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Politik und Banken

Erstellt von DL-Redaktion am Samstag 25. März 2023

 Beruhigende Worte von Scholz und Macron sind wenig wert

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Es war immer schwer politischen Trollen zuzuhören, welche von Banken rein gar nichts verstehen – ansonsten wären sie Banker geworben.

Quelle      :        INFOsperber CH.

Urs P. Gasche /   

Um das Vertrauen in Grossbanken zu bewahren, müssen Behörden und Banker lügen. Sie würden lieber das labile Geldsystem fixieren.

Nach dem Zwangsverkauf der Credit Suisse an die UBS «herrscht nach wie vor Unsicherheit an den Börsen», meldete gestern Freitag, 24. März, die Schweizer Tagesschau. Die Aktien der Deutschen Bank beispielsweis hätten am Freitag 8,5 Prozent ihres Wertes verloren. Die Regierungschefs würden «versuchen zu beruhigen».

In Brüssel versammelte Regierungschefs sahen sich veranlasst, die Öffentlichkeit am Fernsehen zu beruhigen.

Olaf Scholz erklärte in der ARD-Tagesschau:

«Die Deutsche Bank hat ihr Geschäft grundlegend modernisiert und neu organisiert und ist eine sehr profitable Bank. Es gibt keinen Anlass, sich irgendwelche Gedanken zu machen.»

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zur gleichen Zeit im Fernsehen:

«Wir haben aus vergangenen Krisen gelernt. In der Eurozone sind die Banken heute am Solidesten, weil sie die Vorgaben für Solvenz und Liquidität, die nach der Finanzkrise von 2008 entstanden, am Gewissenhaftesten befolgen.»

Wie hiess es doch zum Kollaps der Credit Suisse: Sie habe überhaupt keine Liquiditätskrise gehabt. Es seien vielmehr die gestiegenen Zinsen gewesen, Probleme von US-Banken und Gerüchte in Social Media, welche die Grossbank ins Schleudern gebracht hätten.

Falls dies zutrifft, wäre dies ein Beleg dafür, auf wie wackeligen Füssen das gesamte Finanzsystem beruht. Denn steigende Zinsen waren längst vorauszusehen. Ebenso, dass etwa in den USA, Italien, Spanien oder Griechenland einzelne Banken ins Taumeln kommen können. Und Gerüchte in Social Media sollten abermilliardenschweren Grossbanken wohl nichts anhaben können.

Doch dies ist offensichtlich tatsächlich möglich, weil das Bankensystem ein klappriges Kartenhaus ist, das auf nahezu blindes Vertrauen der Sparer, Anleger und Investoren angewiesen ist. Aus diesem Grund dürfen Regierungen, Behörden – und natürlich auch die Banken selbst – nie reinen Wein einschenken.

Auch zu viele Experten befolgen dieses Gebot und warnen nicht rechtzeitig, wenn sie Schwachstellen und Gefahren analysieren. In der ARD-Tagesschau äusserte sich Hans-Peter Burghof, Finanzökonom an der Universität Hohenheim:

«Ich sehe keinen Grund für eine allgemeine Bankenkrise […] Die Banken werden von den Märkten schlecht behandelt.»

Vielleicht haben Experte Burghof, Macron und Scholz recht. Es wäre jedenfalls zu hoffen.

Aber ihre beruhigenden Worte sind nichts wert, weil sie auch so reden müssten, fallls es wirklich ernsthafte Anzeichen einer Bankenkrise gäbe.

Aus diesem Grund sollten die Medien solch beruhigende Aussagen von Behörden, Experten und Banker nicht zum Nennwert weiterverbreiten, sondern stets darauf hinweisen, dass keiner dieser Exponenten je die Wahrheit sagen würde, falls am Bankenhimmel düstere Wolken aufziehen.

Erst nach einem Kollaps können alle Fehler und vergangenen Warnzeichen aufgezählt werden.

Das Vertrauen, das nicht erschüttert werden darf

Das fast blinde Vertrauen in Grossbanken – und damit das Schönreden – muss heute aus folgenden Gründen unzumutbar gross sein:

  • weil Grossbanken nur fünf Prozent ihrer Milliarden-Verpflichtungen mit Eigenkapital gedeckt haben. Es braucht deshalb nur wenige Gross- oder Kleinkunden, die ihre Guthaben in kurzer Zeit zurückziehen.
  • weil Grossbanken mit ihrem eigenen bescheidenen Kapital und mit Kundengeldern hochspekulative Wettgeschäfte betreiben, deren Exzess der computerisierte Millisekunden-Handel darstellt.
  • weil Grossbanken viele riskante Geschäfte über Schattenbanken abwickeln. Weltweit seien 150 Billionen Dollar in spekulative Geschäfte investiert, die ausserhalb der Bilanzen und ohne jegliche Kontrollen abgewickelt würden, erklärte Finanzjournalistin und Buchautorin Myret Zaki in der Sendung «Infrarouge» des Westschweizer Fernsehens. Die Nominalwerte von sogenannten Derivaten, darunter unzählige sogenannte strukturierte Produkte, würden jetzt bei der UBS und CS zusammen etwa das Vierzigfache des Schweizer Bruttoinlandprodukts erreichen. Das sagte der Zürcher Finanzprofessor Marc Chesney in der gleichen Sendung.

