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RENTENANGST

Nicht die erste Drohung

Erstellt von DL-Redaktion am Sonntag 24. März 2019

Rechter Terror in Deutschland

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Aus BerlinMarlene Gürgen, Dinah Riese und Konrad Litschko

Seit Jahren werden in Deutschland Moscheen attackiert. Nach Christchurch fürchten Muslime, dass es zum Schlimmsten kommt.

Es ist erst einige Wochen her, da bekam Aiman Mazyek eine E-Mail. Es ist ein Aufruf, ihn „abzuschlachten“ und „eure Gebetshäuser niederzubrennen“. „Möge das Blut in den Straßen in Strömen fließen“, heißt es darin. Unterzeichnet war das Schreiben mit „NSU 2.0“.

Es war nicht die erste Drohung. Schon seit Jahren erhält der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime Morddrohungen. Als es vor einem Jahr immer heftiger wurde, als er auch am Telefon bedroht wurde und schließlich ein Brief mit weißem Pulver eintraf, beschloss Mazyek die Geschäftsstelle des Zentralrats in Köln vorübergehend zu schließen. Aber es ging weiter.

Das „NSU 2.0“-Schreiben nennt Maz­yek, ein kräftiger, sonst gelassener Mann, „drastisch und abstoßend“. „Ich nehme das durchaus ernst.“ Er habe das Schreiben damals umgehend an die Polizei weitergeleitet. Das Einzige, das er darauf gehört hat: Es gebe keine akute Bedrohung.

Aiman Mazyek aber hat Angst, dass das nicht stimmt. Dass es nicht bei Drohungen bleibt.

Denn in Christchurch verübte vor einer Woche ein Rechtsextremist ein Attentat: Mit Gewehren stürmte Brenton Tarrant in zwei Moscheen und erschoss 50 Menschen. In einem „Manifest“, 74 Seiten, rühmte er seine Tat als Widerstandsakt gegen eine angeblich muslimische „Invasion“. Es war eine der schwersten Rechtsterrortaten weltweit.

578 islamfeindliche Straftaten

Könnte so ein Anschlag auch in Deutschland passieren?

Aiman Mazyek glaubt, es könnte. „Seit Jahren werden Moscheen auch hier bedroht und angegriffen. Nach Christchurch herrscht in vielen Gemeinden richtige Angst.“ Die Stadt in Neuseeland ist mehr als 18.000 Kilometer weit weg. Aber doch sehr nah.

Fatih Camii Moschee Dresden 2016-10-07 05.jpg

Tatsächlich zählte die Polizei im vergangenen Jahr allein bis Ende September 578 islamfeindliche Straftaten – Sachbeschädigungen, Körperverletzungen, Beleidigungen. Der Zentralrat der Muslime notierte in diesem Jahr bereits 20 Angriffe auf muslimische Einrichtungen. In Stuttgart gab es eine Brandstiftung, in Rostock legten Unbekannte einen Schweinekopf und Tierpfoten auf das Baugelände einer Moschee, in Halle wurden bei einer von Muslimen betriebenen Flüchtlingseinrichtung die Fensterscheiben eingeworfen. Zuvor schon wurde in der Stadt eine Moschee wiederholt mit einem Luftgewehr beschossen.

Auch in Erfurt herrscht jetzt wieder Angst. „So ein Anschlag wie in Christchurch kann jederzeit und überall stattfinden“, sagt auch Suleman Malik, Sprecher der örtlichen Ahmadiyya-Gemeinde. Im November hatte diese den Grundstein für eine neue Moschee gelegt, nach acht Jahren Planung. Er sei in dieser Zeit mehrfach angespuckt und verbal bedroht worden, erzählt Malik. Am Bauplatz stellten Unbekannte meterhohe Holzkreuze auf, ein anderes Mal wurden Schweinekadaver aufgespießt.

