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Polizeigewalt in den USA

Erstellt von Redaktion am Sonntag 25. April 2021

Risse in der blauen Mauer

File:George Floyd neck knelt on by police officer.png

Aus New York von Dorothea Hahn

Ein Jahr nach George Floyds Tod steht das Minneapolis Police Department unter Druck. Und in Washington ist ein neues Polizeigesetz in Arbeit.

Die „blaue Mauer“, die gewöhnlich nach polizeilichen Gewalttaten in den USA dicht geschlossen ist, hat Risse. Polizisten von der Spitze der Hierarchie – Chefs und Ausbilder – haben in Minneapolis als Zeugen gegen einen aus ihren Reihen ausgesagt. Und nachdem Derek Chauvin des Mordes und Totschlags an George Floyd für schuldig befunden worden ist, reden manche von ihnen jetzt über Reformen im System.

Sie wollen Würgegriffe und andere lebensgefährliche Techniken verbieten, wollen den Einsatz von Tränengas einschränken und denken sogar über den punktuellen Verzicht auf das Schusswaffentragen nach. Der Präsident unterstützt das Ansinnen. „Niemand sollte über dem Gesetz stehen“, hat Joe Biden gesagt. An seinem 91. Tag im Amt, kurz nach der Veröffentlichung der Entscheidung der Geschworenen, kündigte er an, dass er die „Wahrscheinlichkeit neuer Tragödien“ reduzieren will.

Die „Blauen“ sind berüchtigt für ihr oft unverhältnismäßig brutales Vorgehen. Bis zum 23. April diesen Jahres haben Polizisten in den USA bereits 319 Menschen getötet. Besonders oft und hart trifft ihre Gewalt Angehörige der Minderheiten. 28 Prozent der Opfer sind Afroamerikaner, obwohl sie nur 13 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen. Bürgerrechtler diskutieren seit Jahren über die Notwendigkeit von Reformen. Ihre Modelle reichen von der Reduzierung der Budgets über die Umverteilung eines Teils der Polizeiaufgaben an soziale und psychiatrische Dienste und die Abschaffung von polizeilichen Verkehrskontrollen, die für Afroamerikaner tödlich sein können, bis hin zu der kompletten Abschaffung der Polizei.

Das Police Department zerlegen

Nach den meisten tödlichen Polizeieinsätzen der Vergangenheit kam es nicht einmal zu Ermittlungen gegen die Täter in Uniform, geschweige denn zu Anklagen und Verurteilungen. In diese Gemengelage hat George Floyds Tod – vor allem das millionenfach gespielte Video von dem polizeilichen Mord – Bewegung gebracht. Knapp zwei Wochen nach seinem Tod unter einem Polizistenknie kam die Mehrheit der Städträte von Minneapolis in den Powderhorn Park und versprach Demonstranten, dass sie das Minneapolis Police Department „zerlegen“ wollten.

Es gibt Widerstand, etwa gegen die Abschaffung der Immunität von Polizisten

Bislang haben die Ratsleute ihr Vorhaben nicht umgesetzt. Unter anderem stemmten sich die Minderheit im Stadtrat und der Bürgermeister der Stadt, Jacob Frey, dagegen. Aber die Absicht, das MDP finanziell auszuhungern, zu zerlegen oder zu ersetzen und – vor allen Dingen – es unter eine zivile Aufsicht zu stellen, bestimmt weiterhin die Debatte in Minneapolis. Statt der großen Veränderungen haben der demokratische Bürgermeister und der erste afroamerikanische Polizeichef, Medaria Arradondo, ein paar kleinere Schritte getan: Sie haben das Training im Militärstil abgeschafft, haben Geld aus dem Polizeietat an psychiatrische und soziale Dienste ausgelagert und sie ermuntern Polizisten, selbst in der Stadt zu wohnen, in der sie arbeiten. „Farbkleckse auf der Wand“, sagt der polizeikritische Ratsherr Philippe Cunningham. „Zahnlos“, nennt es die Chefin der Bürgerrechtsgruppe ACLU in Minnesota, Julie Decker.

