Rassismus in Frankreich
Erstellt von DL-Redaktion am Montag 30. April 2018
„Oh, träumen ist erlaubt“
Das Interview führte Sabine Seifert
Der Historiker Pap Ndiaye gilt als Begründer der Black Studies in Frankreich. Er erklärt die Tücken der republikanischen Gleichheitsideale.
Pap Ndiaye ist Historiker und auf US-Geschichte spezialisiert, er lehrt am Institut d’études politiques de Paris – der berühmten Elitehochschule Sciences Po. Dort empfängt er in seinem kleinen Büro am Boulevard Saint-Germain. Es soll um sein großes Thema gehen: „La Condition noire“, also etwa „Schwarzsein“ in Frankreich. 2008 hat er darüber ein Buch geschrieben.
taz am wochenende: Monsieur Ndiaye, Ihre Schwester Marie hat eine Erzählung als Vorwort zu Ihrem Buch beigesteuert. Die Geschichte zweier Schwestern, von denen die eine sehr viel dunklere Haut hat. Die Hellere scheint an Schuldgefühlen irre zu werden, die andere geht scheinbar leichtfüßig durchs Leben. In einem Moment aber blitzt bei ihr absolute Bitterkeit durch. Hat das mit Ihrer Kindheit zu tun?
Pap Ndiaye: Ich denke, nicht. Marie hat versucht, Wege aufzuzeigen, wie Menschen mit ihrer Hautfarbe zurechtkommen.
Ihr Vater kam aus dem Senegal, Ihre Mutter ist Französin. Sie sind in der französischen Provinz groß geworden. Haben Sie Rassismus erfahren?
Nicht direkt. Ich bin in der Banlieue aufgewachsen, aber die Banlieue der siebziger Jahre ist nicht die von heute. Inzwischen geht es dort rauer zu. Und ich komme aus der Mittelschicht, was mehr sozialen Schutz bedeutet als in ärmeren Familien, wo Diskriminierung in zugespitzter Form erfahren wird.
Zumal Sie eine der Eliteschulen besucht und eine klassische akademische Karriere gemacht haben.
Wohl wahr. Meine Situation ist bestimmt nicht sehr repräsentativ. Ich glaube, nein, ich bin sicher: An den Sciences Po bin ich der einzige nichtweiße Professor.
Sie gelten als Begründer der „Black Studies“ in Frankreich – die sich dort sehr langsam entwickeln. Warum ist das so?
Die Black Studies haben es schwerer als in Großbritannien oder Deutschland, gerade im universitären Milieu gab es Widerstand dagegen.
Die Sozialwissenschaften waren auf soziale Fragen fokussiert und haben nicht nach Hautfarbe und Rassismus gefragt.
Trotzdem haben Black Studies hier eine Vorgeschichte, die bis in die Zwischenkriegszeit zurückgeht, als etwa Léopold Sédar Senghor, der spätere Präsident des Senegal, und der Schriftsteller Aimé Césaire aus Martinique die Négritude begründeten.
Eine Strömung, getragen von Literaten, Künstlern und Aktivisten, die den europäischen Diskurs über Afrika hinterfragten. Das drang damals nicht ins akademische Milieu ein.
Aber seit etwa zehn Jahren ist das Interesse an der Négritude wieder aufgelebt.
Woher kommt diese Renaissance?
Das neue Interesse ist auch eine Generationsfrage. Seit einiger Zeit treten Schwarze in Frankreich, die sich bewusst als Schwarze bezeichnen, verstärkt öffentlich in Erscheinung. Das hat sich mit Sicherheit auf den akademischen Bereich ausgewirkt.
In den USA spricht man von „Afroamerikanern“. Das Wort „Afrofranzose“ scheint es nicht zu geben.
Stimmt. Man sagt „afrodescendant“, „Menschen mit afrikanischen Wurzeln“. Oder „afroeuropéen“ oder auch „afropéen“.
Sie bezeichnen sich nicht als „noir français“, so wie man „black American“ sagt.
Manche schon. Aber im offiziellen Diskurs sagt man es nicht, weil die französische Republik nicht anerkennt, dass es verschiedene Hautfarben gibt. Wir sind alle Bürger in einer Form der republikanischen Abstraktion – die jede physische und individuelle Besonderheit zu ignorieren hat.
Der Staat darf in Frankreich weder die Religionszugehörigkeit noch die ethnische Herkunft erfragen. Sie hingegen sind für die statistische Erfassung derartiger Kriterien. Warum?
Diese Daten sind wichtig, weil sie erlauben, die Situation genau zu analysieren. Wenn man etwa die Arbeitslosigkeit bekämpfen oder gegen Diskriminierung vorgehen will, hat man besser belegbare Zahlen an der Hand. Es gibt inzwischen auch eine Umfrage des Nationalen Demografischen Instituts, die sich „Trajectoires et Origines“ – Werdegang und Herkunft – nennt. Die Leute wurden gefragt, wie sie sich in Bezug auf ihre Hautfarbe, ihre ethnische Herkunft definieren, wie ihre sozialen Erfahrungen sind, ob sie Diskriminierung erfahren.
Wo auf der sozialen Skala findet man die Schwarzen in Frankreich?
Quelle : TAZ >>>>> weiterlesen
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Oben —
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Deutsch: Eiffelturm bei Nacht vom Restaurant Ciel de Paris aus
Français : La Tour Eiffel vue du restaurant Ciel de Paris
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Author | J.hagelüken |
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Unten —
Abschaffung der Sklaverei in den französischen Kolonien 1848, Bild von Auguste François Biard (1849)