Optimist bleiben !
Erstellt von Redaktion am Samstag 27. März 2021
Deutschland in der Corona Krise
Liebe Kinder, der Osterhase war sehr früh dran, er wollte euch die Eier stehlen.
Eine Kolumne von Thomas Fischer
Gerade noch mal gut gegangen: Ostern wird nicht verboten. Sind wir schon auf der Suche nach der nächsten Verzweiflung? Brauchen wir Ab- oder Aufschreckung?
Ein Traumland im Dauerkampf. Wir haben, liebe Leser, gerade noch einmal Glück gehabt. Beinahe, so muss man noch im Rückblick schaudernd sagen, hätte uns diese Bundeskanzlerin samt ihrer tausendköpfigen Laienspielschar aus Ministerialen unser liebes Osterfest versaut. Und es soll sogar der eine oder andere Ministerpräsident (m/w/d) mitgemacht haben! Natürlich nachts, als das Volk schlief und sich durch eine kurze Ruhephase für einen neuen Kampftag stärkte.
Derzeit sind bekanntlich gleich mehrere große Schlachten im Gange: An vorderster Front steht natürlich die Kampftruppe gegen die Sexualdelikte. Sie nehmen empirisch jährlich ab, müssen aber in sechsmonatigem Rhythmus um so entschlossener bekämpft werden. Gestern, am 25. März, beschloss der Bundestag einen neuen Vorstoß, wie stets begleitet von den routinierten Reden der jeweiligen Fraktionsbeauftragten für das Bekämpfungswesen: Die Erhöhung der Strafrahmen (die grob geschätzt zehnte in zwanzig Jahren) werde nun sicher zu einer durchgreifenden »Abschreckung« führen.
Da hätte man mal jemand fragen sollen, der sich damit auskennt, zum Beispiel einen Erzbischof, der katholisch gelesen wird. Mehr Abschreckung als 300.000 Ewigkeiten Fegefeuer und anschließend lebenslang Hölle geht ja gar nicht! Und was tut der Mensch seit 2000 Jahren: sündigen, sündigen, sündigen! So viel zur Abschreckungsprävention. Jurastudenten sagen dazu »negative Generalprävention« und wissen in der mündlichen Prüfung anzumerken, dies habe der Herr Johann Anselm Ritter von Feuerbach erfunden, Wirklicher Staatsrat und Vormund des Hauser Kaspar. Er wusste schon 1808, dass es eine schwierige Sache ist mit der Abschreckung, und dass ein bisschen Differenzierung auch dabei keinesfalls schaden kann.
Der zweitwichtigste Kampf unserer Tage ist der um ein Ereignis, das die »Bild« mit dem schönen Namen »unser Urlaub« bezeichnet. Auch hierin hat sie Routine. Kleine Auswahl: »Angst um unseren Urlaub« (25. Juni 2020); »Unser Urlaub in Gefahr« (14. Juli 2020); »Unser Malle-Urlaub steht auf der Kippe« (24. März 2021). Dahinter steckt ein teuflischer Plan: »Merkel will Mallorca-Urlaub kippen« (»Bild«), was insoweit überraschend ist, als dies dem anderen Langzeitprojekt der 66-jährigen Hobbyköchin entgegensteht, die Bevölkerung der spanischen Insel M. heimlich auszutauschen.
Einmal mehr die Zeit des »Chaos«
Nun weiß ich nicht, ob »wir« alle, oder was man sich bei »Bild« darunter vorzustellen pflegt, mit Herrn Reichelt gern »unseren Urlaub« auf einer einsamen Insel verbringen möchten. Aber vielleicht meint es die Redaktion ja einmal mehr metaphorisch, wie es halt üblich ist unter Menschen, die schon Papst und Weltmeister waren, Flüchtling und Flüchtlingsopfer, Rentner und Rentenbetrüger, und das alles gleichzeitig.
Jedenfalls wurde, wie wir erfahren durften, Ostern nicht verboten, beziehungsweise das Verbot des Gründonnerstags wurde wieder aufgehoben, auf besondere Bitte des Einzelhandels und der lohnfortzahlenden Wirtschaft. Was das mit Mallorca zu tun hat, weiß ich ehrlich gesagt nicht, aber bestimmt hängt es irgendwie zusammen, wahrscheinlich mittels einer traumatologischen Erschütterung.
