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Politische Analyse – GroKo

Erstellt von Redaktion am Dienstag 28. November 2017

Die große Konfusion der großen Koalition

Bildergebnis für Wikimedia Commons Bilder Otto Brenner Stiftung

Eine GroKo bietet Einkommen auch für manch einen Hinterbänkler

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politische analyse

Jamaika ist gescheitert. Damit steht die Regierungsbildung in Deutschland wieder da, wo sie am Wahlabend gestanden hatte. Nur für die SPD ist die Lage noch schwieriger geworden. Nach den vollmundigen Erklärungen ihres Vorsitzenden Schulz muss sie nun die Rolle rückwärts schaffen. Wie erklärt die SPD nun ihren Mitgliedern, den Wählern und der Welt, dass ihr Geschwätz von gestern sie heute nicht mehr interessiert? Oder beugt sie sich wieder dem Grundsatz, dass das Wohl des Staates über dem der Parteien und der Bürger steht?

Es schien doch alles so einfach nach der verlorenen Wahl. Statt der Analyse der politischen Wirklichkeit blies Schulz zum Aufbruch in Hoffnung machende Traumwelten. Die Große Koalition war schuld an den Verlusten der SPD. Heil und politischer Neuanfang sollten gesucht und vor allem gefunden werden in der Opposition. Hatte noch vor nicht allzu langer Zeit ein anderer großer Vorsitzender das Verständnis und politische Weltbild der SPD mit einem einfachen Satz auf den Punkt gebracht: „Opposition ist Mist“, so galt das ab sofort nicht mehr. Nun auf einmal sollte Opposition die Lösung aller Probleme bringen, die Erneuerung der Partei, den Aufbruch zu neuen Ufern, die Rückkehr des Apparats auf den Boden der Realität, die Annäherung an die Menschen am Grunde der Gesellschaft, von denen man sich offensichtlich zu weit entfernt hatte.

Denn die waren es, die die SPD in die Wüste geschickt hatten. Die einfachen Leute, als deren Vertreter die SPD sich in den Wahlkämpfen immer so gerne aufspielte, wollten von der Partei der einfachen Leute nichts mehr wissen. Sie wandten sich in großen Teilen der AfD zu, besonders in den ehemaligen Hochburgen der SPD und in ihrem scheinbar natürlichen Milieu, der Arbeiterschaft. Nur ging im ausgelassenen und erlösenden Jubel der Parteisoldaten am Wahlabend die Frage vollkommen unter, weshalb auf einmal nicht mehr gelten sollte, was früher unumstößliches Glaubensbekenntnis war, an dem nicht gezweifelt werden durfte? Weshalb sollte nun auf einmal Opposition nicht mehr Mist sein?

Eine Diskussion darüber hatte es nicht gegeben. Eine sachlich begründete Erklärung noch viel weniger. Der Vorsitzende gab eine Losung aus und alles brach aus in hirnlosen Jubel. Führer befiel, wir folgen dir? Ist das das Innenleben einer demokratischen Partei, sieht so innerparteiliche Diskussion und Beschlussfindung aus? Versteht man in der SPD so etwas als politische Meinungsbildung? Soll das für kritische, nach Erkenntnis und Orientierung suchende Bürger ansprechend sein? Welcher politisch Interessierte kann denn mit einem solch autoritären Demokratieverständnis gewonnen werden? Wer will sich denn vorschreiben lassen, wie er zu denken hat? Aber kein kritisches Wort zu den inneren Zuständen, kein Insichgehen. An allem war die GroKo schuld und vor allem die Kanzlerin.

Und nun deutet sich der nächste Gesinnungswandel an. Ist nun Opposition doch wieder Mist, Erneuerung nicht mehr nötig? Haben all diese Rollen rückwärts überhaupt noch etwas mit Gesinnung zu tun? Beim einfachen Mitglied besteht die Gefahr, dass er schwindelig wird bei all den Purzelbäumen, die die Führung veranstaltet. Was ist denn nun richtig? Ist Oppostion nun Mist oder nicht? Und wie sollen die Mitglieder vorort, dort wo die einfachen Menschen zu Hause sind, denen noch erklären, was ihre Partei da veranstaltet. Wie will man argumentieren und überzeugen, wenn morgen schon nicht mehr gelten kann, was man gestern noch voller Inbrunst verkündet hat? Und vor allem, wie will man argumentieren, wenn für die ständig sich ändernde politische Taktik keine nachvollziehbaren Erklärungen gegeben werden können?