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Massnahmen die sich aufdrängen, damit fehlendes Vertrauen nicht so rasch zu einem Crash führt

Professor Chesney hat notwendige Massnahmen bereits vor zehn Jahren auch auf Infosperber aufgezählt. Keine davon wurde seither umgesetzt. Sie drängen sich mehr denn je auf, damit die Märkte wieder normal funktionieren:

  1. Die Eigenkapitalanforderungen für Banken sollten mindestens 20% bis 30% betragen.
  2. Die Banken sollten im Rahmen eines Trennbankensystems in Investment- und Geschäftsbanken aufgetrennt werden, wie dies durch den Glass-Steagall Act von 1933 während Jahrzehnten der Fall war und womit durchaus eine gewisse ökonomische Stabilität gewährleistet werden konnte.
  3. Die Finanzprodukte sollten, bevor sie auf den Markt kommen, zertifiziert werden, so wie dies bei anderen Produkten der Fall ist, wie zum Beispiel im Industrie-, Nahrungs- und Pharmasektor. Die Finanzüberwachungsbehörden sollten für die Vergabe solcher Zertifikate verantwortlich sein. Auf diese Weise würde die Verbreitung «giftiger» Produkte begrenzt.
  4. Die Verbriefungs-Praktiken sollten eingegrenzt werden.
  5. Die Verbreitung «giftiger» Produkte sollte ein Finanzdelikt darstellen, so wie es in allen anderen Wirtschaftszweigen der Fall ist oder zumindest sein sollte. Es würde sich um eine Straftat handeln, welche die wirtschaftliche und finanzielle Sicherheit verletzt.
  6. Das riesige Volumen von Derivaten erzeugt Systemrisiken für die Wirtschaft. Es sollte kontrolliert und drastisch reduziert werden. So könnte man vermeiden, dass die Absicherung bestimmter Produkte zu Wetten auf den Zusammenbruch von Unternehmen werden. Das ist bei den Kreditderivaten Credit Default Swaps oder CDS der Fall. Die meisten sichern keine Risiken ab, sondern sind reine Wettgeschäfte.
  7. Der Kauf eines CDS sollte das Halten eines darauf basierenden Wertschriftentitels voraussetzen, der gegen Verlust abgesichert werden soll.
  8. Die Aktivitäten von Hedge-Fonds oder von Private-Equity-Fonds sollten kontrolliert werden.
  9. Für die Führungskräfte von Banken sollten die Entschädigungssysteme auf der Grundlage von Bonuszahlungen durch Systeme ersetzt werden, die auch wirkliche Bestrafungen (malus) beinhalten. Heute sind es Aktienoptionen und hohe Abfindungen, die den Anreiz zum Eingehen von Risiken schaffen, die letztlich von anderen Teilen der Gesellschaft getragen werden: von Aktionären, Kunden, Arbeitnehmern, Rentnern und schliesslich von den Steuerzahlenden.
  10. Die Effektivität des Risikomanagements und des Risiko-Controllings der Banken sollte stark verbessert werden. Boni für Risiko-Controller wären viel nützlicher als solche für Händler.
  11. Eine Mikrosteuer auf allen elektronischen Zahlungen sollte eingeführt werden. Es geht nicht nur darum, dem Staat mehr Geld zukommen zu lassen, sondern darum, die Spekulation und die Volatilität durch Verteuerung einzudämmen. Wettgeschäfte mit High Frequency Trading würden dadurch begrenzt. (Siehe Dossier Mikrosteuer auf alle Geldflüsse.)
  12. Die Grösse der Banken sollte begrenzt werden. Das Problem des «too big to fail» ist gefährlich, weil es falsche Anreize erzeugt. Finanzinstitute gehen Risiken ein, ohne deren Konsequenzen tragen zu müssen, weil der Steuerzahler im Notfall zur Kasse gebeten wird. Es handelt sich dabei um eine Gratisversicherung auf Kosten der allgemeinen Bevölkerung statt auf Kosten der Verantwortlichen.
  13. Rating-Agenturen sollten unter öffentlicher Kontrolle stehen, weil ihre Macht der demokratischen Funktionsweise der Staaten schadet. Die 2008-Finanzkrise hat gezeigt, dass sie gescheitert sind, da sie Zombi-Banken mit guten Noten bewertet haben. Sie wurden von diesen Geschäftsbanken dafür gut entlöhnt.
  14. Der Inhalt des Unterrichts in Volkswirtschaftslehre und Finance muss gründlich überprüft werden.

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Grafikquellen        :

Oben      —     Olaf Scholz, Politiker (SPD) – Zur Zeit Vizekanzler und Bundesminister der Finanzen der Bundesrepublik Deutschland. Außerdem ist er Kanzlerkandidat der SPD für die Bundestagswahl 2021. Hier während einer SPD-Wahlkampfveranstaltung im August 2021 in München. Titel des Werks: „Olaf Scholz – August 2021 (Wahlkampf)“

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