Neuaufstellung der CDU
Erstellt von DL-Redaktion am Sonntag 13. Februar 2022
Irgendwas mit Ludwig Erhard
Ein geistiger Bruder von Adenauer.
Eine Kolumne von Thomas Fricke
Es wirkt ziemlich hilflos: Welche Lehren wollen Friedrich Merz und seine Partei aus der eigenen Krise ziehen? Es bräuchte etwas wirklich Neues – und einen Abschied vom naiven Markt glauben.
Der neue Chef ist im Amt – und hat rührend viele Stimmen bekommen. So viele, dass auch mögliche Störenfreunde in der Partei sich ergeben. Während die Regierung auf der anderen Seite sich gerade in ihr erstes Umfragetief begibt. Schon steht die CDU in Umfragen wieder vor der SPD. Und fast scheint es, als sei die kürzlich noch arg gebeutelt wirkende frühere Merkel-Partei auf bestem Weg, ihre eigene Krise zu überwinden.
Wenn da nicht das ungute Gefühl wäre, dass für den großen Wiederaufstieg noch der nötige Inhalt fehlt. Ein neues Grundsatzprogramm etwa, für das sich selbst der neue Chef Friedrich Merz jetzt zwei Jahre Zeit lassen will. Was womöglich dann auch gut so ist. Denn was als vermeintlich große neue Ideen bislang aus der frischen Opposition zu vernehmen ist, klingt eher nach einem ziemlich wirren Mix aus aufgebackenem Achtzigerjahre-Wirtschaftsverständnis und dem einen oder anderen Gemeinplatz – und nicht danach, dass da schon überzeugende konservative Ideen zur Lösung von Klimawandel, Globalisierungskrisen, gesellschaftlicher Spaltung, Finanzturbulenzen oder populistischem Unmut reifen.
Dass es neue Herausforderungen gibt – und dazu passend eine Neudefinition der viel beschworenen Sozialen Marktwirtschaft nötig wird – ist schon durchgezogen. Doch die Wirrnis fängt bei der Frage an, was denn die Herausforderungen konkret sind. Klar, irgendwas mit Klima. Und klar, auch irgendwas mit Gemeinwohl. Der Markt kann irgendwie doch nicht so viel regeln. Da müsse jetzt wirtschaftliche Freiheit mit sozialem Ausgleich und Ökologie verbunden werden, fabulierten kürzlich beispielhaft die Unions-Denker Hildegard Müller, derzeit Autolobby-Präsidentin, und Norbert Lammert, jetzt Chef der parteinahen Konrad-Adenauer-Stiftung. Nur, was heißt das?
Hier wird es ein bisschen, sagen wir, diffus bis gaga. Da sind, natürlich, Investitionen in Forschung und Bildung wichtig, schreiben die beiden. Aha. Und da muss es verbindliche Ziele fürs Klima geben. Joa. Wobei Müller und Lammert dann wünschen, dass darüber hinaus viel Technologieoffenheit zu bleiben hat – alte Kamelle der Autolobby. Wo selbst FDP-Verkehrsminister zwischenzeitlich eingeräumt haben, dass es schon wichtig ist, den Technologiewettbewerb etwa um neue Auto-Antriebe nicht allzu wild laufen zu lassen – weil ohne Zielvorgabe wie in der Vergangenheit nichts voranzugehen droht. Und? Achja, ansonsten soll’s beim Klima der CO2-Preis bringen, so die Unions-Schreiber – nächstes Ding aus der Altkleidersammlung. Spätestens seit die CO2-Preise am Markt unkontrolliert spekulativ hochschießen und die Industrie jammern lassen, lässt sich erahnen, dass auch das nicht so prima ist.
Die Konzerne machen so viel Gewinn wie nie zuvor
Was Müller und Lammert da schreiben, scheint bei Konservativen und älteren Marktliberalen gerade verzweifelte Mode. Da wird knirschend eingeräumt, dass es in der Pandemie gut war, wenn der Staat geholfen hat – und dadurch sogar das Vertrauen der Menschen in die soziale Marktwirtschaft wieder gestiegen ist. Zum anderen wird dann aber wehgeklagt, wie staatsgläubig alle geworden seien. Dabei bestätigt die Pandemie ja nur die ohnehin nach Jahrzehnten des naiven Marktglaubens dringlich gewordene Frage, ob diese Coronakrise wirklich nur so eine Episode ist – oder ob es heute nicht auch grundlegender darum geht, die Rolle des Staates angesichts etlicher ähnlicher Unwägbarkeiten neu zu definieren.
