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RENTENANGST

Von der Linken in die SPD

Erstellt von DL-Redaktion am Freitag 8. Dezember 2017

»Die Querfront­tendenzen haben mich schockiert«

Marina Reichenbach, SPD, über Islamismus, Kommunismus und Neuköllner Bezirkspolitik

File:Berlin-Neukölln-district court.JPG

Interview Von Alexander Nabert

Marina Reichenbach zog im September 2016 für die Linkspartei in die Bezirksverordnetenversammlung Neukölln ein. Mitte November trat sie aus der Partei »Die Linke« aus. Mehrere Dinge hatten sie dort gestört: die Flüchtlingspolitik, Querfrontbestrebungen im Bezirksverband und der Umgang mit dem politischen Islam. Ihr Mandat behält Reichenbach und arbeitet in der SPD weiter.

Sie waren fast ihr halbes Leben Mitglied des Linkspartei-Jugendverbandes Solid. Nun sind Sie aus der Partei »Die Linke« ausgetreten. Warum?

Sahra Wagenknecht stört mich schon länger. Dabei geht es mir nicht um die aktuellen Auseinandersetzungen. Schon ihre Äußerungen zur Kölner Silvesternacht (Wagenknecht sagte damals »Wer Gastrecht missbraucht, der hat dann eben auch Gastrecht verwirkt«, Anm. d. Red.) sind mir übel aufgestoßen. Das Problem bei Wagenknecht sind aber nicht erst einzelne skandalisierte Zitate, sondern es fängt schon an, wenn sie von Angela Merkel als »Flüchtlingskanzlerin« spricht. ­Zusammen mit Oskar Lafontaine legt sie immer wieder nahe, dass es Begrenzung von Zuwanderung geben muss. Oder dass »Die Linke« rechte Forderungen übernehmen soll, um rechte Wähler zurückzugewinnen. Zu diesem Kurs hatte ich viele Diskussionen im Neuköllner Bezirksverband. Ich habe immer wieder gesagt: »Ich bin in einer linken Partei, wie kann es sein, dass Wagenknecht an der Spitze ist?« Viele dort kämpfen für die Rechte von Geflüchteten und finden auch ganz viel von dem, was Wagenknecht sagt, falsch. Trotzdem betonen sie immer, wie wichtig sie sei, um zum Beispiel eine Regierungsbeteiligung zu verhindern.

Wagenknecht hat nie einer Asylrechtsverschärfung zugestimmt – Worte ohne Taten. In Ihrem Austrittsschreiben führen Sie das darauf zurück, dass die Linkspartei im Bund noch nie regiert habe. Bei Bodo Ramelow fehlt das Wort, aber es gibt die Tat: Aus Thüringen wird fleißig abgeschoben, im zweiten Jahr seiner Amtszeit gab es schon keinen Winterabschiebestopp mehr. Ist das Problem wirklich nur Wagenknecht?

Ich fand die Abschaffung des Winterabschiebestopps in Thüringen falsch. Eine Regierungsbeteiligung schließt aber mit ein, dass man die Gesetze, die in diesem Land gelten, umsetzen muss. Das heißt auch, dass man sich an Abschiebungen beteiligen muss, ohne die ein Staat wohl nicht funktioniert. Wagenknecht regiert nicht, sie ist nicht zu rechtsdemagogischen Aussagen gezwungen. Ich erwarte von einer Person, die an der Spitze steht, dass da keine Zweideutigkeiten auftauchen. Ich will nicht in einer Partei sein, die rechte Wähler gewinnen will, indem sie anbietet, noch mehr Flüchtlinge abzuschieben.

Die Flüchtlingspolitik ist nicht der einzige Grund für Ihren Austritt. In Ihrem Austrittsschreiben sprechen Sie von Querfrontbestrebungen in der Linkspartei.

Die Querfronttendenzen im Kreisverband Neukölln haben mich schockiert. In vier Jahren Mitgliedschaft hat sich da einiges angehäuft, was ich stets kritisiert habe. Es gab zum Beispiel eine Veranstaltung zum Neutralitätsgesetz und zur Frage des Kopftuchs im öffentlichen Dienst. Da ist es dann klar, dass man eine Person einlädt, die davon betroffen ist. Aber das war dann ausgerechnet eine Person, die der türkischen AKP nahesteht.

