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Proteste in Iran

Erstellt von Redaktion am Mittwoch 1. Februar 2023

Das Volk und der Prinz

Ein Schlagloch von Charlotte Wiedemann

Die Hoffnung auf einen raschen Sturz des iranischen Regimes hat sich nicht erfüllt. Im US-Bürger Reza Pahlavi suchen manche jetzt ihren Kronprinzen.

Die Hoffnung so vieler, es werde kurzfristig zu einem Sturz des Regimes in Iran kommen, hat sich nicht erfüllt. Gleichwohl ist nichts wie zuvor; die Proteste haben das Land verändert, neue Allianzen der Solidarität hervorgebracht, die Bedeutung der Frauen unauslöschlich auf den Mauern verzeichnet. Über eine von Wut und Schmerz zerklüftete Landschaft wird sich keine Ruhe senken.

Der entscheidende Hebel zum Sturz des Re­gimes wäre allerdings die Beteiligung jener breiten Bevölkerungskreise, die sich der Bewegung bisher nicht anschließen mochten. Das sind keineswegs nur Loyalisten, die durch Jobs und Vergünstigungen vom System profitieren. Abseits steht auch, wer Zweifel daran hegt, ob die eigenen Bedürfnisse nach einem Umsturz bessere Berücksichtigung fänden. Und natürlich gibt es auch Opportunisten: Sie warten auf deutliche Anzeichen für einen Zerfall des Machtapparats. Etwa die Superreichen; sie verlachen Islam und Geistlichkeit und sorgen sich einzig darum, wohin sie ihr Vermögen transferieren könnten.

Aber dann sind da – und dies ist vielleicht das Wichtigste – die Konservativ-Religiösen und jene, die ihren Glauben gegen staatlichen Missbrauch verteidigen. Begegnungen mit ihnen haben mich am meisten über Iran gelehrt. Doch diese Menschen werden leicht übersehen, unter anderem weil die Diaspora zu diesen Kreisen weniger Verbindungen hat. Eine Bekannte, die dem Milieu familiär verbunden ist, schrieb mir unlängst aus Iran, der Streit um Orientierung habe sich tief in die privaten Verhältnisse eingegraben; die Polarisierung bringe Verwandte gegeneinander auf.

Im Text einer iranischen taz-Autorin begegnete mir am selben Tag folgender Satz: „Der Islam ist seit 1.400 Jahren ein Zwang in Iran.“ Ungewollt wird hier herabgesetzt, was geehrt werden soll. Der Philosoph Ramin Jahanbegloo, der in Delhi lehrt, schrieb einmal, es sei „eine der kulturellen Katastrophen der iranischen Gesellschaft“, die drei Schichten ihrer geistig-moralischen Substanz immer neu gegeneinander auszuspielen, nämlich vorislamisches Persertum, schiitische Identität und Modernismus. Das legt die Schlussfolgerung nahe: In einer Revolution, die das Verhängnis von 1979 nicht mit anderen Vorzeichen wiederholt, müssen all diese Identitätsschichten aufgehoben sein, in einer gewiss schwierigen Balance.

Die Herrschenden der Islamischen Republik zu „Fremden“ zu erklären, die gegen das Volk Krieg führen, macht es eher schwer, das Beharrungsvermögen des Machtapparats zu verstehen. Auf Demonstrationen hierzulande begegnete mir in Gesprächen öfter die Redewendung vom Krebsgeschwür: das Regime ein Tumor, der herausgeschnitten werden müsse; dann werde der Volkskörper gesund. Das gute Volk – darin liegt die Sehnsucht nach einem Kollektiv, das Identifikation erlaubt, aber auch ein Abspalten von Schuld: Die Gesellschaft ist frei von Verantwortung für das, was seit 1979 geschehen ist.

Diese Sicht ist mir in Iran nie begegnet. Eher hörte ich Klagen, wie sehr Moral und Anstand gelitten hätten und wie das staatliche Vorbild schäbiger, strafloser Korruptheit Nachahmer zeuge. Aus diesem Wissen speist sich übrigens die Angst, in einer Umbruchsituation könnten offene Rechnungen in nächster Nachbarschaft durch Selbstjustiz beglichen werden.

Die Aktivistinnen der Diaspora und ihre Unterstützer haben getan, was sie konnten, um Solidarität zu mobilisieren – in der westlichen Welt. Aber die Fähigkeit dieses Teils der Welt, Geschehnisse außerhalb zu beeinflussen, wird überschätzt. Zum Vergleich: Die EU vermochte es durch ein Jahr koordinierter Sanktionen nicht, Putin so zu schwächen, dass er wenigstens an den Verhandlungstisch kommt.

Um die Verurteilten in Teheran vor dem Henker zu retten, bräuchte es politischen Druck aus Indien, China, aus muslimischen Ländern. Ich höre, wie manche bitter auflachen – und ich teile die Bitterkeit. Aber so sind die Weltverhältnisse, jedenfalls in Bezug auf Iran. Dem Westen ist es auch nicht gelungen, das Teheraner Nuklearprogramm einzudämmen, obwohl dazu die Chance bestanden hätte. Trump setzte lieber auf maximum pressure und verhob sich daran. Nun deutet der israelische Angriff auf eine Militäranlage in Iran eine neue Phase an; sie dürfte den zivilen Aufstand eher erschweren, denn das Regime weiß solche Angriffe für sich zu nutzen.

Eine inklusive Erinnerung, die den Widerstand gegen zwei Folterregime unterschiedlicher Natur integrieren könnte, hat sich im Exil wenig entwickelt. Die Schah-Ära wird im heutigen Blick geschönt; es gibt Enkel, die ihrem Großvater nicht glauben wollen, dass er in einem Schah-Gefängnis saß. Nur vor diesem Hintergrund ist erklärlich, dass der Sohn des 1979 gestürzten Monarchen nun zur starken Figur innerhalb einer provisorischen Auslandsführung zu geraten scheint. Fast eine halbe Million Unterzeichner haben den US-Bürger Reza Pahlavi, der sich von seinen Anhängern „Kronprinz“ nennen lässt, zu ihrem Repräsentanten erklärt.

Quelle         :          TAZ-online          >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben        —       Cartoon of HezbollahIranHamas, with Iran as puppetmaster.

Ein Kommentar zu “Proteste in Iran”

  1. Jimmy Bulanik sagt:

    Die Solidarität mit den Menschen im Iran welche für die Gerechtigkeit streben, muss praktisch sein.

    Einen vertretbaren Betrag für das Torproject, das Live Betriebssystem TAILS spenden.

    TAILS:

    Kontoinhaber: Center for Cultivation of Technology gGmbH
    IBAN: DE65 4306 0967 4111 9411 01 https://donate.torproject.org
    BIC: GENODEM1GLS
    Bank: GLS Gemeinschaftsbank eG

    Tor Browser:

    https://donate.torproject.org

    Jede Spende hilft unmittelbar und kann mit Erfolg gegenüber der Finanzverwaltung geltend gemacht werden.

    Selbst jene Menschen welche von ihrem Einkommensverhältnis in der Wirklichkeit nichts spenden können, sind in der Lage den hilfebedürftigen und mutigen Menschen im Iran praktisch helfen. Indem auf der EDV wer die Browser, Firefox, Chrome, Edge welche allesamt aus den Vereinigten Staaten von Amerika stammen die Browsererweiterung Snowflake online aktivieren.

    https://snowflake.torproject.org

    Dazu bedarf es lediglich den persönlichen Willen dazu, anstelle von feigen Ausreden.

    Jimmy Bulanik

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