Geht es denn noch wirklich um die Menschen an der Basis, im Flussbett der Gesellschaft? Will man denn überhaupt noch überzeugen oder sollte doch nicht lieber die Frage anders gestellt werden? KANN man noch überzeugen? Verfügt die SPD überhaupt noch über ein überzeugendes Weltbild? Kann sie noch die Vorgänge in der Welt erklären und zwar so erklären, dass aus diesen Erklärungen wirklich die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen nachvollziehbar sind. Erhellen die Erklärungen der SPD den Blick auf die Wirklichkeit?

Die Welt ist in einem erbärmlichen Zustand: Kriege, an denen auch Deutschland immer mehr beteiligt ist, Fluchtbewegungen, die durch diese Kriege ausgelöst werden und nun auch Auswirkungen auf Deutschland und seine Bürger haben. Zerfall staatlicher Strukturen und des gesellschaftlichen Zusammenhalts nicht nur in den zerbrechlichen Staaten der dritten Welt sondern zunehmend auch in den Hochburgen des Kapitalismus. Eine zunehmende Konfrontation zwischen den drei großen politischen Polen der Welt: den USA, Russland und China. Und dazwischen immer wieder Medien, die die Spannungen zwischen den Bevölkerungsgruppen anheizen zur Steigerung ihrer Leserzahlen und die Konflikte in der Welt mit simplen Schlagzeilen oder verworrenen Erklärungsversuchen bedienen.

All dem steht die SPD hilflos gegenüber. Die Aufarbeitung des Wahlergebnisses hat nicht stattgefunden und schon gar nicht der angekündigte Erneuerungsprozess, der die Wende hätte bringen sollen für das politische Gewicht der SPD in der Gesellschaft. Dann aber schuf der Zusammenbruch der Jamaika-Verhandlungen schon wieder eine neue Lage. Reagierte man anfangs darauf mit derselben trotzig-entschlossenen Ablehnung der GroKo wie am Wahlabend, so lässt man sich nun doch zunehmend von den Anforderungen der neuen Lage vereinnahmen. Staatstragende Verantwortung ist gefordert, und es scheint, als käme einigen in der SPD das Drängen aus Politik und Medien zur Neubelebung der GroKo nicht ungelegen.

Was hätte bei der Erneuerung der Partei herauskommen sollen? Zu welchen neuen Ufern hätte denn der Aufbruch gehen sollen? Was hätte denn auf dem anderen Ufer zu finden gehofft? Der Kampf um eine neue gesellschaftliche Ordnung? Etwa zum Sozialismus, den man zwar immer noch irgendwo im Keller aufbewahrt, um damit bei kämpferischen Auftritten vor aufgewühlten Arbeitern wie zuletzt als Knüppel aus dem Sack schwingen zu können? In Wirklichkeit will ihn niemand in der SPD haben, den Sozialismus. Dafür hat man ihn doch viel zu lange bekämpft, um damit noch ernsthaft jemanden erschrecken zu können. Aber trotzdem kann die Gefahr nicht ausgeschlossen werden, dass man mit der Suche nach Erneuerung vielleicht Geister ruft, die man später nicht mehr oder nur schwer wieder los wird. Dann doch lieber GroKo anstelle von Richtungskämpfen und Zerreißproben in der eigenen Partei.

Aber die SPD steht nicht alleine da mit den Problemen, die sich aus den Wahlen vom 24.9. ergeben haben. Auch in der CDU/CSU haben das schlechte Wahlergebnis und das Anwachsen der AfD den Ruf nach innerparteilicher Veränderungen lauter werden lassen. Aber auch bei der CDU war die versprochene Wahlanalyse zurückgestellt worden zugunsten der Jamaika-Sondierungem. Die Veränderungswünsche in CDU/CSU reduzierten sich dann auf die Suche nach anderem Personal, das bessere Erfolgsaussichten zu versprechen schien. Aber als man nicht fündig wurde, schwand sehr schnell der Wunsch in der CDU, einen Ersatz für Angela Merkel zu finden. Es gibt keinen, der die Spannungen in der Partei nicht noch vergrößern würde. Merkel ist für die CDU alternativlos, will sie nicht riskieren, noch weiter in der Wählergunst abzusinken.

