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RENTENANGST

„Rechts“-Staat Europa

Erstellt von Redaktion am Mittwoch 25. Juli 2012

Ein Rechtsstaat Europa

In der Europäischen Union lässt sich eine mangelnde demokratische Legitimation, einerseits in ihren Organen, andererseits in ihren gesetzesähnlichen Entscheidungen kaum leugnen. Wenn es um Deutschlands Stimme im EU-Rat geht, hat der Bundestag kein Mitspracherecht. Auf der anderen Seite werden die Räte und Kommissare von den Staaten bestimmt und nicht durch demokratische Wahlen. Beschlüsse des EU-Rats bedürfen ohnehin keiner Zustimmung des EU-Parlaments.

Der deutsche Bundestag und der Bundesrat müssen dann die Beschlüsse des EU-Rats in deutsches Recht umsetzen. Oft werden diese Beschlüsse nur durch den Bundestag gewunken, ohne dass viele Abgeordnete eine Ahnung davon haben, was sie da beschließen. Im Notfall beruft man sich auf die scheinbare rechtliche Bindung an die europäischen Rahmenbeschlüsse. Diese können aber durchaus nach dem Lissabon-Vertrag auf die Verfassungen angeglichen werden.

Hans-Christian Ströbele sagte im Fernsehmagazin „Panorama“:

„Wir haben die Vorlagen zwar gekannt, aber in der Regel nur „zur Kenntnis“ genommen, das heißt tatsächlich, wir haben sie gar nicht zur Kenntnis genommen“.

Viele Bürgerinnen und Bürger haben keine Vorstellung von der Europäischen Union. Das ist kein Wunder, zumal sich das Selbstbild europäischer Organe und Politiker sehr stark von dem in der Öffentlichkeit verbreiteten Bild unterscheidet.

 Der Europäische Haftbefehl 2BVR2236/04

Die Sicherung der Freiheit von Bürgerinnen und Bürgern sind in einem besonderen Punkt in der Rechtssprechung dargestellt. Das Strafrecht und das Strafprozessrecht bilden dabei einen einschneidenden Eingriff der öffentlichen Gewalt in die Privatsphäre des Bürgers.

Seit August 2004 ist der europäische Haftbefehl (EHB) gültig. Der italienische Jurist und ehemalige Richter Dr. C. A. Agnoli schrieb dazu in Topic 11/4:

… dass der Verdacht aufkomme, man wolle missliebige Bürger verschwinden lassen, aus dem Verkehr ziehen. Grundlage jedes modernen Totalitarismus sei die Kriminalisierung des „Verbrechens des Denkens“. Jeder Andersdenkende lasse sich so beliebig „zermalmen“.

Klar ist, dass Straftäter bestraft und die Gesellschaft vor ihnen geschützt werden muss und dass das nationale Parlament als Gesetzgeber über Straf- und Strafprozessrecht die Oberhand haben muss.

Wenn aber jemand glaubt, dass er sicher vor eventuellen Übergriffen aus anderen europäischen Ländern ist, irrt er sich gewaltig. Erhebliche Probleme zeigen sich in der „justiziellen Zusammenarbeit“ der Europäischen Union. Diese ist im Artikel 29ff. des EU-Vertrages geregelt.

Es geht hier um Regelungen die in die persönlichen Rechte der Bürger tief eingreifen können, wie zum Beispiel bei der Sicherung von Beweisen oder bei Haftbefehlen. Von dem am 21. Juli 2004 verabschiedeten Europäischen Haftbefehlsgesetz haben die meisten Bürger keine Ahnung.

Am 13. Juni 2002 wurde vom EU-Rat eine Rahmenbedingung als Zielvorgabe für einen europäischen Haftbefehl erlassen. Dieser sollte zur Terrorismusbekämpfung dienen. Deutschland hatte per Gesetz am 22. Dezember 2003 diesen umgesetzt. Das Attentat vom 11. September 2001 musste dafür als Argument herhalten.

