Erstellt von Redaktion am Dienstag 13. April 2021
Überraschte Politiker sind schlechte Politiker
Gab es als Politiker-Innen je etwas anderes als abzockende Kriegs -Gewinnler oder -Verlierer ? Die Völker haben immer derer für Unfähigkeiten bezahlt.
Die dritte Coronawelle hat Deutschland erfasst, und manche Politiker sind wieder überrascht. Leider ist das ein globaler Trend: Exponentielles Tempo und damit ständige unangenehme Überraschungen werden zum Alltag.
Michael Ryan, bei der Weltgesundheitsorganisation für Pandemienotlagen zuständig, muss man ernst nehmen. Er war zum Beispiel 2000 und 2001 in Uganda, um den dortigen Ebola-Ausbruch zu bekämpfen. Im März 2020 sagte Ryan bei einer WHO-Pressekonferenz zur Coronapandemie:
»Perfektion ist der Feind des Guten, wenn es um Notfallmanagement geht. Geschwindigkeit schlägt Perfektion. Und das Problem, das wir im Moment haben, ist, dass alle Angst haben, einen Fehler zu machen, einen Irrtum zu begehen. Aber der größte Fehler ist, nichts zu tun. (…) Das Virus wird Sie kriegen, wenn Sie nicht schnell sind.«
Leute wie Ryan, die in ihrem Leben schon ein paar todbringende Epidemien bekämpft haben, nehmen die Welt anders wahr als die meisten. Das liegt daran, dass sie die katastrophalen Auswirkungen viraler – und das heißt im Zweifelsfall: exponentieller – Ausbreitung aus eigener Anschauung kennen.
Überraschte Fachleute überall
Wir Menschen sind leider sehr schlecht darin, exponentielles Wachstum zu verstehen. Das führt dazu, dass wir in Situationen mit exponentiellen Entwicklungen ständig überrascht werden. Man kann das im Moment an vielen Orten immer wieder beobachten, achten Sie mal darauf. Immer wieder kann man live miterleben, wie ausgewiesene Fachleute in ihren eigenen Fachgebieten Überraschungen erleben.
Bergsteiger kennen das aus eigener Erfahrung
Wenn Sie schon einmal in den Bergen wandern waren, kennen Sie das: Man spaziert zunächst einen langsam ansteigenden Weg hinauf, steigt dann irgendwann durch den Wald deutlich steiler nach oben, die Oberschenkel fangen an zu brennen, der Atem wird schneller. Irgendwann dreht man sich um – und was erlebt man dann?
Man ist überrascht, dass man schon so weit oben ist. Das liegt daran, dass man die wachsende Steigung nicht in sein mentales Modell von der eigenen Position einbaut: Man ist viel weiter oben, als man dachte.
Armin Laschet, öffentliches Modell
So ungefähr muss man sich den menschlichen Geist im Umgang mit Exponentialkurven vorstellen: Die Kurve steigt zuerst relativ flach an, sie sieht fast aus wie eine konstante Steigung, eine Gerade. Der immer steilere Anstieg weiter hinten ist unter den Bäumen versteckt. So ist das wirklich: Viele Menschen setzen, wenn man ihnen Aufgaben vorlegt, in denen es um exponentielles Wachstum geht, als gedankliche Abkürzung ein lineares Wachstum ein und machen deshalb grobe Fehler.
Beschleunigung geht schlecht in unsere Köpfe, und das gilt nachweislich auch für Pandemien.
Der CDU-Vorsitzende Armin Laschet liefert im Moment eine Art öffentliches Modellbeispiel für diese kognitive Einschränkung. Im März 2021 sagte Laschet im Landtag in Düsseldorf: »Wir hatten die Hoffnung, aus der Erfahrung des letzten Jahres, dass, wenn der Frühling kommt, es wärmer wird, die Virusansteckungen zurückgehen und die Zahlen sinken, und wir erleben im Moment genau das Gegenteil.«
Die Beine tun schon weh
Unklar blieb, wen genau Laschet mit »wir« meinte, denn eigentlich hatte das kaum jemand erwartet. Laschet wirkte wie ein Bergwanderer, der mitten im Hang hofft, dass es demnächst bestimmt mal wieder bergab geht, weil ihm die Beine schon wehtun.
Über Ostern dachte Laschet dann nach. Das Ergebnis war offenbar die Wortschöpfung »Brücken-Lockdown«. Es seien mehr Tempo und klare Entscheidungen notwendig, fand Laschet jetzt.
Politik muss schneller werden, unbedingt
Als Laschet mit dem Nachdenken begann, lag die Zahl der Coronapatienten in Intensivbehandlung bei 3729. Als er zu Ende nachgedacht hatte, lag sie bei 4144. Es waren also in vier Tagen 415 Corona-Intensivpatienten dazugekommen, das sind über 11 Prozent. Am Donnerstag lag die Zahl dann bei 4474, das ist eine Zunahme von fast 20 Prozent innerhalb einer Woche. Die Leute an der Front, in den Kliniken, wissen längst, was auf sie zukommt: eine Katastrophe.
Quelle : Spiegel >>>>> weiterlesen
*********************************************************
Grafikquellen :
Oben — Bundestag plenar hall; Reichstag building, Berlin.