eins der deutschen »Trending Topics«, also der meistbesprochenen Themen. Beinahe lustig waren die vielen offensichtlichen »Querdenken«-Accounts, die bisher damit prahlten, nicht geimpft zu sein. Die jetzt aber schon wundersame Geschichten erzählten, warum sie die Impfung bereuen würden.
Rechte, prorussische und »Querdenker«-Propaganda vereinigt in einem Account
Eine Journalistin sah sich den Hashtag genauer an und entdeckte etwas höchst Interessantes. Der Hashtag #IchbereuedieImpfung wurde von einem Account ins Leben gerufen, der im März 2022 eröffnet wurde, eine Deutschlandflagge und eine russische Flagge mit dem Handschlag-Emoji im Namen trägt und zeitweise antiwestliche Verschwörungstheorien in seinem »Biografie«-Feld hatte. Rechte, prorussische und »Querdenker«-Propaganda vereinigt in einem Account, der wenige Tage nach Russlands Überfall auf die Ukraine erstellt wurde.
Bei denen, die unironisch unter #IchbereuedieImpfung twittern, handelt sich um Leute, die oft eine Verzerrungsblindheit mitbringen. So nennt man eine kognitive Verzerrung, die die Wahrnehmung von Menschen beeinflusst. Das bedeutet, sie sind im festen Glauben, unbeeinflusst zu urteilen. In Wahrheit sind viele von ihnen auf Putin-Propaganda hereingefallen. Die massenhafte Radikalisierung jenseits der Realität soll die Demokratie schwächen, und das klappt bis zu einem gewissen Grad auch.
Die EU zu schwächen stärkt nach Putins Lesart Russland. Und zugleich wirkt die Inszenierung einer katastrophalen Lage der EU als Abschreckung nach innen. Viele Menschen in Russland sind davon überzeugt, dass in der EU Gewalt auf den Straßen herrscht und Teile gar in Anarchie versinken. Mit dieser Botschaft soll der Bevölkerung die Armut, die Korruption, die staatliche Gängelei und allgemeine Unfreiheit in Russland attraktiver erscheinen.
Eine Stärke der liberalen Demokratie in eine Schwäche verwandeln
Eine Putin’sche Zerstörungsstrategie ist, eine Stärke der liberalen Demokratie in eine Schwäche zu verwandeln, nämlich öffentliche Debatten. Diese Diskussionen sind ein essenzieller Bestandteil einer Demokratie, sie dienen zum Beispiel als Korrektiv zwischen den Wahlen. Durch die Kombination aus redaktionellen und sozialen Medien sind öffentliche Debatten inzwischen extrem machtvoll, sie können einen öffentlichen Druck erzeugen, auf den die Politik reagieren muss.
Aber Debatten lassen sich manipulieren, und das haben Putins Propagandatruppen in vielen europäischen Ländern getan, zum Beispiel in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Österreich. Bezahlte russische Trollfabriken, die eigentlich Propagandawerke sind, haben den Auftrag, zum Beispiel über Inhalte in sozialen Medien und Kommentare unter Beiträgen redaktioneller Medien Einfluss zu nehmen.
Die Manipulation der Öffentlichkeit funktioniert vergleichsweise einfach. Zuerst wird ein Themenfeld identifiziert, das emotionale, unversöhnliche Kontroversen ermöglicht, am besten auf Basis von Ressentiments, Vorurteilen und Ängsten. Deshalb erreicht Putins Propaganda oft den rechten oder rechtsoffenen Rand der Gesellschaft, wo Ressentiments besonders stark vorhanden sind. Auch bei den Coronaprotesten waren von Anfang an Rechte tonangebend. Abgesehen davon war Putins Politik zwischen Medienkontrolle, Oppositionsunterdrückung, Rassismus, Misogynie und LGBTIQ-Feindlichkeit ohnehin strukturell rechtsradikal, bevor sie spätestens mit dem Überfall auf die Ukraine zum offenen, imperialen Faschismus wurde .
Quelle : Spiegel-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — PEGIDA Demonstration Dresden 2015-03-23
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Unten — Sascha Lobo; 10 Jahre Wikipedia; Party am 15.01.2011 in Berlin.…