Nach diesem europäischen Haftbefehl muss ein Staat einem anderen Mitgliedsstaat eine Person ausliefern, damit dieser Mitgliedsstaat einen Verdächtigen aburteilen oder gar eine Freiheitsstrafe vollziehen kann.

Bis zur Einführung des europäischen Haftbefehls war es nicht möglich, eine Auslieferung an andere Staaten durchzuführen, wenn die Straftat, wegen der ein Verdächtiger im Ausland bestraft werden kann, in Deutschland nicht unter Strafe steht. Deutsche Staatsbürger durften überhaupt nicht ausgeliefert werden. Dies stand sogar im Grundgesetz. Aber es ist ja mittlerweile Gang und Gebe, unser Grundgesetz so zu ändern, wie es gerade passt. Nach Artikel 16 Abs. 2 GG dürfen deutsche Bürger ausgeliefert werden, sofern rechtstaatliche Grundsätze gewahrt werden.

Eine Überprüfung, ob die Straftat in Deutschland ebenfalls strafbar ist, erfolgt nicht, wenn die Tat im um eine Auslieferung bittenden Staat unter Strafe steht. Auf 32 Straftaten haben sich alle EU-Länder ungeachtet der jeweiligen nationalen Gesetzgebung geeinigt. Diese Straftaten sind z. B.: Terrorismus, Korruption, Cyberkriminalität, Fremdenfeindlichkeit, Sabotage und Vergewaltigung. Es findet in einem solchen Fall keinerlei Überprüfung statt, ob eine solche Tat auch tatsächlich begangen wurde.

Dazu kommt, dass der Rat der EU nach Art. 2 Abs. 3 RbEUHb die Möglichkeit hat, diese Liste jederzeit zu erweitern oder zu ändern. (Bundesdrucksache 15/1718 S. 18)

Der europäische Haftbefehl kann seit dem 23.08.2004 jeden Bewohner Europas treffen und zur persönlichen Katastrophe werden. Selbst bei Straftaten, auch nur bei unterstellten, die vor der Ratifizierung begangen wurden!

Sicherlich ist es sinnvoll und zweckmäßig, dass ein europäischer Haftbefehl ausgestellt werden kann, wenn in einem europäischen Land eine Straftat begangen wird und der Täter sich in ein anderes absetzt.

Wenn aber ein Deutscher in einem EU-Mitgliedsstaat eine Tat begangen hat, die in Deutschland nicht oder nur gering bestraft wird, darf man schon bezweifeln, ob eine Auslieferung noch gerechtfertigt ist.

In den Niederlanden wird zum Beispiel ein Zungenkuss, der gegen den Willen aufgezwungen wird, als Vergewaltigung angesehen. Wenn nun ein Deutscher einer Holländerin bei einer Festlichkeit einen solchen aufnötigt, kann diese in ihrem Heimatland eine Anzeige erstatten. Wenn also diese „Tat“ in dem Land anders bewertet wird, rechtfertigt das dann eine Auslieferung?

In Polen droht für einen Ladendiebstahl Gefängnis und in manchen EU-Ländern werden Verkehrsdelikte teilweise mit Freiheitsentzug geahndet. Oder hat jemand im Kreise von Freunden einen Schottenwitz erzählt? In Deutschland darf man das. Großbritannien könnte aber per Europäischem Haftbefehl denjenigen zur Verantwortung ziehen. Oder besitzt jemand Bücher, die z. B. in Frankreich unter Strafe stehen? Findet sich bei einer Durchsuchung dann auch nur ein Buch, das in Frankreich unter Strafe steht,  könnte man unter Umständen „reif“ zum Strafvollzug auf der Karibikinsel Martinique, die zu Frankreich gehört, sein. Abgesehen davon gibt es auch EU-assoziierte Länder z. B. die AKP-Staaten (Nordafrika, Karibik, Pazifik), Russland und einige Staaten des Nahen Ostens. Handschellen können überall klicken, sollten nach einer Reise bei der Passkontrolle die Daten im Computer aufleuchten. Wer daher im Ausland mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist, dem bleibt mitunter nichts anderes übrig, als die nächsten Jahre Urlaub nur noch im eigenen Land zu machen.Da ist es doch besser, man bleibt im eigenen Land, indem die gesetzlichen Gepflogenheiten vertraut sind.