Eine Herausforderung

Immer wieder gebe es Aufrufe zu Gewalt in den sozialen Medien, sagt Malik, zu Brandstiftung etwa. „Wenn so etwas vorkommt, oder jetzt nach dem Anschlag in Christchurch, übernachtet auch jemand auf der Baustelle.“

Es ist nicht nur die Angst. Suleman Malik bewegt dieser Tage noch etwas: das Gefühl alleingelassen zu werden. „Keiner hat uns gefragt, wie es uns geht“, sagt er. Auch von der Stadt oder Polizei habe sich niemand an die Gemeinde gewandt. „Als wäre nichts passiert.“

 Eigentlich sucht die Ahmadiyya-Gemeinschaft die Öffentlichkeit. Zuletzt habe er mehrere Tage mit einem Plakat auf dem „Thüringentag“ gestanden und über den Moscheebau informiert, erzählt Malik. Doch mehr als den Dialog anbieten, könnten sie nicht tun. „Es ist eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft, zusammenzustehen und etwas gegen den Rechtsruck und den Hass zu tun.“

Aber das passiert nicht, so sieht es zumindest Malik: Es sei ein Klima in Deutschland entstanden, dass den Muslimen eine Art Mitschuld an allen möglichen Problemen gebe. „Die Rechtspopulisten haben es geschafft, Rassismus und Islamophobie inmitten der Gesellschaft zu verankern“, sagt er. Das wiederum ermutige zunehmend Menschen, die Hassrede in Taten umzusetzen. „Es ist schwierig für mich als Muslim, hier in Würde zu leben“, sagt Malik mit leiser Stimme. „Es wird mehr und mehr zu einer Herausforderung.“

Radikalisierung auf einer Europareise

Noch sind die Bedrohungen in Deutschland weit von dem Massaker in Christchurch entfernt. Aber der Terror war auch hierzulande schon ganz nah. Bereits 2009 tötete ein Rechtsextremist in Dresden die Muslimin Marwa El-Sherbini mit 16 Messerstichen. Die Ägypterin beschimpfte er als „Terroristin“, die in Deutschland nichts zu suchen habe. Dem Gericht schrieb der Mann später, der Islam sei eine „verrückte Religion“, ihre Anhänger sehe er als „Feinde“. Ganz ähnlich klingt das jetzt im „Manifest“ des Christchurch-Attentäters.

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 v.l.n.r.: Niombo Lomba, Ezhar Cezairli, Mekonnen Mesghena, Canan Bayram, Ergun Can Foto: Stephan Röhl

Auch die Neonazigruppe „Oldschool Society“ diskutierte schon 2015 über einen „bewaffneten Kampf gegen Salafisten“. Ihr Chef schlug vor: „Waffen besorgen, Moschee reinrennen, bambam, fertig.“ Die Polizei nahm die Gruppe hoch, bevor ihre Pläne zu Taten wurden. Das Führungsquartett bekam wegen Rechtsterrorismus Haftstrafen von bis zu fünf Jahren.

Ein Pegida-Anhänger schritt 2017 dagegen zur Tat: Er zündete einen Sprengsatz vor einer Moschee in Dresden. Verletzt wurde niemand. Der Rechtsextremist sitzt nun knapp zehn Jahre Haft ab, wegen versuchten Mordes. Die Todesschüsse von Christchurch haben nun auch die deutschen Sicherheitsbehörden aufgeschreckt. Sofort nach dem Attentat prüften sie: Drohen Nachahmertaten hierzulande? Gibt es Bezüge des Attentäters Brenton Tarrant nach Deutschland? Hatte er hier Kontaktleute? War er mal vor Ort?

Die Behörden geben bisher Entwarnung: Noch gibt es nur Hinweise auf einen touristischen Besuch Tarrants in Deutschland. Fotos, die er auf seinem Facebook-Profil postete, zeigen das Schloss Neuschwanstein. Auch die Gefahr von Nachahmertaten bleibe bisher „abstrakt“, heißt es in Sicherheitskreisen. Dennoch seien die Polizeidienstellen „sensibilisiert“ worden.

Es war Europa, wo sich Brenton Tarrant offenbar radikalisierte. 2017 reiste er laut seines „Manifests“ über Monate durch mehrere Länder. In Frankreich sei sein Entschluss zum Anschlag gefallen – als er die dortige „Invasion“ von Migranten erlebt habe. Warum tue niemand etwas dagegen, habe er sich gefragt. „Dann beschloss ich, selbst etwas zu tun.“

Mit Breiviks Segen

Quelle        :      TAZ           >>>>>           weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben       —          DITIB-Zentralmoschee Köln – April 2015

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2. von Oben     —     Fatih Camii Moschee Dresden

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