Rot-Rot ist sich nicht grün
Erstellt von DL-Redaktion am Samstag 30. September 2017
Viel Arbeit für den Paartherapeuten

Was folgt, ist ein abgründiger Moment an diesem Nachmittag, der von Neubeginn und Frische künden soll. Die Linkspartei müsse gefälligst „erst mal klären, ob sie im Parlament mit der AfD zusammenarbeiten“ will, sagt die neue starke Frau der Sozialdemokratie. Darüber gebe es in der Linkspartei eine Debatte.
Krass. Bildet sich da eine Superquerfront, vor der uns nur noch die SPD, das selbsterklärte „Bollwerk der Demokratie“ (Martin Schulz), retten kann? Auch Nahles’ Pressesprecherin weiß nicht, woher Nahles diese Information hat. Kein Wunder, es gibt keine solche Debatte in der Linkspartei.
Der Vize der Linksfraktion, Jan Korte, bescheinigt der neuen SPD-Hoffnung „den denkbar schlechtesten Start als Oppositionsführerin“. In Bitterfeld, seinem Wahlkreis, hatte er eine Woche vor der Wahl mit den CDU- und FDP-Kandidaten einen gemeinsamem Aufruf gegen die Rechtspopulisten verfasst. „Wir sind bereit, auch mit Blödsinn quatschenden Sozialdemokraten zusammenzuarbeiten, mit Rassisten werden wir das aber niemals tun“, ätzt Korte, einer der Aktivposten für eine rot-rot-grüne Annäherung.
Im Karl-Liebknecht-Haus reagiert man auf Nahles Einlassung gelassen. „Auch den Sozialdemokraten muss klar sein: Wenn sie in Zukunft Minderheitenrechte im Bundestag wahrnehmen wollen, dann geht das nur mit der Linken“, heißt es aus der Parteizentrale.
So ist es. Egal, ob die Opposition künftig Untersuchungsausschüsse oder eine Enquetekommission einsetzen will oder gar ein Misstrauensvotum gegen die Bundeskanzlerin plant – sie muss jeweils ein Viertel der Mitglieder des Bundestags auf ihre Seite bringen. Aktuell entspricht das 178 Abgeordneten, die SPD stellt jedoch nur 153. Gehen die Grünen in die Regierung, bleibt die Linkspartei als einzig annehmbare Verbündete.
Doch dabei geht es erst einmal nur um Zweckbündnisse. Die kleine Keilerei zwischen Nahles und der Linkspartei zeigt: Das verhakte Verhältnis wird sich auf den Oppositionsbänken nicht automatisch entspannen. Solange das Reiz-Reaktions-Schema wie von selbst funktioniert, bleibt das linke Spektrum blockiert.
In weiter Ferne
Thomas Nord, Abgeordneter und Schatzmeister der Linkspartei, klingt am Telefon resigniert. In der gerade beendeten Legislaturperiode hat er zusammen mit Bundestagskollegen wie Axel Schäfer von der SPD und Frithjof Schmidt von den Grünen an einem rot-rot-grünen Bündnis gewerkelt, abgekürzt R2G. Bis zu 150 Abgeordnete meldeten sich in Hochzeiten zu den Treffen an. Nun meint Nord: „Die machtpolitische Perspektive R2G existiert auf absehbare Zeit nicht mehr.“
20 Jahre lang war Rot-Rot-Grün ein Projekt, das mit dem Verweis auf die fast ununterbrochene faktische Mehrheit aller drei Parteien lediglich der Umsetzung zu harren schien. Wie ein Zug, der im Bahnhof steht und wartet, dass jemand einsteigt. Doch der Zug ist weg, zum zweiten Mal seit 1990 stimmte nur noch eine Minderheit der Wähler für Grüne, SPD oder Linke. „Ob die Mehrheit jemals wiederkommt, steht für mich in den Sternen“, sagt Nord.
Quelle : TAZ >>>>> weiterlesen
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