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Polizisten, Brüder, Nazis?

Erstellt von DL-Redaktion am Samstag 26. Januar 2019

Rechtsextreme bei der Polizei in Hessen

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Kirtorf in Mittelhessen, wo früher Nazirock im ungebauten Schweinestall lief

von Sebastian Erb und Dinak Riese

Drei hessische Polizisten, gegen die wegen rechtsextremer Verdachtsfälle ermittelt wird, leben in Kirtorf. Was ist dort los?

Der Polizist reagiert harsch, als wir an seiner Haustür klingeln. „Verschwinden Sie!“, ruft er und steigt in sein Auto. Kurz darauf taucht er wieder auf, zusammen mit seinem älteren Bruder, ebenfalls Polizist. Der Ältere stellt sich auf die Straße und redet sich in Rage. „Ich werde jetzt mit Leuten in einen Topf geworfen, die meine Gegner sind.“ Mit Nazis hätten sie nichts zu schaffen, sagt er. Wieder und wieder.

Die Vorwürfe an den 44-jährigen Polizisten und seinen 35-jährigen Bruder wiegen schwer. Es geht um den „Verdacht einer rechtsextremistischen Gesinnung mit Reichsbürgerbezug“ – ermittelt wird unter anderem wegen möglicher Verstöße gegen das Waffengesetz und Volksverhetzung. Die beiden Polizisten sind vorerst vom Dienst suspendiert. Sie gehören zu einem Dutzend hessischer Polizist*innen, denen momentan in zwei verschiedenen Fällen Rechtsextremismus vorgeworfen wird.

Der Fall „Chatgruppe“ hatte im Dezember 2018 bundesweit für Aufregung gesorgt: Mehrere Polizeibeamte des 1. Reviers in Frankfurt schicken sich in einer WhatsApp-Gruppe „rechtsextremistisches Gedankengut“. Vom Dienstcomputer eines Gruppenmitglieds werden im Polizeisystem die gesperrten Meldedaten einer Anwältin abgerufen, die später ein Drohfax bekommt, unterschrieben mit „Gruss NSU 2.0“.

Gegen sieben Personen wird ermittelt, alle arbeiten bei der Polizei. Ende Oktober gibt es mehrere Hausdurchsuchungen – unter anderem in Kirtorf, jenem Städtchen im hessischen Vogelsbergkreis mit etwas mehr als 3.000 Ein­wohner*innen, das aus sieben Dörfern besteht und durch das die Deutsche Märchenstraße führt. In der Gemeinde also, in der auch die Polizistenbrüder wohnen.

Sie beide sollen durch rechtsextreme Äußerungen auf einem Dorffest aufgefallen sein, der Ältere außerdem wegen eines ungewöhnlichen Tattoos. So jedenfalls schildert es ein Mitarbeiter des Ordnungsamts einer benachbarten Gemeinde, der privat auf der Kirmes war, am folgenden Tag der Polizei. Er und der 44-Jährige kennen sich offenbar von der Arbeit. Was genau die Polizisten gesagt oder getan haben sollen, kann oder will niemand sagen, auch nicht der Leiter des Ordnungsamtes.

Der Fall „Kirmes“ – in dem gegen insgesamt fünf Personen ermittelt wird – und der Fall „Chat“ haben nach ak­tuellem Stand nichts miteinander zu tun, hat Hessens Innenminister Peter Beuth betont. Es gebe keinerlei Hinweise auf ein „rechtes Netzwerk“ in der hessischen Polizei. Der CDU-Politiker versprach: „Wir werden jedem auch noch so geringen Verdachtsmoment nachgehen.“ Beim Landeskriminalamt wurde dafür eine „Besondere Aufbauorganisation“ mit 50 Mitgliedern eingerichtet.

Im Fall „Kirmes“ sind die Vorwürfe, die den Brüdern gemacht werden, disziplinarrechtlich so schwerwiegend, dass es auch hier für eine Hausdurchsuchung reicht: Am 16. Dezember parken mehrere Autos vor ihren Häusern. Sie habe erst an eine Familienfeier gedacht, wird sich später eine Nachbarin des Jüngeren erinnern – deswegen die vielen Autos. Es sind aber Zivilfahrzeuge der Polizei.

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Schild am Ortseingang

Den älteren Bruder fangen die Ermittler ab, als er mit dem Auto zum Dienst loswill. In der ausgebauten Scheune, die er vor einiger Zeit bezogen hat, stoßen sie auf ein „museal eingerichtetes Zimmer mit diversen NS-Devotionalien“, wie es heißen wird, mit „historischen Wehrmachts- und SS-Uniformen, Fahnen, Plakaten, Orden und Abzeichen“. Auch erlaubnispflichtige Waffen und Munition werden gefunden. Die Ermittler versiegeln das Zimmer und nehmen das Handy des Beschuldigten mit.

Verstörende Bilder vom August 2004

Am Donnerstag letzter Woche ist die Polizei wieder vor dem Haus des älteren Bruders, diesmal kann die Ermittler niemand übersehen. Ein Polizei-Lkw mit Anhänger, mehrere Kleinbusse und Pkws, so berichten Augenzeugen.

Sie haben Sprengstoffspürhunde mitgebracht, die nicht nur das Haus, sondern auch ein Waldstück nach Waffen und Munition durchsuchen. Die Ermittler räumen das Zimmer aus, Kiste um Kiste tragen sie nach draußen.

Quelle     :         TAZ       >>>>>      weiterlesen

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Grafikquellen      :

Oben      —        Half-timbered buildings near Neustaedter Str 10 in Kirtorf, Kirtorf, Hesse, Germany

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