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Ob das gut geht?

Erstellt von Redaktion am Donnerstag 25. Februar 2021

Zur Wahl des neuen Parteivorstandes der LINKEN

Quelle     :      AKL

Von Thies Gleiss, Köln  -Einige Anmerkungen zur Wahl  des neuen Partei-Vorstand

Meine jetzt schon jahrzehntelange Erfahrung mit parlamentarischen und nicht-parlamentarischen Linken haben mir bei aller Subjektivität eines gezeigt: Die vom alten Marx so treffend erkannte Dialektik, dass das materielle, gesellschaftliche Sein in letzter Instanz das Bewusstsein bestimmt, ist bei Berufspolitiker*innen, vor allem denen, die in der Blase des Parlamentarismus gefangen sind, etwas ganz Unmittelbares. Das Sein prägt das Bewusstsein bei dieser Spezies ohne große Umwege und ohne dialektische Wechselwirkungen. Nur meine Erfahrung, aber immerhin.

Auf diesem Hintergrund habe ich mir mal die Bewerbungen für den neuen Parteivorstand der LINKEN, der in zehn Tagen gewählt werden soll, angeschaut.
Die AKL hatte an alle Bewerber*innen die Frage gestellt, ob sie hauptberuflich Abgeordnete im Parlament oder hauptberuflich Mitarbeiter*innen bei Fraktionen oder der Partei sind. Und das kam raus:

Von insgesamt 75 Bewerber*innen für die 44 Posten, die gewählt werden, haben 63 die Frage der AKL beantwortet. Bei einigen zusätzlichen Kandidat*innen, ist mir die Tätigkeit bekannt oder stand in der schriftlichen Bewerbung. Bei 5 Bewerbungen kenne ich keine Details diesbezüglich.

17 Personen sind hauptamtlich in parlamentarischen Wahlämtern beschäftigt, also Mandatsträger*innen (1 in der EU, 6 im Bund, 8 im Land, 2 auf kommunaler Ebene). Ein weiterer Bewerber hat schon angekündigt „auf sicherem Platz“ für den Bundestag zu kandidieren.
29 Personen sind hauptamtlich als Mitarbeiter*innen im Parlament (20), der Partei (5) oder einer Gewerkschaft (4) beschäftigt.
Von den – wie sagt die liberale Presse so untreffend treffend – frei beruflich Tätigen, sind 17 Akademiker*innen und 7 echte Arbeitsleute im wagenknecht’schen Sinne. In beiden Gruppen sind Rentner*innen jeweils mit einbezogen.

Da muss aber eine ordentliche und vor allem tägliche Anstrengung unternommen werden, damit die LINKE-Parteiführung tatsächlich die Führung einer Arbeiter*innenpartei wird. Ich gelobe, dass ich bei einer Wahl (als einer der zuletzt genannten 7) in den Parteivorstand mich mit aller Kraft an dieser Anstrengung beteiligen werde.

Meine kleine Recherche hat noch mehr bedenkliche Ergebnisse gebracht, vor allem was die Häufung von zusätzlichen Ämtern (z.B. Kreis-, Landesvorsitzender) bei einigen Bewerber*innen angeht. Aber das ist eine andere Belastung der Partei…

Es gibt zwei Ansätze dieses Problem der mangelnden Präsentation „normaler Menschen“ in unseren Vorständen zu beheben:

Es können, relativ leicht die Arbeitsbedingungen verändert werden: Vorlagen rechtzeitiger fertigstellen, jedem PV-Mitglied eine unterstützende Stelle im riesengroßen Apparat im Karl-Liebknecht-Haus zuteilen. Dort sind 84 hauptamtliche Beschäftigte. Allein 8 Stellen arbeiten nur den Vorsitzenden zu, die beide noch ihre Büros und Mitarbeiter als Bundestagsabgeordnete haben. Was soll ein kleines einfaches PV-Mitglied, das 500 km von Berlin entfernt wohnt (wie z.B. meine Wenigkeit) gegen diese Macht ausrichten, wenn es mal erforderlich sein sollte. Meistens gibt es ja Übereinstimmungen, aber oft auch nicht.

Man könnte die Sitzungen auch mal nicht in Berlin machen. Ein Großteil der Bewerber*innen für den neuen PV kommen schon aus Berlin, weil es von dort einfacher ist, auf Augenhöhe mitzuarbeiten.
Es gibt Kinderbetreuung, aber sie reicht manchmal nicht, ganz besonders im letzten Jahr der Videokonferenzen. Die wurden immer mehr, die Kinderbetreuung wurde weniger. Es ist ein Skandal, dass meine absolute Lieblingsgenossin aus dem PV, Lucy Redler, nicht mehr kandidieren mag, weil sie Mutter geworden ist und einen neuen beruflichen Weg als Lehrerin eingeschlagen hat.
Es wäre auch möglich, an die PV-Mitglieder einen Verdienstausfall zu zahlen, damit diejenigen, die es können, ihre Arbeitszeit reduzieren. Aber mit der Bezahlung handelt sich die Partei auch gleich wieder neue Probleme ein. Ohne funktionierende demokratische Kontrolle und auch hier Befristungen und Rotationen sollte das nicht begonnen werden.

Das größere Problem ist aber die sich immer mehr einschleichende Bürokratisierung und Entmachtung des eigentlichen Vorstandes. Es müsste dringend eine härtere Regelung von Trennung des Parteiamtes und den Mandaten in den Parlamenten erfolgen. Vor allem im kleineren und einflussreicheren Gremium des geschäftsführenden Parteivorstandes. Die Parlamentarier*innen okkupieren die PV-Posten als nettes zusätzliches Schild an ihrer Parteiuniform. Die Fraktionen und die Abgeordneten schicken ganz gezielt ihre Mitarbeiter*innen in diese Leitungsgremien der Partei, um zu verhindern, dass diese Gremien irgendwie stören oder zu selbstbewusst werden.
Gleichzeitig drängeln sich die Mitarbeiter*innen auch selbst um diese Ämter, weil die als Sprungbrett für eigene parlamentarische Karrieren benutzt werden sollen.

Nicht minder problematisch ist die Ämterhäufung. Kein Mensch kann neben einem normalen Beruf oder Ausbildung und Partnerschaften sowie politischer Basisarbeit mehr als ein Parteiamt ordentlich ausführen. Trotzdem haben die PV-Mitglieder in der Mehrheit alle noch zusätzliche Ämter. Und wenn jemand – wie ich – das bewusst nicht macht, handelt er oder sie sich Nachteile, Vorwürfe und Misstrauen ein.
Die Folge ist, dass immer nur nur gut die Hälfte der PV-Mitglieder an den Sitzungen teilnimmt. Im Schnitt waren es in den letzten zwei Jahre 28 teilnehmende PV-Mitglieder von 44. Ich gehörte – aufgrund der fehlenden Ämterhäufung und weil ich das Gremium ernster nehme – zu den Spitzenreitern bei der Teilnahme – trotz zehnstündiger An- und Abreise.

Auch die Transparenz der Arbeit des Vorstandes muss verbessert werden. Jedes PV-Mitglied sollte mindestens das machen, was Lucy Redler und ich gemacht haben: Über die Arbeit berichten. Dabei müssen nicht alle alles berichten; wenn alle mitmachen, kann die Arbeit auch geteilt werden.

Es gäbe viel zu tun und zu verbessern, allein anpacken mag es kaum noch eine und einer…

akl - Antikapitalistische Linke

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Grafikquelle        :  Übernahme des Artikel samt Foto

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