Am Mittwoch, einen Tag nach dem Mordurteil der Geschworenen in Minneapolis, bekamen die Polizeikritiker mächtige Unterstützung aus Washington. Der neue Justizminister Merrick Garland kündigte Untersuchungen über das MPD an. Unter anderem will das Justizministerium sich bei seinen ungewöhnlichen Untersuchungen mit „exzessiver Gewaltanwendung“ – auch gegen Demonstranten – und mit „rechtswidrigen“ Regeln und rechtswidriger Ausbildung in Minneapolis befassen. Der Minister forderte die örtliche Bevölkerung auf, ihn bei der Arbeit nach Kräften zu unterstützen.

Mehr einheitliche Regeln

Parallel dazu ist in Washington ein Gesetz in Arbeit, das im Falle seiner Annahme strengere nationale Regeln für die Polizeiarbeit definieren würde als je zuvor. Die 18.000 Polizeibehörden in den USA – von denen manche nur einen, andere Zigtausende Mitarbeiter haben – unterstehen nicht der Bundesregierung. Sie sind autonom.Welches Personal sie einstellen, wie lange sie es ausbilden (zwischen drei und sechs Monaten), welche Waffen (auch aus Militärbeständen) sie ihm geben und welche Methoden sie tolerieren und ermuntern, ist Sache der Kommunen und der Bundesstaaten. All das würde das „George-Floyd-Gesetz“ vereinheitlichen.

Das Gesetz würde die „No-knock“-Hausdurchsuchung bei Drogenverdacht verbieten, bei denen die Polizei nicht einmal anklopfen muss, bevor sie einbricht (bei einer solchen No-knock-Aktion in Louisville, Kentucky, wurde im März vergangenen Jahres die schlafende 26-jährige Afroamerikanerin Breonna Taylor in ihrem Bett erschossen). Es würde Anreize schaffen, damit Polizisten die Gewalttätigkeiten ihrer Kollegen melden. Es würde für einen nationalen Datenabgleich sorgen, der gewalttätige Polizisten erfasst, die gegenwärtig nach einer Entlassung problemlos eine Neuanstellung im Nachbarort oder Nachbarbundesstaat finden können. Vor allen Dingen aber würde es die Immunität abschaffen, die Polizisten vor Ermittlungen schützt.

Das Gesetz stammt von Demokraten, die es bereits im vergangenen Sommer eingebracht haben. Bislang ist es nicht über das mehrheitlich demokratische Repräsentantenhaus hinausgekommen. Von republikanischer Seite gibt es Widerstände – insbesondere gegen die Abschaffung der Immunität von Polizisten.

Aber selbst bei Republikanern ist in diesen Tagen eine gewisse Aufbruchstimmung spürbar. „Es ist eine gute Sache, dass wir uns in einer Polizeireform engagieren“, sagt der rechte Senator aus South Carolina, Lindsey Graham.

Mindestens neun Republikaner müssen sich drauf einlassen

Sein Kollege Tim Scott, der einzige afroamerikanische Senator der Republikaner, hat bereits im vergangenen Jahr eine abgemilderte Version eines Polizeigesetzes vorgelegt. Seit mehreren Wochen verhandelt er jetzt mit Demokraten über einen Kompromiss. Während viele Republikaner jede Aufhebung der polizeilichen Immunität ablehnen, plädiert Scott dafür, dass Bürger statt der individuellen Polizisten immerhin die jeweiligen Polizeibehörden zur Rechenschaft ziehen können. Um im Senat angenommen zu werden, bräuchte das George-Floyd-Gesetz mindestens 60 Stimmen – das bedeutet, mindestens neun Senatoren müssen sich darauf einlassen.

Quelle      :         TAZ        >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen        :

Oben       —       

Police officer Derek Chauvin kneeling on George Floyd’s neck, leading to Floyd’s death. Taken by onlooker with a mobile phone.
Source Darnella Frazier Facebook post.
Article Killing of George Floyd

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Unten       — Ein protestierender Mann mit einem Schild „Gerechtigkeit oder Gewalt, du entscheidest“.

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