Betül Ulusoy?

Genau. Da wurde dann argumentiert, dass man sie nicht einlädt, um über AKP-Politik, den Völkermord an den Armeniern oder Ähnliches zu reden.

Betül Ulusoy war doch sogar in der CDU.

Das wusste der Bezirksverband damals noch nicht, darüber haben sie sich später auch geärgert. Aber ich finde das gar nicht so verwunderlich, das zeigt doch, woher dieses Denken kommt, das ja sehr konservativ ist. Wenn es um die Verschleierung von Frauen geht, geht es nicht um emanzipatorische Politik. Dass die CDU für Ulusoy viel besser passt, verwundert mich überhaupt nicht. »Die Linke« in Neukölln sagt aber, man müsse sich unbedingt mit den unterdrückten Muslimen ­solidarisieren. Dieses Denken führt dazu, dass auch Vertreter der islamis­tischen Organisation Millî Görüş auf ­einem Podium saßen.

In Ihrem Austrittsschreiben heißt es, Kritik an der Zusammenarbeit mit Millî Görüş, mit dem Verband Ditib, der der Türkei untersteht, oder mit der Neuköllner Begegnungsstätte (NBS), die der Muslimbruderschaft nahe steht, werde als »antimuslimischer Rassismus« abqualifiziert.

Quelle    :     Jungle World       >>>>>    weiterlesen

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Deutsch: Berlin-Neukölln, das Amtsgericht, aufgenommen 2013
Date
Source Own work
Author Dguendel

 

2 Kommentare zu “Von der Linken in die SPD”

  1. Popeye sagt:

    Irregeleitete gibt es in jeder Partei!

  2. Gabriel van Helsing sagt:

    Ihr Mandat behalten sie alle. Egal welcher Ursprungspartei sie Mal angehört haben.
    Auch stört diese Buchstaben Suppe. Flüchtlinge gelten nach Konventionen nicht als Zuwanderer.
    Wenn der Fluchtgrund nicht mehr gegeben ist, gilt auch nicht mehr der Fluechtlingsstatus.
    Bürgerkriege gelten nach Konventionen nicht als Fluchtgrund.
    Auch nicht das Klima,oder das fehlen von sauberen Trinkwasser.
    Im Gegensatz zur hiesigen Politik muss ich es wissen,
    da ich immer noch auf der Lohnliste des IKRK in Genf stehe.

    4 Jahre war Frau Reichenbach in der Partei die LINKE. Respekt. Ich war doppelt so lange in dieser Partei von Selbstdarsteller. Meinen Austritt habe ich nicht schriftlich erklärt, sondern Einfach
    den Mitgliedsbeitrag nicht mehr entrichtet.
    Davor 2 Jahrzehnte in der SPD. Aber das ist eine andere Geschichte.

    Was Milli Görus angeht, mit denen lässt sich sogar eine Ex CDU Abgeordnete für die Presse vor der hiesigen CDU Zentrale ab bilden. Aber soviel Zeit muss sein, Männlein rechts, Weiblein links von ihr. Aber dafür mit Wallewalle- Mäntel und Kopftuch.

    Ich komme gerade Beruflich aus West-Aleppo. Meine Chefs in Genf wollten wissen, was dort benötigt wird? Wenn ich Ehrlich bin, nichts. In West-Aleppo gibt es Einkaufszentren, da ist das KADEWE richtig mickrig dagegen. In Ost-Aleppo sieht es etwas anders aus.
    Aber auch dort wird der Schutt weggeräumt, Zerbomte Häuser werden hoch gezogen,
    kleine Läden öffnen wieder. Auch die Wasserversorgung wird repariert.
    Letztes von ausländischen Firmen,sogar Gaswasser Installateure aus Deutschland habe ich gesehen.

    Und Vertriebene im eigenen Land, kehren so langsam zurück.

    Noch etwas zur Info,
    ich bin von Zürich dort hin geflogen.
    Bei der Einreise musste ich meinen Reisepass, Dienstausweis und ein Visum vorlegen.
    Wobei letzteres mein AG über die Botschaft von Syrien in der Schweiz beschaffte.

    Mit meinen Mobiltelefon konnten die Grenzer dort nichts anfangen.

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