Jede/r kennt noch den Fall des Marco W. Im April 2007 soll er während eines Urlaubs in der Türkei eine 17-jährige Engländerin sexuell missbraucht haben. Er verbrachte mehrere Monate in einem wenig komfortablen Untersuchungsgefängnis in Antalya. Die türkische Justiz hatte auf in der Öffentlichkeit geäußerte Zweifel mit Hinauszögern ihrer Entscheidung reagiert.

Viele Staaten beanspruchen die Geltung ihrer Strafgesetze für sich, auch bei einer Vielzahl von Auslandsstraftaten. So muss zum Beispiel jemand, der in seinem EU-Heimatland durch die dort geltende Meinungsfreiheit geschützt ist, damit rechnen, durch von ihm im Internet verbreitete bestimmte Äußerungen in ein anderes EU-Land überstellt zu werden, wenn diese Äußerungen ein Delikt darstellen, das in dem jeweiligen EU-Mitgliedsstaat unter Strafe steht.

Die Bürger Europas müssen damit rechnen, dass in dem Fall das schärfste Strafrecht aller EU-Staaten gilt und sie danach abgeurteilt werden. Der Münchner Professor für Strafrecht, Bernd Schünemann, warnte,

dass dies zur Schaffung eines Raumes der Unfreiheit und Unsicherheit hinauslaufen könnte. Schünemann ist auch der Meinung, dass „die Bürger aller Mitgliedsstaaten damit rechnen müssen, dass die Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl gegen sie in dem Mitgliedsstaat erlässt, in dem dafür die geringsten Voraussetzungen nötig sind“. Auf die strengen Voraussetzungen für einen Haftbefehl nach deutschem Recht kommt es dann gar nicht mehr an.

Das kann dazu führen, dass ein ausländischer Haftbefehl gegen einen deutschen Bürger erlassen werden kann, obwohl in Deutschland die Gründe dafür nicht ausreichen würden. Der/diejenige muss nicht einmal in dem Land, das um die Auslieferung ersucht, die Tat begangen haben.

So könnte es sein, dass jemand bei einer regierungskritischen «Montagsdemonstration» teilgenommen hat oder nur zufällig vorbeigekommen ist, ein Weilchen zugeschaut hat und dabei unbemerkt von der Polizei photographiert worden ist. Sobald die heimlichen Machthaber Europas es so wollen, befördert Sie ein Europäischer Haftbefehl unter Umständen in Handschellen in die Türkei (seit 1995 EU-assoziiertes Land). Dort gilt öffentliche Kritik an der Regierung als «terroristischer Umsturzversuch».

Weiter angenommen, ein Deutscher soll nach Ungarn oder Polen ausgeliefert werden. Wie soll er sich da noch wirksam verteidigen können, wenn er die Sprache und die Gepflogenheiten dieses Landes nicht beherrscht? Darin lag schließlich auch der Grund, warum Deutsche ausnahmslos nicht ins Ausland ausgeliefert werden durften.

Dr. Carlo Alberto Agnoli schreibt in seiner Broschüre „Der europäische Haftbefehl – kürzester Weg in die Tyrannei“, S. 60:

„Es geht nicht darum, das sei nochmals bekräftigt, das Problem aus parteilicher Sicht zu bewerten: eine so ungeheuerlich unkontrollierbare und instrumentalisierbare Macht darf in die Hände keines Lagers, keiner Farbe, keiner Religion, überhaupt keines Menschen gelegt werden. Weder heute noch morgen“.