Das ist jetzt, wie ich der Fraktion der ernsthaft Erschütterten zugeben muss, natürlich einmal wieder eine ganz unangebrachte Ironie, die man sich nur erklären kann, wenn man weiß, wie es in einem Elfenbeinturm aussieht. Normale Menschen, also solche, die jeden Tag hinaus müssen in den Wald und gegen die Raubtiere des Finanzkapitalismus kämpfen sowie um die Zukunft des Planeten und der Automobilindustrie, haben für solche Scherze keinen Sinn. Ich verstehe das; deshalb mache ich sie ja.
Mitte der Woche war es, glaube ich, als die Zeitungen meldeten, die Bundesregierung sei am Ende und Frau Dr. Merkel weigere sich unverständlicherweise, »die Vertrauensfrage« zu stellen. Am Fernsehen habe ich ein Interview mit der Bundeskanzlerin gesehen, in dem der sie befragende Journalist sich gar nicht entscheiden konnte, ob Deutschland nun wegen der Kanzlerin am Abgrund steht, trotz ihr, ohne sie oder sowieso. Auf jeden Fall war einmal mehr die Zeit des »Chaos« gekommen.
Ich meine damit natürlich nicht ein wirkliches, also einen Zustand der Anomie, des Drunter und Drüber, der Not und Ungeordnetheit. Ich meine: die Zeit des Wortes »Chaos«. Neben dem letztens prominenten Kleinkindbegriff »Impfmuffel« ist »Regierungschaos« mein aktuelles Lieblingswort, vor allem, wenn es aus Chats, Foren, Sendern und Redaktionen erschallt, in denen notorisch keiner weiß, warum der Kaffeeautomat nicht funktioniert, seit wann der Kopierer kaputt ist, wann Frau Meier aus dem Urlaub zurückkommt und ob übernächsten Freitag nun Betriebsversammlung ist oder nicht.
Nur mal ein paar Erinnerungsbrocken: Impfchaos, Coronachaos, Kitachaos, Maskenchaos, Verkehrschaos, Schneechaos, Hitzechaos, Regenchaos. Regierungschaos, Kirchenchaos, Virologiechaos, Pflegechaos, Rentenchaos, Migrationschaos, Urlaubschaos. Man könnte nun annehmen, dass ein Volk, dass seit 70/71 so manches Chaos überstanden und noch mehr angerichtet hat, eine gewisse Routine der Gelassenheit entwickelt hat, oder sagen wir: der selbstbewussten Identität.
Stattdessen muss man sich von Herrn Dr. Gauland sagen lassen, dass man aus naturgegebenen Gründen zuerst die Deutschen unter der deutschen Bevölkerung impfen sollte, ein Vorschlag, der eine wirklich bemerkenswert intelligente Virenbekämpfungsstrategie offenbart. Friedrichshainer Spezialeinsatzschriftstellerinnen meinen derweil, die Welt müsse untergehen, falls nicht auf der Stelle jeder (m/w/d) irgendwie gelesen werde, am besten sie selbst.
Quelle : Spiegel >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Karl Lauterbach) bei der SPD Regionalkonferenz zur Wahl des SPD-Vorsitzes am 10. September 2019 in Nieder-Olm.
Olaf Kosinsky – Own work
- CC BY-SA 3.0 deThis image contains persons who may have rights that legally restrict certain re-uses of the image without consent.view terms
- File:2019-09-10 SPD Regionalkonferenz Karl Lauterbach by OlafKosinsky MG 2430.jpg
- Created: 10 September 2019
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Unten — Thomas Fischer auf der re:publica 2016
Ot – Eigenes Werk
Thomas Fischer (Jurist)
CC-BY-SA 4.0
File:Thomas Fischer-Jurist-rebuliva16.JPG
Erstellt: 4. Mai 2016
Erstellt am Samstag 27. März 2021 um 12:55 und abgelegt unter Deutschland_DE, Feuilleton, Gesundheitspolitik, Justiz-Kommentare. Kommentare zu diesen Eintrag im RSS 2.0 Feed. Sie können zum Ende springen und ein Kommentar hinterlassen. Pingen ist im Augenblick nicht erlaubt.