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Prunk und Stunk

Erstellt von Redaktion am Donnerstag 17. Oktober 2013

Dank Hitler: Bauen für die Ewigkeit

Der Limburger Dom – Da schaut der Bischof schon aus einen Fenster

Autor: Wolfgang Blaschka

Rationalgalerie

Datum: 17. Oktober 2013

In Limburg steht ein Dom: Romanisch. Wuchtig. Alt. Aus rotem Sandstein aufgeführt als Abbild des „himmlischen Jerusalem“. Über der Vierung ein spitz behelmtes Oktogon, das alles überrragt, dazu am Querhaus vier flankierende Türme, und an der Westfront des Langhauses nochmal zwei. Sieben Fingerzeige also nach ganz oben, hinan zum Jenseits irdischer Gefilde. Gutsituierten Älteren dürfte das pompöse Bauwerk noch von der höchsten D-Mark-Bankknote bekannt sein, dem Tausender-Schein in gediegenem Braun. In Wirklichkeit erhebt sich Limburgs Dom über die schwarzgeschieferten Altstadt-Dächer an der Lahn in leuchtendem Rot. Davor erstreckt sich der weitläufige Komplex des Bischofssitzes samt Ordinariat, Diözesanmuseum und neu errichteter Privat-Wohnung inclusive Innenhof und Kapelle des exzellenten Hausherrn mit dem Respekt einflößenden Namen Franz-Peter Tebartz-van Elst, so standesgemäß wie er einem ehrwürdigen Bischof eben gebührt.

Doch mit der allgemeinen Ehrfurcht ist es mittlerweilen vorbei. Der Oberhirte mit Krummstab und Siegelring wird neuerdings gemobbt, wegen Baukostenüberschreitung. Wie kleinlich! Statt 5,5 Millionen Euro haben die Renovierungs- und Neubarbeiten an seiner Residenz nun 31, wenn nicht 40 Millionen gekostet. Dabei hat er nur feinste Materialien verbauen lassen und sich ein Badezimmer mit frei stehender Designer-Wanne für 15.000 Euro genehmigt. Auch ein Bistumsvorsteher muss sich doch mal den Schmutz des Alltags von den feinen Gliedern waschen können, all den Dreck, der das hochwürdige Leben eines führenden Kirchenmannes besudelt. Etwa die staatsanwaltlichen Anwürfe gegen ihn wegen seiner offenbar falschen eidesstattlichen Erklärung gegenüber dem SPIEGEL bezüglich eines Erste-Klasse-Fluges zu den Hungernden Indiens. Nun steht er unter Verdacht wegen Lügens und Prunksucht also. Wie profan! Dabei hat er doch nur repräsentiert, was Kirche schon immer war und sein wollte: Eine Dependance des Transszendentalen hienieden, eine Filiale des Überirdischen auf dem Boden der drögen Realität. Dazu bedarf es auch einer gewissen Innenausstattung für die 2,9 Millionen teure Wohnung.

Soll Tebartz-van Elst in Lumpen gehen, in härenen Kutten? Ungewaschen an den Altar vor seinen Allerhöchsten treten? Wer von den gläubigen Schäfchen hätte sich denn andachtsvoll vor einen Pontifikal-Zelebranten gekniet und für sein ewiges Leben gebetet, sich huldvoll „abspeisen“ lassen mit einer Oblate aus seiner beringten Hand, wenn es im Dom nicht nach Weihrauch, sondern nach ungewaschenem, verlumptem Schafshirten gemuffelt hätte? Wer ginge denn zu hohen Feiertagen in die große Kathedrale, um sich wie in der gammeligen Aussegnungshalle eines Dorffriedhofs zu fühlen?! Es sollte doch alles feierlich sein, bombastisch und gemütserhebend, nicht gruftig wie unter der Brücke, oder? Mit Orgelklang und Festgeläut, Wohlgeruch und Glanz und Gloria. Und eben einem wie aus dem Ei gepellten Bischof. Manche wollten sogar seinen Ring küssen. Das ging nicht ab ohne Hygiene auf gehobenem Niveau, da wäre sonst gleich das Seuchenamt auf der Matte gestanden. Gut, vielleicht war das mit den mehreren zehntausend Euro übertrieben, für die das Dach der bischöflichen Hauskapelle nochmal aufgesägt werden musste, um nachträglich eine stabile Halterung für den Adventskranz zu installieren. Aber ein ordentlicher Adventskranz sollte nun mal hängen, sonst ist er bloß ein Advents-Gesteck.