Der Haftbefehl erlaubt es, Regierungen umzustürzen, Wirtschaftsmächte zu vernichten und ganze Oppositionsbewegungen zu unterdrücken, kurz: jedermann zum Verbrecher zu machen.

Sogar in Abwesenheit von dem ersuchenden Staat kann jeder verurteilt werden. Kein Land ist befugt, dieses Auslieferungsbegehren und den Schuldspruch rechtlich zu überprüfen. Außerdem ermöglicht der Rahmenbescheid 2003/577/GAI den Einzug des Vermögens – falls vorhanden – welches bei einer Verteidigung fern der Heimat, mit Dolmetscher oder angereistem deutschem Anwalt, hätte nützlich sein können.

Man sollte sich also gut in Zukunft überlegen, ob man Feinde, Neider oder  Konkurrenten hat. Sich politisch zu betätigen kann genauso ein Risiko bedeuten wie das Blockieren von Castor-Transporten. In Griechenland könnte dies als terroristischer Akt (Liste der 32 Straftaten) verstanden werden. Das Schreiben eines Leserbriefes zum Thema Muslime von Malta als Fremdenfeindlichkeit geahndet werden (Gefängnis nicht unter 2 Jahren!). Meinungsfreiheit kann gefährlich werden. So hat z. B.  Bulgarien ein Antidiskriminierungsgesetz, mit dem man schnell in Konflikt geraten kann (5 Jahre Haft).

In den letzten Jahren ist eine größere Zahl von Fällen aktenkundig geworden, in denen deutsche Bürger aufgrund eines europäischen Haftbefehls ins Ausland überstellt wurden.

Auch das Bundesverfassungsgericht beschäftigte sich im Juli 2005 mit einem Fall. Hier sollte ein Mitbürger mit deutschem und syrischem Pass nach Spanien überführt werden. Das Gericht rügte die deutsche Gesetzgebung, dass „die Spielräume bei der Umsetzung des Rat-Beschlusses in das nationale Recht nicht ausgeschöpft wurden um Bürger vor unangemessener Auslieferung zu schützen, Dadurch hätte der Gesetzgeber das Grundrecht des Art. 16 Abs. 2 GG (Schutz Deutscher vor Auslieferung) verletzt, nachdem Deutsche nicht ausgeliefert werden dürfen, auch nicht aufgrund eines europäischen Haftbefehls.

Im Übrigen müsste dafür gesorgt werden, so das Gericht weiter, dass deutsche Behörden eine Abwägung des Interesses an einer wirksamen grenzüberschreitenden Strafverfolgung gegenüberstellen. Die Entscheidung hierfür muss gerichtlich überprüfbar sein, wie das der Art. 19 Abs. 4 GG vorschreibt.

Weil aber der Gesetzgeber das nicht getan hatte, hat das Verfassungsgericht das deutsche Umsetzungsgesetz, das einstimmig von CDU/CSU, FPD, SPD und Grünen im Jahr 2003 verabschiedet wurde, für verfassungswidrig und nichtig erklärt. „Solange kein neues Gesetz erlassen worden ist, dürfen europäische Haftbefehle in Deutschland nicht vollstreckt werden“. Das war dann bis 2006 der Fall. Daraufhin wurde der deutsch-syrische Beschwerdeführer anstatt nach Spanien ausgeliefert, auf freien Fuß gesetzt.

Hans Herbert von Arnim schreibt in seinem Buch „Das Europa Komplott“:

„Die Regelungen über den europäischen Haftbefehl zeigen geradezu Schulbuchmäßig, welche aberwitzigen Produkte die europäische Maschinerie bisweilen hervorbringt. Insofern wird hier, an der rechtstaatlich empfindlichsten Stelle, die vielfach verbreitete Furcht der Bürger vor der EU als einer bürgerfernen, unkontrollierten und sich hydraartig ausbreitenden Maschinerie geradezu exemplarisch bestätigt“.