Da hilft dann auch kein reflexartiges Staatsbeschimpfen. Ebenso wenig wie der wohlfeile Appell, die Schuldenbremse ganz bald wieder einzuhalten – was für sinnvolle staatliche Investitionen inhärent ja erst einmal nicht sonderlich förderlich ist. Wobei es die Schuldenbremse ohnehin schon lange gibt, das Ding also nicht wirklich als Ausweis neuer Ideen taugt – und auch umstritten ist, ob sie zum Abbau von Staatsschulden in den Jahren vor Corona wirklich beigetragen hat, weil ja in den relativ guten Zeiten hohe staatlichen Einnahmen wie von allein für sinkende Defizite sorgten.
Eine Schuldenbremse, die andererseits jenen dramatischen Mangel an öffentlichen Investitionen in Bahnen, Schulen, Behörden und Gesundheitsämtern (zumindest) nicht verhindert hat, der dem Land seit Jahren arg zu schaffen macht. In der Not könnten in den nächsten Jahren erneut wichtige Investitionen gekappt werden, wenn eine allzu harte Schuldenbremse durchgezogen wird. Dann droht die Rückkehr der Tante-Erna-Politik. Altes Denken, alte Fehler.
Die Antwort gab Schröder mit seinen Clan der SPD -Armut für Alle!
Wie sehr viele konservative Denker noch in alten Mustern stecken, zeigt sich auch in der Reflexartigkeit, mit der wirtschaftliches Wohl irgendwie immer mit dem Schlagwort von der angeblich dringend zu rettenden Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft belegt und als wichtiges Ziel beschworen wird – obwohl es an Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland wahrscheinlich am wenigsten mangelt. Die Wirtschaft fährt trotz jahrelanger Kritik nach wie vor die weltweit höchsten Überschüsse im Außenhandel ein. Die Dax-Konzerne haben im Corona-Jahr 2021 so viel Gewinn gemacht wie nie zuvor. Irre.
Warum Wettbewerbsfähigkeit da zu einer der herausragenden Herausforderungen deklariert werden sollte, ist rätselhaft. Da wird wohl eher ein hohl gewordenes Schlagwort nachgeplappert (was nicht heißt, dass es nicht auch wichtig ist, auf Wettbewerbsfähigkeit zu achten, wenn sie tatsächlich zu schwinden droht). Ist ja nicht so, als gäbe es nicht wirklich große Probleme.
Vertrauenskrise der Sozialen Marktwirtschaft
Wenn heute nur knapp über die Hälfte der Deutschen eine gute Meinung von der Sozialen Marktwirtschaft hat, ist das eher entlarvend für die, die sonntags von eben diesem Modell als das tolle deutsche Wunderrezept reden – spätestens seit die Marktschwafler den Begriff gekapert haben (ohne nur im Traum dabei an etwas besonders Soziales zu denken). Um diese Vertrauenskrise zu beheben, braucht es mehr als ein paar wohlige Worte darüber, dass es bei der Bewältigung der großen Herausforderungen auch irgendwie ein bisschen sozial zugehen muss. Wenn in Deutschland die Vermögen zwischen den Top-Klassen und der unteren Hälfte dramatisch auseinandergegangen sind, ist auch das eine Herausforderung – und um dieser zu begegnen, braucht es mehr als Appelle an die Bildung. So ein Gefälle wird nicht von allein wieder kleiner werden.
Grafikquellen :
Oben — Bundesparteitag 1971
Pelz – Eigenes Werk
Prof. Ludwig Erhard1; CDU-Bundesparteitag 1971 in Düsseldorf.
- CC BY-SA 3.0
- File:Ludwig Erhard1.jpg
- Erstellt: 31. Dezember 1970
Unten — Ludwig Erhard 1957 mit seinem Buch Wohlstand für Alle
Bundesarchiv, B 145 Bild-F004204-0003 / Adrian, Doris / CC-BY-SA 3.0
Es folgt die historische Originalbeschreibung, die das Bundesarchiv aus dokumentarischen Gründen übernommen hat. Diese kann allerdings fehlerhaft, tendenziös, überholt oder politisch extrem sein. Herr Dr. Wehrenkamp (Ukon Verlag) überreicht Dr. Ludwig Erhard sein Buch „Wohlstand für Alle“
Erstellt am Sonntag 13. Februar 2022 um 12:32 und abgelegt unter Medien, P.CDU / CSU, P.SPD, Positionen. Kommentare zu diesen Eintrag im RSS 2.0 Feed. Sie können zum Ende springen und ein Kommentar hinterlassen. Pingen ist im Augenblick nicht erlaubt.