Presse und Prestige
Erstellt von Redaktion am Montag 10. November 2014
Die Presse sollte ihr Verhälnis zu den Politikern kritischer hinterfragen! Sie hat nicht den Auftrag Könige zu krönen
von Serge Halimi
Vor einem Jahr versuchte die Tageszeitung Libération ihren schwächelnden Verkauf mit folgendem Slogan wieder in Fahrt zu bringen: „Wenn alles schnell geht, gibt’s nur eine Lösung: noch schneller sein.“ Das ging offensichtlich nach hinten los. Ein Jahr später sind die Verkaufszahlen noch weiter in den Keller gesunken, über ein Drittel der Stellen soll gestrichen werden, und die Restredaktion darf noch mehr sogenannte Inhalte produzieren. Wer mit dem Gedanken spielen sollte, Widerstand zu leisten, wird vom neuen Geschäftsführer Pierre Fraidenraich unmissverständlich gewarnt: „Es müssen Opfer erbracht werden. Das habe ich nie geleugnet. Entweder das oder der Tod.“ Es wird wohl auf das eine und das andere hinauslaufen.
Es gibt wahrlich Schlimmeres als die Agonie einer kleinen Zeitung. Und doch führt uns diese Geschichte zwei charakteristische Phänomene vor Augen: Herausgeber, die weder an die wirtschaftliche Zukunft noch an den demokratischen Auftrag ihres Presseerzeugnisses glauben, und eine linke Regierung, die nichts anderes tut, als den Geschäftssinn ihrer Gegner zu imitieren. Da die Libération das Sprachrohr von Staatspräsident François Hollande ist, hat sie nun unter beidem zu leiden. Der Tod dieser traditionsreichen Tageszeitung wäre gewissermaßen die Selffulfilling Prophecy von Manuel Valls‘ Diktum „Die Linke kann sterben“, mit dem der Ministerpräsident versucht, seine letzten Getreuen zu mobilisieren.
Von Cross-Marketing-Geschäften mit dem Hauptaktionär der Libération, dem Kabel- und Internetanbieter SFR-Numericable, über teure Symposien bis hin zu einem Restaurant plus Bar im Redaktionsgebäude in der Rue Béranger soll das Überleben dieser Zeitung durch alles Mögliche, nur nicht mit Journalismus gesichert werden.
Und was macht die Regierung? Sie beschwört ihre Anhänger, nur ja an dem eingeschlagenen Kurs festzuhalten, (auch wenn er mit dafür verantwortlich ist, dass die „Rechtsextremen an die Tore der Macht“ klopfen), indem sie endlos wiederholt, es gebe keinen anderen Weg, die Rechtsextremen daran zu hindern, an die Macht zu kommen.
Den Chefredakteur der Libération, Laurent Joffrin, hält schon längst niemand mehr für den Erben Jean-Paul Sartres, der 1973 die Libé gegründet hat. Und auch Hollande geht kaum noch als Enkel des Sozialisten Jean Jaurès durch. Man denke nur an die Unverfrorenheit, mit der der Präsident verkündete, sein „wahrer Gegner“ sei die Finanzwelt, obwohl er längst beschlossen hatte, nichts gegen sie zu unternehmen. Und Pierre Fraidenraich vollbringt das Kunststück, in ein und demselben Interview sich damit zu brüsten, „die freieste Zeitung Frankreichs“ zu leiten, und gleichzeitig seine Redakteure unmissverständlich davor zu warnen, gegen die Aktionäre zu wettern, die „18 Millionen Euro in diese Zeitung gesteckt haben“.
Quelle: Le Monde diplomatique >>>>> weiterlesen
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Fotoquelle: Wikipedia – Urheber Ralf Roletschek (Diskussion) – Fahrradtechnik auf fahrradmonteur.de
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