 Damals legte der Deutsche Bundestag nur auf eines Wert: auf die Immunität der Abgeordneten und dass europäische Strafbefehle nicht ohne weiteres gegen diese selbst vollstreckt werden können. Ist es da nicht nahe liegend zu sagen, dass unsere politische Elite nur an ihr eigenes Wohl denkt und nicht an das Wohl der Bürgerinnen und Bürger?

Evaluationsbericht: Europäischer Haftbefehl muss auf den Prüfstand!

 

In einem Artikel vom 11. April 2011 erklärte der Innen- und Justizexperte der EU, Jan Philipp Albrecht zum Evaluationsbericht über den Europäischen Haftbefehl:

“Der vorgestellte Evaluationsbericht zum Stand der Umsetzung des Europäischen Haftbefehls in den EU-Staaten zeigt dringenden Reformbedarf der bestehenden Regelung auf. … Allerdings wurden zahlreiche Nebenwirkungen festgestellt, die äußerst problematisch sind. So wurden zahlreiche Europäische Haftbefehle durch mitgliedstaatliche Behörden ausgestellt, die geringfügige Delikte für unverhältnismäßig hohe Kosten durchsetzen sollten. Zudem gab es zahlreiche Fälle von Grundrechtsverletzungen bei der Ausführung von Haftbefehlen, die für die Betroffenen oft schwerwiegende Folgen haben.“

Die europäische Beweisanordnung

Der europäische Haftbefehl soll ergänzt werden durch die Einführung einer europäischen Beweisanordnung. Dadurch soll es erleichtert werden, Beweismittel, die für Strafverfahren benötigt werden, sich über die anderen Mitgliedsstaaten zu beschaffen.

Hier geht es um die Durchsuchung von Räumen und die Beschlagnahme von Schriftstücken und Daten oder Sachen zur Übergabe an einen anordnenden Staat zu übergeben. Dabei werden gewaltige rechtsstaatliche und demokratische Probleme einfach übergangen und die Prüfung beidseitiger Strafbarkeit nach Artikel 16 Abs. 2 entfallen.

Für Deutsche erscheint die Durchsuchung der privaten Räume oder etwa eine Beschlagnahme von Gegenständen für die Durchführung eines ausländischen Strafverfahrens als Zumutung, wenn z. B. die Straftat im Ausland unter Strafe steht und in Deutschland nicht strafbar ist.

Auch hier will der EU-Rat einen Rahmenbeschluss erlassen. Das europäische Parlament, der Deutsche Bundestag und der Bundesrat hatten 2003 dazu bereits eine grundsätzliche zustimmende Stellung eingenommen. Deutschland hätte aber angesichts des Demokratiedefizits des Rats seine verfassungsmäßigen Rechte nach Art. 23 Abs. 3 Satz 1 GG frühzeitig geltend machen müssen.

Mit der Annahme  und Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen justiziellen Entscheidungen werden die Bürger eines Mitgliedsstaates den verschiedensten strafrechtlichen Normen anderer Mitgliedsstaaten unterworfen.

Mit der Annahme eines solchen Rahmenbeschlusses würde das Grundprinzip jedes demokratischen Systems verletzt werden. Derzeit hat – wie schon erwähnt – nur das Parlament als einziges Organ das auf demokratische Weise gewählt worden ist, das Recht, Gesetze zur Strafbarkeit zu erlassen. Eine europäische Beweissicherungsordnung kann erst dann in Kraft treten, wenn ein europäischer Verfassungsvertrag ausgehandelt wurde, in dem ein wirksamer Schutz der Grundrechte vorgesehen ist.  Das europäische Parlament jedenfalls hat bisher zu solchen Rahmenbeschlüssen keinerlei Legitimation.