Über Jahrhunderte gab es kein Problem für die katholische Kirche mit der Repräsentation zur höheren Ehre ihres höchsten Herrn, bis auf ein paar Nörgler und Bettelmönche, die nicht einsehen wollten, wieso der Klerus in Saus und Braus lebte, während die meisten Gläubigen einfach nur dran glauben mussten. Abgesehen von einzelnen Eremiten und Asketen gelang es den Kirchenfürsten immer ganz gut so zu tun, als seien ihre Gotteshäuser quasi die Paläste der Armen, zumindest ihrer armen Seelen, die doch ihr Leben erst noch vor sich hätten nach dem Ableben der sterblichen Überreste. Ihre monumentalen Kathedralen und Klöster, ihre prächtigen Kreuzgänge und Krypten, bombastischen Baptisterien und Basiliken, Campaniles und Columbarien sollten doch wohl so etwas wie Vorgeschmack auf die Pracht des Paradieses darstellen, das sich denen auftäte, die brav ihre Sakramente empfingen. Dafür musste niemand Eintritt zahlen. Es wurde sogar Kirchenasyl gewährt. Verrechnet wurde über den Zehnten, über Kerzenspenden, Opferstöcke, Altar-Stiftungen, Erbschaften und Ablasszahlungen.

Bis auf den Zehnten und die Ablasszahlungen funktioniert das bis heute genauso. Und selbst die gibt es in modernisierter Form noch immer: Der Zehnte wurde zur Kirchensteuer, und die Ablasszahlungen blecht der Staat als Entschädigung für Säkularisierung und Mediatisierung von Ländereien und Liegenschaften aus ehemaligem Kirchenbesitz bis heute, nach alten Verträgen von 1806, 1919, 1949, 1990, als sogenannte Dotationen, auf alle Zeiten. Der säkulare Staat finanziert darüber hinaus die Bischöfe, die Militärgeistlichen, Krankenhaus- und Gefängnis-Seelsorger, bezuschusst sämtliche kirchlichen Kindergärten und Schulen, Altenwohnheime und Krankenhäuser über die Wohlfahrtsverbände Caritas (kath.) und Diakonie (evang.), alle sozialen Einrichtungen und Aktivitäten. Von wegen mildtätige Werke der Kirchen! Ihr Eigenanteil liegt meist bei 15 Prozent. Der Rest sind Betriebs-Einnahmen und öffentliche Zuschüsse, und zwar von allen Steuerzahlern, ob sie religiös gebunden sind oder nicht. Atheisten, Agnostiker, Andersgläubige, alle zahlen die „Werke der christlichen Nächstenliebe“, ungefragt und selbstverständlich. Das Konkordat macht’s möglich. Der erste und einzige immer noch völkerrechtlich gültige Vertrag von Adolf Hitler mit dem Vatikan, der ihn international salonfähig machen sollte.

Die Erhaltung des gotischen Freiburger Münsters bezahlen zu je einem Drittel das Erzbistum Freiburg und das Land Baden-Württemberg, die Stadt Freiburg und private Spender, jeweils ein Sechstel. Für das Bischöfliche Hilfswerk Misereor bringt die katholische Kirche nur 5 Prozent der Kosten auf, und der Evangelische Entwicklungsdienst trägt sich zu weniger als einem Drittel evangelisch. Ein Großteil der Unterstützung wird den Kirchen gar nicht erst ausgezahlt: Der Staat erlässt ihnen auch vieles. Kirchliche Einrichtungen zählen als Tendenzbetriebe, die wie Gewerkschaften, Verbände, parteinahe Stiftungen keine Steuern auf Zinserträge oder Immobilien berappen, und sie zahlen keine Gebühren für eine Baugenehmigung, für den Notar, für ein Gericht oder für Sendezeit in öffentlich-rechtlichen Medien. Sie sparen sich auch den Aufwand, ihre „Mitgliedsbeiträge“ selbst einzutreiben.

Doch ist nicht die ganze Kirche eine Mogelpackung? Verspricht sie nicht das ewige Leben? Hat sie das auch nur einmal einlösen und klinisch einwandfrei nachweisen können? Was ist mit dem angepriesenen Seelenheil? Oder dem klassischen Verkaufsschlager Erlösung? Würde ein Arzneimittel aufgrund von „Wunder“-Beglaubigungen zugelassen? Fiele es nicht unter das Rauschmittel- oder Betäubungsmittelgesetz? Oder mehr noch: Scharlatanerie? Was bedeutet da der Vorwurf gegen einen Bischof, dass er lügt? Er schummelt doch von Berufs wegen. Und viele glauben es nur zu gern. Ist der Zauberkünstler daran schuld, wenn ihm soviele Augenpaare nicht auf die Schliche kommen? Seine Tricks sind gerademal so gut, wie die Zuschauer sich bezaubern lassen. Ein Bischof ohne sakramentale Zauberkraft wäre doch keiner. Nicht einmal ein Dorfpfarrer, der die Wandlung nicht perfekt beherrscht. Man sieht nichts, man riecht nichts, es passiert auch nichts, und doch geschieht das Wunder im Kopf des Gläubigen. Klingelingeling! Die reine Einbildung. Weil sie gewollt ist. Es braucht kein Opium, es reicht Placebo. Der pawlowsche Hund hechelt schon beim Anblick einer schwarzen Soutane, bei einer roten winselt er.