So ist denn bei den Verlierern der Wahl der große Sprung nach vorne stecken geblieben im Morast des politischen Tagesgeschäfts und dem Mangel an Mut und vor allem den Voraussetzungen, andere Wege einzuschlagen. Mit wem wollen sie denn neue Wege einschlagen? Mit denen, die die bisherigen Pfade ausgetreten haben? Die herrschenden Parteien können nichts weiter als das Bestehende verwalten. Sie bieten keinen Ausblick mehr in freundlichere Zukunft. Sie öffenen keine Horizonte mehr, die den Blick freigeben in eine neue Welt. Sie sind nur noch Nachlassverwalter einer vergangenen Zeit, der Zeit des Wirtschaftswunders und der damit verbundenen gesellschaftlichen Ruhe, der Illusion eines dritten Weges zwischen Kapitalismus und Sozialismus. Dieses Zeitalter aber geht zu Ende.

Die aktuell bestimmenden Parteien von der AfD bis zur Linkspartei sind nicht in der Lage, den Bürgern ein klares Bild über die Zustände in der Gesellschaft und der Welt zu vermitteln, das auch der Wirklichkeit gerecht wird und nicht nur an der Oberfläche der Erscheinungen bleibt. Sie bedienen nur die Interessen einzelner Gruppen der Gesellschaft, teilen mit ihnen dieselbe Weltsicht. Aber sie sind nicht in der Lage, die inneren Triebkräfte der herrschenden Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung offen zu legen und zu erklären, ganz zu schweigen von den Entwicklungen in der Wirtschaft und der Finanzwelt, was die meisten Menschen noch am meisten beunruhigt. Denn ein Zusammenbruch des Finanzsystems, der mit der Lehman-Pleite erstmals ins Bewusstsein weiterer Teile der Bevölkerung gerückt war, oder die wieder zunehmenden Betriebsschließungen und Arbeitsplatzabbau machen vielen wieder deutlich, wie anfällig und zerbrechlich die eigenen Lebensgrundlagen sind.

Für all diese Erscheinungen geben die Parteien keine Erklärungen, die der Wirklichkeit gerecht werden. Sie verteilen Beruhigungspillen, indem sie den Bürgern erklären, welche Konzepte und Vorstellungen sie haben für die Beseitigung von Problemen, die sie selbst immer weniger in der Lage sind zu verstehen, geschweige denn zu beherrschen. Sie wollen Krankheiten kurrieren, deren Erreger sie nicht kennen oder, wenn sie ihn kennen, nicht benennen wollen. Und dieser Erreger heißt Kapitalismus.

Es sind die Erscheinungsformen der kapitalistischen Gesellschaftsordnung, die das Leben der meisten Menschen immer unsicherer machen. Die Überproduktion an Flugkapazitäten drängte airberlin aus dem Markt mit dem Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen, weil sie in der Konkurrenz nicht mehr mithalten konnten. Die Überkapazitäten an den Stahlmärkten zwingen Thyssen-Krupp und Tata zur Fusion, um über den Abbau von Arbeitsplätzen weiter in der internationalen Konkurrenz bestehen zu können. Die Überkapazitäten in der Autoindustrie führten zum Verkauf von Opel an PSA mit der Ankündigung von Werksschließungen. Siemens vernichtet Produktionskapazitäten durch Schließungen im Turbinenbau, weil der Weltmarkt den Ausstoß der Werke nicht mehr aufnehmen kann. Die Überkapazitäten von Kapital auf den Kapitalmärkten und den damit verbundenen Niedrigzinsen führen besonders die kleineren Banken in Europa in Krise. Sie können nicht mehr genug Gewinn erwirtschaften, um die Verluste aus Kreditausfällen auszugleichen. Bankenliqidierungen und -zusammenschlüsse sollen über den Abbau von Arbeitsplätzen Banken retten und damit die Finanzmärkte stabilisieren.

