Erstellt von DL-Redaktion am Montag 20. Dezember 2021
Sollen sie doch Flugtaxi fliegen, mir egal

Die neue Regierung ist kaum eine Woche im Amt, schon wird über Karl Lauterbachs Zähne und Robert Habecks Frühstück geredet. Das ist nicht schlimm, aber zielführend wären ganz andere Dinge.
Wenn man sich für Politik interessiert, dann kommt man nicht umhin, ab und zu in den Graubereich zwischen seriösem Journalismus und Klatschpresse zu geraten. Deswegen weiß ich, dass Friedrich Merz angeblich Hosen bügeln und Spaghetti kochen kann (okay… wer nicht?), dass Anton Hofreiter gern Blumen malt, und welche Hausschuhe Gerhard Schröder trägt, wenn er für seine fünfte Frau versucht, Klavier zu spielen. Das sind die Kollateralschäden, die man einpreisen muss, wenn man umfassend informiert sein will, und das ist so weit auch in Ordnung.
Es interessiert mich eigentlich nicht wirklich, was Politikerinnen und Politiker essen oder welche Kleidung sie tragen oder wie genau sie von A nach B kommen. Ich verstehe, dass anderen Leuten das wichtig ist, man hat halt verschiedene Ansprüche. In den letzten Tagen haben wir, die so was nicht wissen wollen, und die, die so was wissen wollen, folgende Dinge erfahren:
Ja, Mensch. Ich frühstücke hier gerade eine Energydrink-Schorle, aber davon mal abgesehen: Wen juckt das alles? Ja klar, die Medien machen nur ihren Job, zu berichten, und die Politiker*innen machen nur ihren Job, sich zu inszenieren oder in Interviews auf Fragen zu antworten, und es liegt in der Natur der Sache, dass wir jetzt über die neue Regierung auch Kleinkram erfahren. Aber was machen wir mit diesen Informationen? Cui bono?
Man kann nicht den ganzen Tag Selfies mit Pferden machen
Zwei Dinge: Erstens lenkt es ab, und zweitens ist es nicht so verrückt. Es ist nicht so beeindruckend, wenn Baerbock eine Strecke mit öffentlichen Verkehrsmitteln fährt, die ungefähr so lang ist wie von Berlin nach Hamburg, oder wenn Özdemir ein paar Meter mit dem Fahrrad fährt, oder wenn Habeck nicht geschafft hat einzukaufen, mal abgesehen davon, dass »Müsli mit Wasser« jetzt auch nicht so krass ist, wie es klingt, wenn man bedenkt, dass unzählige Menschen jeden Morgen Porridge essen, das ist: Haferflocken mit Wasser aufgekocht. Dass Koalitionsverhandlungen anstrengend sind, haben wir uns alle vorher gedacht, man kann halt nicht den ganzen Tag Selfies mit Pferden machen. Wer einen stressigen Job hat oder Kinder oder eine Krankheit, kommt nicht immer dazu, sich ordentlich zu ernähren, das ist für sehr viele Menschen einfach Alltag.

Was gilt als minderwertig, wenn man arm ist, aber als nobel, wenn man reich ist?
Können wir aufhören, reiche Leute dafür zu feiern, dass sie etwas Nachhaltiges oder Sparsames tun, das arme Menschen ständig tun? Was hier passiert, ist seit Jahren ein Meme im Internet. Die Frage »What’s considered trashy if you’re poor, but classy if you’re rich?« findet sich in verschiedenen Varianten in diversen sozialen Medien, also: Was gilt als minderwertig, wenn man arm ist, aber als nobel, wenn man reich ist? Darunter fallen so unterschiedliche Dinge wie: öffentliche Verkehrsmittel benutzen, zerrissene Jeans tragen, bilingual aufwachsen, einen Cousin heiraten, tagsüber Alkohol trinken, Spenden sammeln, zu einem öffentlichen Anlass zweimal dasselbe anziehen, Secondhand-Klamotten, Leitungswasser trinken, seinen Kindern ungewöhnliche Namen geben, wenig Möbel besitzen, mehr als zwei Kinder kriegen, … sagen wir mal so, die Liste ist lang.
Quelle : Spiegel-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Lufttaxi auf den Malediven
Unten — Margarete Stokowski (2018)
Erstellt am Montag 20. Dezember 2021 um 13:22 und abgelegt unter Bücher, Feuilleton, Positionen, Regierung.
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