Die Selbstbezeichnung »Letzte Generation« stammt wohl aus einem Tweet von Barack Obama von 2014: »Wir sind die erste Generation, die die Effekte des Klimawandels spüren und die letzte Generation, die dagegen etwas tun kann.« Schon im Namen ist also die Weltuntergangsdrohung angelegt; dementsprechend findet sich in der gesamten Kommunikation der Bewegung das globale Angstszenario.
Etwa in Form beinahe kontextloser Zitate auf der Website : »Wir haben noch zwei bis drei Jahre, in denen wir den fossilen Pfad der Vernichtung noch verlassen können.« Oder: »Dies ist ein fossiler Krieg. Es ist klar, dass wir so nicht weiterleben können. Es wird unsere Zivilisation zerstören.« Oder: »Wir haben die Wahl: Kollektives Handeln oder kollektiver Suizid.«
Vernichtung, Krieg, Zerstörung, Suizid – die Botschaft ist eindeutig: Hier findet die Mobilisierung junger und sehr junger Menschen über die offensiv geschürte Angst vor dem Weltuntergang statt. Die Begründung der Aktivist*innen der »Letzten Generation« lautet im Kern: Aber es ist doch die Wahrheit, die Welt droht doch wirklich unterzugehen wegen der Klimakatastrophe!
Diese Gefahr besteht ohne Zweifel. Trotzdem ist es gefährlich, auf diese Weise zu kommunizieren. Es geht hier nicht um die Wahrheit, sondern um die Art wie kommuniziert wird, und um die vermeintliche Alternativlosigkeit der eigenen Interpretation. Denn so funktioniert Radikalisierung: durch Zeichnung eines derart schlimmen Szenarios, zu dessen Abwehr jedes Mittel okay erscheint.
Eine katastrophale Option als geringeres Übel darzustellen, weil die Alternative noch katastrophaler sei: Das ist Bestandteil beinahe jedes Extremismus. Und dieser entwickelt in den Köpfen stets eine eigene Eskalationsdynamik, was bedeutet: Extremismus lässt sich ab einem bestimmten Punkt nicht mehr einfangen, auch nicht von denjenigen, die ihn geschürt haben.
An diesem Punkt ist die »Letzte Generation« noch nicht. Aber ihr verzweiflungsgeladener Pfad führt dorthin.
Die grundsätzliche Falschheit der Kommunikation liegt darin, dass es aus Sicht der »Letzten Generation« nur einen Ausweg gibt: exakt das zu tun, was sie vorschlagen. Auch, wenn es natürlich nie genug sein wird, wie bei allen Radikalisierungen. Angenommen, die Bundesregierung würde umgehend die derzeitigen Forderungen versuchen umzusetzen – die »Letzte Generation« würde dennoch nicht nach Hause gehen und Playstation spielen. Sondern neue Forderungen stellen. Das ist das Beharrungsvermögen des Radikalisierungsapparats, wo alles vorstellbar ist außer Anhalten.
Das Ziel der »Letzten Generation« ist zu Lebzeiten heute lebender Menschen nicht erreichbar: Entwarnung in Sachen Klimawandel. Dieser Umstand in Verbindung mit der Abwesenheit aller Grauwerte, der daraus entstehenden Geringschätzung aller anderen Probleme, die schließlich in der Alternativlosigkeit der eigenen Ausdeutung der Situation mündet: Das sind nicht nur die Zutaten einer quasireligiösen, fundamentalistischen Haltung. Es ist leider wider Willen auch die beste Argumentationshilfe für jene Feinde der Klimaschutzpolitik, die inzwischen gern behaupten, man könne eh nichts mehr tun. Denn wer, wie die »Letzte Generation«, sagt: »In zwei Jahren schließt sich das Fenster!«, sagt indirekt damit auch: Ab in drei Jahren ist eigentlich alles egal. Und was soll eigentlich die nächste Generation machen? Sich »Die jetzt aber wirklich allerletzte Generation« nennen?
Quelle : Spiegel-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Letzte Generation Blockadeaktion Luitpoldbrücke. Ein Fernsehteam interviewt die Mitglieder der Letzten Generation.