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Organe per Fließband?

Erstellt von DL-Redaktion am Freitag 28. September 2018

Organmangel wird bleiben

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/e6/Operating_theatre.jpg

Von Ulrike Baureithel

Gesundheitsminister Spahn will die Organspende zum „Normalfall“ machen. Eine Debatte über ethische Fragen, wie etwa über das Hirntodkonzept findet bei ihm nicht mehr statt.

In Sachen Bioethik prescht die Union nach vorne. Nicht nur die von Gesundheitsminister Jens Spahn bei der Organspende ins Spiel gebrachte Widerspruchslösung mache eine breite parlamentarische Debatte erforderlich, ließ der jetzt abgewählte Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kauder kürzlich wissen, auch Abgeordnete aller Parteien drängten darauf, sich mit dem nicht-invasiven pränatalen Bluttest, der „grundsätzliche Fragen unserer Werteordnung“ aufwerfe, zu befassen. Die beiden Sachthemen haben zunächst einmal nichts miteinander zu tun, es sei denn, man würde die Qualität der bioethischen Debatten des Jahres 2018 ins Verhältnis setzen zu den parlamentarischen „Sternstunden“ vor zehn oder 20 Jahren, von denen Spahn so begeistert schreibt, und sie als Gradmesser gesellschaftlicher Normalisierungsprozesse betrachten.

Im Fall der Organspende reagierte der Minister, von einem Teil der Ärzteschaft getrieben, auf die Tatsache, dass die Zahl der Spender kontinuierlich sinkt. Im Jahre 2017 erreichte sie den bislang niedrigsten Stand von 797, während gleichzeitig rund 10.000 Patienten auf den Wartelisten auf ein Organ warten. Dies steht in offensichtlichem Widerspruch zu der Feststellung, dass nach den Skandalen der vergangenen Jahre die Spendebereitschaft wieder angestiegen ist und Umfragen zufolge 84 Prozent der Bevölkerung der Organspende positiv gegenüberstehen. Der Anteil derer, die einen Spenderausweis bei sich tragen, hat sich von 22 Prozent 2012 auf 36 Prozent in diesem Jahr erhöht. Das spricht dafür, dass die grundsätzliche Aufgeschlossenheit noch lange nicht bedeutet, dass die Menschen dem aktuellen Spendersystem vertrauen und schon gar nicht, dass sie bereit wären, sich auch entsprechend zu erklären. An dieser Erklärungspflicht setzt der Gesundheitsminister an.

Nachdem Spahn das Unternehmen in der Bild-Zeitung lanciert und angekündigt hatte, Organspende zum „Normalfall“ machen zu wollen, konkretisierte er Anfang September in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, was er den Bürgerinnen und Bürgern abzuverlangen gedenkt. Er wolle mit der Widerspruchslösung zwar niemanden zur Organspende zwingen, aber zur Pflicht zum „aktiven Freiheitsgebrauch“. Dabei verbietet es sich in diesem Zusammenhang von einer „Lösung“ zu sprechen – wenn nicht schon im Hinblick auf die deutsche Geschichte und die Todesabhängigkeit dieser Therapie es der politische Instinkt erfordert, so doch immerhin die Skepsis, damit den Organmangel definitiv beenden zu können. Auf die neuerlichen Einwände einiger Kirchenvertreter und des Vorsitzenden des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock, setzte Spahn nach und führte aus, dass es um die „Pflicht“ gehe, sich mit dem Thema zu beschäftigen und zu bekunden, wenn man sich gegen eine Organspende entscheidet. Wer dies nicht tut, erklärt sich mit der Entnahme seiner Organe einverstanden.

Zeichnung: Jens Spahn sagt "Hartz 4 bedeutet nicht Armut"; in seiner Hand ein Bündel Scheine (Monatsgehalt), im Hintergrund sind Dienstwagen und freies Zugfahren angedeutet.

Einmal davon abgesehen, dass der Gesundheitsminister mit dieser Debatte sein eigenes, gerade ins parlamentarische Verfahren eingespeiste „Gesetz für bessere Zusammenarbeit und bessere Strukturen bei der Organspende“ relativiert, bricht er auch mit einem Grundkonsens, denn auch die 2012 eingeführte Entscheidungsregelung stellt frei, sich öffentlich zu erklären. Während das Gesetz darauf abzielt, das System im Sinne der Organspende zu optimieren und Anreize für die Krankenhäuser zu schaffen, potentielle Spender zu melden und die Entnahme von Organen durchzuführen, scheint es sich bei der Debatte um die Widerspruchsregelung vor allem um eine Diskursstrategie zu handeln, die austestet, wie weit die bislang geltenden bioethischen Prämissen ausgehebelt werden können. Flankiert wird sie von dem von allen Seiten wiederholten Hinweis auf die prekäre Lage der wartenden Patienten und der potentiellen Betroffenheit jedes Einzelnen, der irgendwann einmal ein Organ benötigen könnte.

Quelle     :      TAZ         >>>>>        weiterlesen

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Grafikquelle      :

Oben      —         Operationssaal, in dem gerade operiert wird

Author: Piotr Bodzek, MD

Photo shows an operating theatre.

Uploaded from http://www.ginbytom.slam.katowice.pl/25.html with author permission.

 

  • CC BY-SA 3.0
  • File:Operating theatre.jpg
  • Hochgeladen: 15. Oktober 2005

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