Pseudo-Fachzeitschriften
Erstellt von DL-Redaktion am Freitag 27. Juli 2018
Tausende Forscher publizieren in Pseudo-Journalen
Von Till Krause und Katrin Langhans
- Raubverlage schreiben Forscher und Unternehmen an und bieten gegen Bezahlung eine Publikation in einem wissenschaftlich anmutenden Journal.
- Die Beiträge der Forscher werden oft ohne nennenswerte Prüfung der Inhalte binnen weniger Tage veröffentlicht.
- So sickert eine Mischung aus Wissen, Halbwahrheit und Irreführung in die Welt.
- Deutschland nimmt in diesem zwielichtigen Geschäft offenbar eine Schlüsselrolle ein.
Was in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift steht, wurde in der Regel von anderen Forschern geprüft, für veröffentlichungswürdig befunden und trägt das Siegel der Wissenschaft. Doch zwielichtige Verlage sind dabei, dieses Vertrauen zu zerstören – und Deutschland nimmt in diesem Geschäft offenbar eine Schlüsselrolle ein.
Die Masche der Raubverleger funktioniert so: Sie schreiben Forscher und Unternehmen auf der ganzen Welt an und empfehlen ihnen eine Publikation in einem wissenschaftlich anmutenden Journal. Dann publizieren sie – gegen Bezahlung – die Beiträge der Forscher binnen weniger Tage, oft ohne nennenswerte Prüfung der Inhalte. So erhalten auch zweifelhafte Studien ein angebliches Siegel der Wissenschaft und sind in der Welt.
Mehr als 5000 deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben in den vergangenen Jahren in solchen pseudowissenschaftlichen Zeitschriften publiziert. Darunter sind Dutzende Forscher der Helmholtz-Gemeinschaft und der Fraunhofer-Institute, aber auch Wissenschaftler deutscher Hochschulen und Mitarbeiter von Bundesbehörden. Viele verschwenden damit Steuergelder, die eigentlich in Spitzenforschung fließen sollten. Das ergeben monatelange Recherchen von NDR, WDR, Süddeutscher Zeitung, dem SZ-Magazin sowie weiteren nationalen und internationalen Medien wie dem Falter und Le Monde. Weltweit haben den Recherchen zufolge 400 000 Forscherinnen und Forscher in Raubjournalen veröffentlicht. Die Zahl solcher Publikationen hat sich in den vergangenen fünf Jahren weltweit verdreifacht, in Deutschland gar verfünffacht.
Das Geschäft mit der Scheinwissenschaft ist vor allem eines mit der Scham
Auch Mitarbeiter von zwölf der 30 Dax-Unternehmen tauchen auf den Seiten der Onlineverlage mit eigenen Artikeln oder Vorträgen bei Pseudokonferenzen auf. Tabakkonzerne präsentieren dort Studien über die Gefahren des Rauchens, Pharmafirmen rühmen die Wirksamkeit ihrer Medikamente in Pseudojournalen. Zum Beispiel ist bei einem der größten Raubverleger eine Studie zu dem Mittel Aspirin plus C erschienen – verfasst von einer Bayer-Mitarbeiterin. Bayer schreibt auf Anfrage, dass man nur in wissenschaftlichen Publikationen veröffentliche, die bei Fachleuten anerkannt seien. Bei manchen Verlegern gebe es „schwarze Schafe“.
Quelle : Sueddeutsche-Zeitung >>>>> weiterlesen
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Grafikquelle : Artist — Vincent van Gogh (1853–1890)
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