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Ortskräfte in Afghanistan

Erstellt von Redaktion am Samstag 21. August 2021

„Nun kennt man mich plötzlich  nicht mehr“

Marines with the 24th Expeditionary Unit (MEU) guide an evacuee during an evacuation at Hamid Karzai International Airport 8 of 8.jpg

Von Emran Feroz

Zehn Jahre lang arbeitete Mohammad Zahed für die Nato-Truppen in Kabul. Seine Rettung scheitert an einem bürokratischen Detail.

Mohammad ­Zahed blickt nervös in die Kamera seines Smart­phones, um ihn herum herrscht Chaos. Hunderte von Menschen strömen an ihm vorbei und versuchen, auf den Kabuler Flughafen zu gelangen. „US-Soldaten und Taliban-Kämpfer schießen in die Menge“, berichtet Zahed, der sich nahe dem Flughafengelände aufhält. Seit die militant-islamistischen Taliban am vergangenen Sonntag Kabul eingenommen haben, spielen sich dort dramatische Szenen ab.

Zahed, Ende Dreißig, ist für eine große Telekommunikationsfirma in Kabul tätig. In den letzten zehn Jahren kümmerte er sich auch um die Datenleitungen der Bundeswehr und anderer Nato-Truppen. Seine Arbeit war aus logistischer Sicht fundamental, um den westlichen Einsatz vor Ort und die damit verbundene Kommunikation zu ermöglichen.

Dieser Umstand ist nicht nur Zahed bewusst, sondern auch jenen, von denen er seit Monaten bedroht wird und die nun zurück in Kabul sind: die Taliban. Einer seiner Arbeitskollegen wurde im vergangenen Jahr getötet. Von Extremisten, wie er glaubt.

Seit die USA und ihre Verbündeten ihren Abzug durchführen, versinkt Afghanistan im Chaos. In den letzten Tagen und Wochen konnten die Taliban fast das ganze Land einnehmen. Lediglich die nördliche Provinz Pandschir, in der sich Vizepräsident Amrullah Saleh und Ahmad Massoud, Sohn des bekannten Mudschaheddin-Kommandanten Ahmad Schah Massoud, aufhalten sollen, wird von den Extremisten nicht kontrolliert.

Unglaubwürdige Amnestie

Seit Jahren ist bekannt, dass die Taliban ein besonderes Augenmerk auf jene Afghanen gelegt haben, die den ausländischen Truppen geholfen haben, sprich, Dolmetscher und anderweitiges Personal, das in den letzten zwanzig Jahren von der Nato beschäftigt wurde. Menschen wie Mohammad Zahed. Konkret betrifft dies Tausende von Afghanen. Während viele von ihnen ihre Heimat in den letzten Jahren verlassen haben, sind andere geblieben.

Sie sind es, die nun die Vergeltung der Taliban fürchten, obwohl diese vor Kurzem abermals eine Generalamnestie versprachen. „Ich kann mich auf solche Worte nicht verlassen. Wer weiß, wie sie agieren werden, wenn der internationale Fokus weg ist?“, fragt sich ­Zahed, der aus der südostafghanischen Provinz Khost nahe der pakistanischen Grenze stammt. Dort sind die Taliban bereits seit Jahren präsent, weshalb er sein Dorf nicht mehr besucht.

Vor einigen Wochen hatte die Bundesregierung angekündigt, allen Ortskräften von Bundeswehr und Polizei, die ab 2013 ein Visum für Deutschland angestrebt hatten, dieses zu bewilligen. Bislang wurden hierfür mindestens 2.400 Visa für betroffene Personen und deren enge Verwandte ausgestellt.

Viele von ihnen konnten sich allerdings kein Flugticket leisten. Die Bundesregierung hatte die Übernahme von Reisekosten abgelehnt. Zuletzt sprach sich Bundeskanzlerin Angela Merkel für „pragmatische Lösungen“ aus. Etwaige Charterflugzeuge wurden in den Raum gestellt. Doch dann fiel Kabul und von Evakuierungsflügen für Ortskräfte fehlt jegliche Spur.

Ein Déjà-vu für die Afghanen

Es gibt jedoch ein weiteres Problem, denn Afghanen wie Zahed wird womöglich gar nicht geholfen. „Ich habe jeden Tag mit den Nato-Kräften und der Bundeswehr zusammengearbeitet, doch ich hatte keinen direkten Vertrag mit ihnen. Das wird mir und meiner sechsköpfigen Familie nun zum Verhängnis“, sagt er.

Im Fall von Mohammad Zahed hat das Auswärtige Amt bereits (vor mehreren Wochen) bestätigt, dass man sich um sein Anliegen nicht kümmern könne, da er für eine externe Firma tätig war, die wiederum für die Nato-Truppen arbeitete. Die Firma mit Sitz in Hongkong hat auch Zweigstellen in Deutschland, wo Zaheds Verwandte leben.

Quelle       :          TAZ-online          >>>>>         weiterlesen

Selektive Aufnahme von Geflüchteten:

Zwei-Klassen-Asyl

Crowds in front of Kabul International Airport.jpg

Kommentar von Dominic Johnson

Die Luftbrücke aus Kabul ist richtig. Umso größer ist der Hohn für die Schutzsuchenden, die nicht für ausländische Regierungen gearbeitet haben.

Es gibt neuerdings zwei Klassen von Fliehenden aus Afghanistan. Die einen haben in der Vergangenheit für ihr europäisches Gastland gearbeitet und sich dadurch in der afghanischen Heimat in Gefahr gebracht, seit dort wieder die Taliban an der Macht sind. Sie bekommen jetzt Einreisevisa und Aufenthaltsrecht und werden mit dem Flugzeug abgeholt – jedenfalls sofern sie die richtigen Papiere haben und überhaupt zum Flughafen von Kabul gelangen, was vielen verwehrt wird mittels Bürokratie und Waffengewalt oder einfach deswegen, weil sie gar nicht bis in die Stadt kommen.

Die anderen Flüchtenden aus Afghanistan werden einfach nur verfolgt und fürchten um ihr Leben, weil ihre bisherige Vita nicht den Moralvorstellungen der Taliban entspricht. Sie können jetzt sehen, wo sie bleiben. Entweder werden sie gleich an den Toren des Flughafens von Kabul zurückgewiesen und erschossen, oder sie landen in von Spitzeln durchsetzten Lagern in der Islamistenhochburg Pakistan, oder sie sterben auf dem Weg nach Europa: auf der lebensgefährlichen Odyssee durch Iran und die Türkei, in der Hölle der griechischen Insellager oder irgendwo in einem der vielen rechtsfreien Räume Europas zwischen Bosnien und Calais, in denen „Illegale“ gejagt werden wie Ungeziefer.

Quelle        :         TAZ-online          >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen

Oben        —   210818-M-TU241-1009 HAMID KARZAI INTERNATIONAL AIRPORT, Afghanistan (August 18, 2021) Marines with the 24th Expeditionary Unit (MEU) guide an evacuee during an evacuation at Hamid Karzai International Airport, Kabul, Afghanistan, Aug. 18. U.S. Soldiers and Marines are assisting the Department of State with an orderly drawdown of designated personnel in Afghanistan.

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