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QUO VADIS, EUROPA?

Erstellt von DL-Redaktion am Donnerstag 7. September 2017

EUROPA — aus aktuellem Anlass

Bildergebnis für Wikimedia Commons Bilder Europa Merkel

Nun hat gerade heute der EuGH entschieden, dass die EU-Mitgliedstaaten bezüglich der Flüchtlingsaufnahme solidarisch zu sein haben und hat damit die Klage Ungarns und der Slowakei abgewiesen. Orban tobt, doch die Slowakei lenkt ein und Polen hat bis heute null (0) Flüchtlinge aufgenommen. Kann man, ja muss man ein „christliches Europa“ zur Solidarität erst zwingen?

Autor Stefan Weinert,  18.3.2016 / 06.09. 2017

Europa war die Tochter des phönizischen Königs Agenor. Gottvater Zeus selbst verliebte sich in sie und schlich sich, als Stier verwandelt, an sie heran. Er entführte Europa auf die Insel Kreta und gab sich dort als Gottheit zu erkennen. Beide hatten drei gemeinsame Kinder. Ursprünglich stammt das Wort „Europa“ aus einer semitischen Sprache (‚erob’) und bedeutet soviel, wie ‚dunkel’ und ‚Abend’ (daher ‚Abendland’). Gräzisiert wurde daraus ‚eurys’ = ‚weit’ und ‚ops’ (Optik) = ‚Sicht, Gesicht’. Somit hat das griechische Wort die Bedeutung von ‚die [Frau] mit der weiten Sicht’. Aphrodite, die Göttin der Liebe, gab dem Kontinent, zu dem Kreta gehörte, den Namen ‚Europa’, damit diese Frau unsterblich bliebe.

Der Kontinent ‚Europa’ definiert sich nicht nur geologisch, sondern vor allem auch historisch, kulturell, politisch, wirtschaftlich, rechtlich und ideell. Die Grenzen Europas sind daher mehr eine Frage der gesellschaftlichen Übereinkunft. „Europa ist kein Ort, sondern eine Idee.“ (Bernard-Henry Lévy) Deswegen ist die Frage, ob die Türkei zu Europa gehört, auch nicht geklärt. Geographisch gesehen gehören nur drei Prozent der Türkei zum europäischen Kontinent. Jedoch hat die Türkei bereits 1926 die europäische Gesetzgebung und den gregorianischen Kalender eingeführt. 1928 kam es zur Abschaffung des Islam als Staatsreligion und zur Einführung des lateinischen Alphabets. Andererseits hat die Türkei in den Jahren 1933 bis 1945 vielen deutschen Wissenschaftlern und Künstlern Asyl gewährt. Diese Flüchtlinge haben das gesamte Geistesleben in der Türkei entscheidend mitgeprägt. Umgekehrt haben Millionen von türkischen „Gastarbeitern“ das deutsche kulturelle Leben vielfältiger und bunter gemacht. Allerdings macht der derzeitige türkische Präsidenten Recep Erdogan mit seinen jüngsten Gebaren die Errungenschaften der vergangenen 90 Jahre vollkommen zunichte. (= eurountauglich)

Der ‚europäische’ – und damit auch deutsche – Mensch wäre ohne Völkerwanderungen der Früh- und Spätantike und der Neuzeit, nicht zu denken. Völkerwanderungen – aus welchen Gründen auch immer – gab es schon immer und es wird sie auch immer geben und sie sind auch notwendig, um einen ‚globalen Inzest’ und dessen Folgen (Verblödung) zu verhindern.

Mit Beginn des 15. Jahrhunderts überfielen und eroberten viele europäische Staaten ungefragt und ungebeten andere Kontinente und bauten sich dort große Besitztümer und Imperien auf – meist auch unter dem Vorwand der notwendigen „Christianisierung“. Durch (auch deutsche) Kolonialisierung, Sklavenhandel und Warenaustausch hat Europa vor allem Amerika, Afrika und Teile Asiens bis heute prägend beeinflusst. Dabei wurden im Zeichen des Kreuzes ganze Völker (Inkas, nordamerikanische Indianer, man lese dazu das Buch von Dee Brown, „Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses.“) ausgerottet, Ureinwohner zu Menschen zweiter und dritter Klasse erklärt (Apartheid in Südafrika) und andersfarbige Menschen in Ketten wie Vieh behandelt.

Jedoch im 18. Jahrhundert setzte in Europa eine Bewegung der Aufklärung ein. Mutige und humanistische Menschen (wohlgemerkt: es waren nicht die Kirchen und keine Christen) riefen zur Toleranz, Achtung der Menschenwürde, der Gleichheit und Freiheit auf. In Frankreich gipfelte diese Bewegung in der Revolution von 1789.

Europa umfasst zurzeit 46 unabhängige Staaten. 28 (27) davon gehören (noch) zur politischen und wirtschaftlichen „Europäischen Union“, wobei Zypern eigentlich geographisch gesehen zu Asien gehört (siehe Türkei). 1951 schlossen sich die Benelux-Länder, Deutschland, Italien und Frankreich zur Montanunion zusammen. Daraus wurde 1957 die EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft). Mit dem Vertrag von Maastricht 1993 wurde die EWG in Europäische Gemeinschaft (EG) umbenannt. Durch den Vertrag von Lissabon ging die EG 2009 vollständig in die „Europäische Union“ (EU) auf. 19 der 28 Staaten der EU haben bisher seit 1999 sukzessive die gemeinsame Währung „Euro“ [€] eingeführt.

Angesichts der Geschichte Europas und der Situation 2015 – 2017, wo Millionen von Menschen aus politischen, religiösen und auch wirtschaftlichen Gründen nach Europa fliehen und drängen und an den Außengrenzen der EU stranden und verelenden, oder zuvor im Mittelmeer ertrinken, muss die Frage nach dem „Europa mit der weiten Sicht“ mit Recht gestellt werden. In allen 28 (27) Mitgliedstaaten sind die Christen (orthodox, katholisch, evangelisch, evangelikal) in der Mehrzahl. Doch welches Gesicht zeigt das „Abendland“? Ein menschliches, oder gar christliches? Ist es nicht die „Fratze des Egos“? Die Europäische Union hat 508 Millionen Einwohner. Die sechs reichsten Länder der EU, zu denen auch Deutschland an der Spitze gehört, haben ein jährliches Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 11 Billionen Euro. Die Gesamtfläche der 28 EU-Staaten umfasst 4.325.000 km². Selbst wenn in im Jahr 2017 eine (1) Millionen Menschen aus Syrien, Irak, Afghanistan, Eritreer und Westafrika zu uns kämen, dann sind das noch weniger als 0,2 Prozent der EU-Bevölkerung. Ja, wenn denn alle Staaten ihrer aus der Historie erwachsenen europäischen Verpflichtung nachkommen würden. Ansonsten stimme ich dem alten und noch sehr rüstigen Norbert Blüm zu, der angesichts der Not in Idomeni und der Untätigkeit Europas meinte: „Diesen Laden (er meinte die EU) können wir auflösen.“ — Der griechische Innenminister Panagiotis Kouroumplis verglich die katastrophale Lage im Camp Idomeni mit dem NS-Konzentrationslager in Dachau. (Focus online)                                

              Stefan Weinert
   Unabhängiger Bundestagskandidat 2017
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88212 Ravensburg
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Grafikquelle  : Skulptur „Kampf um Europa“ von Peter Lenk in Radolfzell am Bodensee (Ausschnitt)

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