Proteste in Thailand
Erstellt von Redaktion am Sonntag 9. August 2020
Der König, der nie da ist
Von Katrin Kuntz
In Thailand gibt es bei Demonstrationen erstmals öffentliche Kritik am König – obwohl hohe Haftstrafen drohen. Vor allem junge Thais haben genug von einem Monarchen, der sein Land in der Krise alleine lässt.
Die Studenten kamen in Harry-Potter Gewändern, um gegen die Übermacht in ihrem Land zu kämpfen. Einige der 200 Protestierenden verkleideten sich als Zauberer, während sie sich am sogenannten Demokratiedenkmal in der thailändischen Hauptstadt gegen die Herrschenden in Bangkok erhoben. Es wirkte, als wollten sie mit magischen Kräften einen Wandel beschwören.
Seit knapp zwei Wochen protestieren junge Thais nun fast täglich gegen das Establishment aus Militär und royalen Eliten. Sie beklagen, dass der ehemalige Anführer der Militärregierung und heutige Premier Prayut Chan-Ocha die Demokratie aushebelt. Dass er rigoros gegen Kritiker vorgeht und seine Macht während der Pandemie weiter ausbaut. Die Regierung wird immer unbeliebter. Der Premier solle abtreten, fordern die Demonstranten.
Neu war in dieser Woche, dass sechs Sprecher der Anti-Regierungsproteste in Bangkok öffentlich dazu aufriefen, auch die Macht des thailändischen Königs Maha Vajiralongkorn zu beschneiden. Sie forderten, jene Gesetze zu reformieren, die auch dem König in Thailand weitreichende Macht verleihen. Sie warfen dem Palast vor, tatenlos zuzusehen, wie die militärisch dominierte Regierung das Land unterwerfe. Einen solch offenen Studentenprotest gegen den König gab es in Thailand noch nie.
Gegenseitiger Schutz
Palast und Regierung sind in Thailand eng verbunden. Seitdem Vajiralongkorn 2016 den Thron bestiegen hat, hat der Monarch seine Macht noch weiter ausgebaut – und wird dabei von der Regierung unterstützt. Im Gegenzug profitiert die Regierung davon, dass der Palast den Einfluss des Militärs auf die Politik legitimiert. Viele junge Thais lehnen die daraus entstandene Scheindemokratie ab, in der in Wahrheit Militärs immer noch das Sagen haben.
Die jungen Thais haben auch wenig Verständnis für einen Monarchen, der kaum Zeit in seiner Heimat verbringt. Seine Abwesenheit wurde in der Coronakrise noch offensichtlicher, der König interessiere sich kaum für den Ausbruch in Thailand, kritisieren die Demonstranten.
Doch Kritik am König und Proteste wie in dieser Woche sind riskant. Nach dem sogenannten „lèse-majesté“ kann jede Kritik am Monarchen in Thailand mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft werden. Bemerkenswert ist, dass die Polizei anwesend war, aber niemanden verhaftet hat. Die Regierung teilte im Nachgang mit, die Polizei entscheide selbst, ob sie weiter gegen die Protestler vorgehen wolle. Die Machthaber nahmen eine beschwichtigende Haltung ein – wissend, dass der Zorn der Jugend wächst.
„Hass der Nation“
Thailands mächtiger Armeechef nannte den „Hass der Nation“ in dieser Woche eine größere Bedrohung als das Coronavirus. Das Virus könne geheilt werden. Die „Krankheit“, seine eigene Nation zu kritisieren, jedoch nicht.
Die Proteste gegen König und Regierung treffen Thailand in einer sensiblen Phase. Zwar gibt es mit rund 3300 Infizierten vergleichsweise wenige Corona-Fälle im Land. Doch die Wirtschaft liegt am Boden. Der Tourismus, eine der wichtigsten Einnahmequellen, ist weggebrochen. Millionen Menschen haben ihre Arbeit verloren. Zuletzt hatten thailändische Medien über eine Welle an Selbstmorden von verzweifelten Bürgern berichtet.
„Eine größer werdende Zahl an Thailändern wollen echte Demokratie“, sagt Dr. Paul Chambers, Sonderberater für Internationale Angelegenheiten an der Naresuan Universität in Thailand. Der Palast habe eine „direktere Rolle in Bezug auf das Militär und andere administrative Einheiten der Regierung“ genommen, während er zeitgleich die „Erosion der Demokratie“ ignoriere. Gegen diesen Trend, bei dem Palast und Regierung sich gegenseitig in die Hände spielten, hätten sich die Protestierenden in dieser Woche getraut, aufzustehen.
Thailänder wollen mehr Demokratie
Der Wut vorangegangen waren mehrere herbe Rückschläge für die Demokratiebewegung im Land. „Alles begann im Februar 2020, als die Future Forward Partei, die von den meisten desillusionierten Jugendlichen unterstützt wurde, auf zweifelhaftem legalen Grund aufgelöst wurde“, so Chambers. Im März verhängte die Regierung während der Corona-Pandemie Notstandgesetze, die ihr „mehr Macht gaben, zu einer Zeit, in der immer mehr Thailänder sich aber mehr Demokratie wünschten.“
Quelle : Spiegel-online >>>>> weiterlesen
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Artikel vom 13. 04. 2020 –
Thailands Monarch in Bayern
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Grafikquellen :
Oben — Krönung im Mai 2019