Ohne eine einheitliche Grundlage zum Straf- und Strafprozessrecht und den dazugehörigen Mindeststandards fehlen die Voraussetzungen für ein geordnetes, rechtsstaatliches Beweisverfahren und davon ist Europa noch sehr weit entfernt.

Fazit

Nationale Strafrechte erfassen häufig Taten, die im Ausland begangen werden. Personen können deshalb wegen einer Handlung, die in ihrem Heimatland ganz legal ist, aber in europäischen Mitgliedsstaaten unter Strafe steht, ganz  legal an ein anderes Land der EU ausgeliefert und dort verurteilt werden.

Das bedeutet auch, dass der EU-Rat durch die Hintertür ein europäisches Strafrecht geschaffen hat, obwohl ihm dieses Recht mit guten Gründen vorenthalten wurde. Hätte man nicht vorher ein einheitliches Strafrecht in allen EU-Länder schaffen sollen?

Der Rahmenbeschluss des Rats ist nur für die Zielsetzung verbindlich. Der Bundestag ist nach wie vor an das Grundgesetz gebunden. Diese Zielsetzung ist aber nicht einklagbar und hätte somit durchaus verweigert werden können. Es wären auch bei Nichtumsetzung keinerlei Sanktionen zum tragen gekommen.

Der Fall des europäischen Haftbefehls zeigt deutlich die Gefahr, wie die politische Verantwortung in der EU sich vermischt. Ein solches Europa ist nicht gerade wünschenswert, indem immer mehr demokratische Rechte ausgehöhlt werden und sich die scheinbar noch verbliebene Demokratie immer mehr ins Diktatorische ändert, in dem keine Rechtssicherheit und Freiheit des Einzelnen mehr gewährleistet wird.

Der Europäische Haftbefehl wurde als Hilfsmittel geschaffen, das den wechselseitigen Respekt verschiedener Rechtssysteme in den Mitgliedsstaaten ausdrücken soll. Er ist aber längst mehr als nur ein politisches Symbol und gewinnt zunehmend an Bedeutung, nicht nur im Einsatz gegen mutmaßliche russische Mafiabosse, die z. B. in Spanien gesucht werden. In den Fahndungslisten tauchen zunehmend auch Fälle von Kriminalität auf, die der Alltag hervorbringt.

Das Bundesverfassungsgericht hatte sich im Juli 2005 mit dem Europäischen Haftbefehl beschäftigt. Daraufhin wurden durch die Bundesregierung Nachbesserungen geschaffen und seit 2006 müssen zunächst die Generalstaatsanwaltschaft und dann das Oberlandesgericht entscheiden, ob jemand gegen seinen Willen ausgeliefert werden darf. Die Möglichkeiten, einen EU-Haftbefehl abzulehnen, sind aber gering.

Seit 2006 gilt, das Delikt müsse „überwiegend Bezug“ zu dem Land haben, das die Auslieferung begehrt. Das jeweilige Land hat sich dazu verpflichten müssen, nach dem Prozess die mögliche Strafe gegen Deutsche oder integrierte Ausländer in Deutschland vollstrecken zu lassen, wenn die Verurteilten das wünschen.

Der europäische Gedanke wird von einem kleinen, nicht legitimierten Kreis für üble Ziele missbraucht, welche die bis jetzt erreichte Rechtsstaatlichkeit um über 200 Jahre zurück zu werfen droht. Muss man da nicht annehmen, dass dieser Personenkreis  entweder nichts aus der Geschichte gelernt hat oder es sich aber im Gegenteil um die nicht aussterbende Spezies vom Profiteuren handelt, die schon über Jahrhunderte hinweg das Recht als ihr persönliches für legitim betrachtet haben?

Es ist gefährlich in Dingen Recht zu haben, in denen die etablierten Autoritäten Unrecht haben.

Voltaire

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Grafikquelle  :    Skulptur „Kampf um Europa“ von Peter Lenk in Radolfzell am Bodensee (Ausschnitt)

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