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Papiertiger mit Biss

Erstellt von Redaktion am Dienstag 15. Dezember 2020

5 Jahre Pariser Klimaschutzabkommen

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Außer Spesen für die Trolle – war nichts gewesen !

Von Bernhard Pötter

Ob das Pariser Abkommen Erfolg hat, entscheiden die nächsten Jahre. Klar wird: Klimaschutz braucht Demokratie.

Donald Trump hat in den letzten vier Jahren zum Thema Klima eigentlich nur Unsinn erzählt. Doch als er am 1.Juni 2017 ankündigte, die USA würden aus dem Pariser Abkommen zum Klimaschutz austreten, traf der US-Präsident den Nagel auf den Kopf. Er warnte, der Vertrag „würde unsere Wirtschaft unterminieren, unsere Arbeiter lähmen, unsere Souveränität einschränken, uns inakzeptablen juristischen Risiken aussetzen und uns dauerhaft zum Nachteil gegenüber anderen Staaten gereichen“.

Das stimmt. Für „die Wirtschaft“, wie Trump sie versteht, ist das Pariser Abkommen tatsächlich eine Gefahr. Eine von Kohle, Öl und Gas befeuerte Industrie, die nicht umsonst Trump ins Amt verhalf, muss und wird in den nächsten Jahrzehnten verschwinden. Und Platz machen für eine neue Art des Wirtschaftens und Lebens.

Das ist das Versprechen und gleichzeitig die Drohung von Paris. Aber das Abkommen ist noch mehr: Es fordert die Einsicht, dass globale Probleme nur mit globaler Kooperation zu lösen sind, bei der die Reichen den Armen helfen. Und es demonstriert, dass das nur mit einer breiten Beteiligung von Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft funktioniert. „Paris“ lehrt: Die Rettung der Welt funktioniert nur auf demokratischem Weg.

Da ist es kein Wunder, dass nicht nur die Fossilien der Energiewelt gegen das Abkommen mobil machen, sondern auch die Autokraten rund um den Globus. Am fünften Geburtstag des vielleicht wichtigsten Abkommens der Menschheit zeigt sich: Ob Kooperation über nationale Borniertheit siegt, die Vernunft über die Angst vor der Veränderung, das Morgen über das Gestern und die Demokratie über die fossilen Oligarchien, das ist nicht in einem „Glücksfall der Geschichte“ am 12. Dezember 2015 in Paris festgelegt worden. Das entscheiden wir alle in den nächsten zehn Jahren.

Derzeit liegen wir auf einem Pfad zu 3,2 Grad Erderhitzung und damit in die Klimakatastrophe. Da ist ‚Paris’nur ein kleiner Anfang

Kaum ein wichtiges internationales Abkommen wird gleichzeitig so unter- und überschätzt wie dieser Vertrag von ursprünglich 195 Staaten. Er ist gleichzeitig schwach und stark, vereint unmögliche Gegensätze und steht auf den Trümmern vieler gescheiterter Vorgänger. In der Bilanz reicht das bisher bei Weitem nicht für das wichtigste Ziel des Abkommens: Die Erderwärmung bis 2100 bei „deutlich unter 2 Grad Celsius“ zu stoppen und sogar auf 1,5 Grad hinzuarbeiten.

Derzeit liegen wir nach neuen Berechnungen auf einem Pfad zu 3,2 Grad und damit in die Klimakatastrophe. Und die CO2-Emissionen sind weltweit bis 2020 immer weiter gestiegen. Da ist es nur ein kleiner Anfang, wenn sie seit Jahren in den Industrieländern sinken und die EU sich nun zu einem schärferen Klimaziel von minus 55 Prozent bis 2030 durchgerungen hat.

Das Pariser Abkommen schreibt neben der Temperaturgrenze fest, dass ab 2020 jedes Jahr 100 Milliarden Dollar an Klimahilfen aus den Industrieländern in die Entwicklungsländer fließen. Und es verspricht eine klimaneutrale Weltwirtschaft „in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts“. Das sind konkrete Ziele, allerdings mit schwammigen Adressaten. „Paris“ schreibt nicht konkret vor, wer was tun muss. Sondern es sammelt Vorschläge der UN-Staaten ein und zwingt zur Verbesserung – auf dem Papier. Ob und wie die Pläne umgesetzt werden, steht nicht im Vertrag. Kein wichtiges Land wollte sich auf diese konkreten Zusagen einlassen.