Tebartz-van Elst ist nach Rom geeilt. Er weiß dort selbst ein paar Verbündete, unter anderen den ultrakonservativen Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller, den skandalösen Ex-Bischof von Regensburg, der nun der Glaubenskongregation vorsteht und es sich zum Hobby gemacht hat, die Schriften vom emeritierten Altpapst Ratzinger zu redigieren und herauszubringen. In dessen Jesus-Büchern stehen ziemlich gewagte Sachen drin, beispielsweise über die jungfräuliche Empfängnis Mutter Mariens. Der Heilige Geist soll sie übers Ohr befruchtet haben. Indem sie zutiefst gehorsam seiner Verkündigung gegenüber gewesen sei, habe sie in grenzenlosem Gottvertrauen einen Gottessohn geboren. So geht das, Kinder! Nur immer schön gehorchen, dann schnackelt’s! In der Schwangerenberatung lachen sie dich mit so einer Story milde aus. Aus dem Mund von Tebartz-van Elst ist solch jenseitiger Quatsch nicht bekannt. Der ist deutlich diesseitiger orientiert. Allerdings gibt er das so vollmundig nicht kund, ist ja kein Verkündigungsengel. Sein Wort in der Katholiken Ohr lautet: „Wer mich kennt, weiß, dass ich keinen pompösen Lebensstil brauche“. Scheint aber nichts gefruchtet zu haben. Er schiebt alles auf die baufällige Vikarie und den hessischen Denkmalschutz. Der weiß davon gar nichts. Es habe nur ein Beratungsgespräch gegeben. Die Kirche ließe sich von dem auch nichts vorschreiben. So ist das mit dem Konkordat: „Kirchenstaat“ im Bundesland.

In Limburg wird einmal ein Dom gestanden haben: Romantisch. Ruinös. Zu. Wenn er dereinst irreparabel baufällig geworden gesperrt werden muss, weil nichts mehr zu reparieren ist, wo das Fundament nachgibt, wenn sich die Türme gefährlich neigen und das Gewölbe in bedrohlichen Rissen spreizt, weil die massiven Pfeiler aus dem Lot geraten, der Putz abplatzt, der Marmorboden Höcker aufwirft oder in vorzeitliche Feuergruben absackt, wenn also nichts Konservatorisches mehr hilft, weil die Statik insgesamt nicht mehr trägt, und das Monument zur pittoresken Ruine umgewidmet werden muss unter strengster staatlicher Bauaufsicht, dann steht die bischöfliche Hauskapelle immer noch wie eine Eins, denn sie ist fest gefügt und nachhaltig gebaut nach besten Standards, mit schießschartenartigen Fenstern unterm himmelstürmend wärmegedämmten Steilsatteldach, und alle werden sagen: Seltsam, dass da kein Bischof mehr drin wohnt, weil das Bistum gar nicht mehr existiert. Aber der Adventskranz hängt, schmiedeeisern!

Die Diözese mag irgendwohin eingemeindet oder aufgelöst worden sein. Das ist das aufklärerische Verdienst Tebartz-van Elsts, dass neuerdings täglich 20 Kirchenaustritte zu verzeichnen sind, wo früher nur einer alle zwei Tage fällig wurde. Dank seiner vorbildhaften Belehrung ex cathedra über das innere Wesen der katholischen Kirche. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die letzten Kirchensteuerzahler von ihr abgewandt haben werden. Bleiben übrig die schönen veraltenden Bauten. Zur archäologischen Erinnerung an vergangene religiöse Zeiten. Teils immer noch in profaner Nutzung als voll funktionstüchtiger historischer Kindergarten, mit güldenen Türknäufen zum Antatschen, geeignet genausogut als Seniorentreff, Jugendclub, Bücherei mit angeschlossenem Museum. Darin sündteure Kunstgegenstände für immerhin 450.000 Euro, die der ehemalige Bistumsverweser einst anschaffen ließ, angeblich finanziert von der hundert Millionen schweren bischöflichen Schatulle aus altem Kirchenvermögen, die ihm unabhängig von den Kirchensteuergeldern zur persönlichen Verfügung gestanden haben soll. Ein reicher Mann muss das gewesen sein, wird man vielsagend raunen. Ein armer Wicht, der das alles aufgeben musste. Bleibt eine theologische Frage von Rang: Kommt so ein Bischof wegen Veruntreuung in die Hölle? Und trifft er dort auf Adolf Hitler? Wir werden die Glaubenskongregation um Aufklärung bitten. Obwohl: Glauben und Aufklärung haben natürlich nichts miteinander zu tun.

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Fotoquelle: Wikipedia – Author Original uploader was Augiasstallputzer at de.wikipedia

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