Diesen Entwicklungen stehen Parteien und selbst die Regierungen der Staaten nicht nur machtlos gegenüber. Sie sind sogar gezwungen durch die Verfassung und Rechtssprechung der herrschenden, kapitalistischen Gesellschaftsordung diese Entwicklungen zuzulassen und zu fördern. Denn Aufgabe des kapitalistischen Staates ist der Schutz der herrschenden Grundordnung. Das ist nicht zu verurteilen, das ist auch nicht anstößig oder unmoralisch. Jede Gesellschaftsform hat einen Staat als Verwalter, dessen Aufgabe es ist, die gesellschaftliche Grundordnung zu schützen und zu fördern. Das gilt für den kapitalistischen Staat ebenso wie für den sozialistischen und auch den Feudalstaat. Im Kapitalismus bedeutet das Schutz und Förderung der Wirtschaftsordnung durch Schutz und Förderung des privaten Besitzes an den Produktionsmitteln.

Es ergab sich aber mit der Entwicklung des Kapitalismus das Problem , dass die Zahl der Besitzer der Produktionsmittel immer weniger wurden. Der Erhalt der wirtschaftlichen Leistungskraft und damit der Lebensgrundlagen der Gesellschaft lag in immer weniger Händen. Das Wohl und Wehe ganzer Nationen wird immer mehr abhängig von den immer weniger und immer mächtiger werdenden Besitzern der Produktionsmittel. Die positiven wie auch negativen Investitionsentscheidungen einiger Weniger bestimmen über das Schicksal ganzer Regionen.

Das aber gerät immer mehr in Widerspruch zu den Interessen der überwiegenden Mehrheit der Menschen, deren Lebensgrundlagen im Treibsand der Veränderungen zu versinken drohen. Die Aufgaben von Staat und letztlich auch der Parteien ist es, diesen gesellschaftlichen Widerspruch und den sich daraus ergebenden Sprengstoff so zu managen, dass er nicht zum Zerbrechen der Gesellschaft mit unvorhersehbaren Folgen führt. Doch diese Fähigkeit trauen immer mehr Menschen auch hierzulande den Parteien nicht mehr zu, die bisher die Regierungen gestellt haben. Entweder ziehen sich ganz aus der politischen Teilnahme zurück und enthalten sich bei den Wahlen oder aber sie suchen sich neue Parteien wie die AfD, in die sie ihre Hoffnung weiterhin setzen können. Das ist die politische Aufgabe der Parteien, die Bindung der Bürger entsprechend ihren Interessen und Weltbild an die herrschende gesellschaftliche Ordnung.

Aber die Parteien sind nicht in der Lage, auch nicht die AfD, die ihre politischen Fähigkeiten bisher noch nicht unter Beweis hatte stellen müssen, den Kapitalismus im Rahmen der herrschenden Grundordnung abzuschaffen. Denn es ist seine Grundordnung, nicht die der Parteien. Sie können ihn als Parteien, die die Regierung bilden, verwalten. Sie können ihn auch ein wenig reformieren, d.h. seine gesellschaftlich gefährlichsten Auswüchse kappen. Aber sie können ihn nicht außer Kraft setzen. Das versuchen besonders die Parteien auf der Linken, aber auch die AfD, die Bürgern und vermutlich auch sich selbst einzureden. Sie glauben, den Mut und die Fähigkeit dazu zu haben, von denen sie unterstellen, dass sie den anderen fehlen. Aber sie wecken damit nur Illusionen, die nicht in Erfüllung gehen werden und den Menschen keinen Ausweg bieten.

Rüdiger Rauls Buchveröffentlichungen:

Wie funktioniert Geld? Buchbeschreibung

Kolonie Konzern Krieg – Stationen kapitalistischer Entwicklung Buchbeschreibung

Zukunft Sozialismus oder die Grenzen des Kapitalismus Buchbeschreibung

Die Entwicklung der frühen Gesellschaften-Die Geschichte Afghanistans Buchbeschreibung

Was braucht mein Kind? Buchbeschreibung

Späte Wahrheit (Prosa) Buchbeschreibung

Herausgeber von:

Imre Szabo: Die Hintermänner ( ein politischer Krimi)Buchbeschreibung

Imre Szabo: Die Unsichtbaren ( ein politischer Krimi)Buchbeschreibung

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