Das ist eine Schwäche – aber es entfaltet auch eine enorme Kraft. Denn es öffnet das Abkommen und seine Überwachung für die Öffentlichkeit. Anders als etwa bei einem Vertrag zur Abrüstung zählen nicht Inspektoren an geheimen Orten, wie viele Sprengköpfe vernichtet werden. Sondern die Gesellschaft debattiert, zum Beispiel in einem langen, zähen und ermüdenden Prozess in einer Kohlekommission, welche Kraftwerke abgeschaltet werden und wie viel Geld die betroffenen Regionen dafür bekommen.

So haben die ArchitektInnen des Pariser Abkommens rund um den Vertrag eine „Achse der Willigen“ installiert, die alles daransetzt, die Lücke zwischen Verpflichtungen und Zielen zu schließen: Dass alle über 1,5 Grad reden (wovon in Paris selbst bis ganz zum Schluss nicht die Rede war), ist das Ergebnis eines Berichts des UN-Klimarats IPCC: 2018 zeigte ein von der Pariser Konferenz in Auftrag gegebener Spezialbericht, um wie viel größer die Bedrohung von Mensch und Natur bei 2 Grad ist.

Druck von der Straße

Das wiederum griff vor allem die junge Klima­bewegung auf, die sich 2018 formte – rund um Greta Thunberg, die deutsche Bewegung Fridays for Future oder die US-Bewegung Sunrise Movement. Die Bewegung erwies sich als so schlagkräftig, dass sie zur „grünen Welle“ rund um die Europawahl 2019 beitrug und das deutsche Klimapaket 2019 ebenso beeinflusste wie den Green Deal der EU-Kommission. Ohne den Druck von Straße und Wissenschaft hätten sich außerdem weder die Bundesregierung noch die EU im selben Jahr zur „Klimaneutralität“ bis 2050 bekannt.

Presidenta Bachelet firma Acuerdo de París para la prevención del cambio climático (29192418033).jpg

Die Alte unterschreibt sicher ihre Spesenquittung

Doch die indirekten Folgen von „Paris“ sind noch größer. Weltweit haben inzwischen Hunderte von Unternehmen für sich „wissenschaftsbasierte“ Klimaziele formuliert. Nun wächst deshalb der Druck der Wirtschaftslobby für einen massiven Ausbau von erneuerbaren Energien oder grünem Wasserstoff. In den USA hat die „We are still in“-Bewegung von Städten, Staaten, Firmen, Kirchen, Umweltorganisationen und Universitäten den Klimaschutz gegen die Trumpisten verteidigt und den neuen Präsidenten Joe Biden zu ehrgeizigen Ankündigungen gezwungen.

Weltweit sind Städte, Kommunen und Unternehmen zu Treibern von „nachhaltiger Entwicklung“ geworden, wie sie die UN-Staaten schon drei Monate vor „Paris“ in den Sustainable Development Goals beschlossen haben. Immer kräftiger fordert auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres von den Staaten ihre Verpflichtungen bei Klima, der Bekämpfung von Hunger, Armut, Unsicherheit und Krankheit ein.

Quelle      :        TAZ-online         >>>>>          weiterlesen


Grafikquellen        :

Oben        —       Heads of delegations at the 2015 United Nations Climate Change Conference (COP21), which led to the signing of the Paris Agreement.


Unten      —         Gobierno de Chile

Ein Kommentar zu “Papiertiger mit Biss”

  1. Jimmy Bulanik sagt:

    Ich kann die Kritik sehr gut verstehen. Deshalb kann ich nur hoffen, daß die Leute von Fridays For Future wieder auf Dauer im Jahr 2021 auf die Straßen gehen werden.

    Es liegt nicht an RWE, FDP, CDU die Thematik Ökologie und soziales auf die Agenda zu bringen.

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