Fußballspieler bei Erdogan
Erstellt von DL-Redaktion am Mittwoch 23. Mai 2018
Fußball ist niemals unpolitisch
Von Markus Völker
Wie gern würde man glauben, Politik und Sport haben nichts miteinander zu tun. Das Gegenteil ist richtig. Der Sport hat es faustdick hinter den Ohren
Es ist schon verblüffend, mit welcher Hartnäckigkeit sich dieses Vorurteil hält: Der Sport sei unpolitisch, ja, Sport und Politik verhielten sich wie Wasser und Öl. Vermischen könne man die nicht, sagen vor allem Sportfunktionäre, Politiker und Sportrechte-Inhaber, die ein großes Interesse am Fortbestehen dieser Mär haben. Aber damit verbreiten sie natürlich den allergrößten Unsinn. Sport und Politik, das sind die siamesischen Zwillinge der Populärkultur. Man darf sich nicht vom zirzensischen Charakter des Sports täuschen lassen, von seiner Oberflächlichkeit und sedierenden Wirkung.
Der Sport hat es faustdick hinter den Ohren. Man muss diesen Saubazi halt nur in seiner ganzen Pracht sehen wollen, was manchmal recht schwierig ist, so betäubt und beseelt, wie man nach einem Fußballspiel manchmal ist. In so einem Zustand ist es schwer zu kapieren, dass zum Beispiel die Fußball-WM in Russland eine politische WM ist, weil sie so gut in Wladimir Putins Planspiele passt. Kurz nach den Winterspielen 2014 hat er die Krim annektiert. Da gibt es keinen Zusammenhang? Schon klar.
Unter der Oberfläche der propagierten Sport-Harmlosigkeit brodelt es wie in einem unterirdischen Magma-See. Manchmal kommt es zu Eruptionen. Das Politische schießt empor, durchbricht die Erdkruste und besudelt die schöne Landschaft des Sportiven. Unschöne Sache, das. Plötzlich muss man sich nicht mehr nur mit Tabellen, Punkten, Aufstiegschancen und Relegationsspielen beschäftigen, sondern mit einem Spieler, der als Zoon politikon in Erscheinung tritt, als Wesen also, das jenseits des Fußballplatzes zu politischen Ansichten neigt. Unerhört, das Ganze. Wurde uns von Kindesbeinen an nicht der Glaubenssatz eingebimst, der Sport sei unpolitisch, unpolitisch und nochmal: unpolitisch?
Verdammte Hacke! Und dann taucht dieses Bild in der Öffentlichkeit auf: Mesut Özil und Ilkay Gündogan lassen sich ablichten mit dem Bösen vom Bosporus, Recep Tayyip Erdoğan, dem türkischen Präsidenten, der sein Land in einen Mafia-Staat umbaut. Der „Mafia-Staat“, so der ungarische Soziologe Bálint Magyar, „ist die privatisierte Form des parasitischen Staats“. Ein korrupter Clan erobert die politische Macht und unterwirft sich den Staat und seine Institutionen. Was das alles konkret bedeutet, kann man Deniz Yücel fragen, der ein Jahr im türkischen Knast schmorte. Sein Vergehen? Er hat seinen Job als Journalist gemacht. Das kann reichen, um in Mafia-Staaten weggesperrt zu werden.
Treudoofe Paladine eines Möchtegern-Diktators
Özil und Gündogan haben keine Berührungsängste bei diesem Treffen. Özil gibt sich so locker, wie man ihn außerhalb des Fußballplatzes nur selten sieht. Gündogan hat auf das Fußballtrikot, das er Erdoğan überreicht, eine Widmung für „seinen Präsidenten“ geschrieben. Es ist eine Geste des Respekts und der Ergebenheit. Beide Kicker fühlen sich sichtlich wohl in der Nähe des Autokraten, der die deutschen Nationalspieler zu Wahlkämpfern seiner Partei AKP macht. Am 24. Juni sind Wahlen in der Türkei, und gewinnt Erdoğans Truppe, was sehr wahrscheinlich ist, dann schreitet der Umbau der Türkei in eine Erdokratie voran.
Quelle : TAZ >>>>> weiterlesen
————————————————————————————–
Grafikquellen :
Oben — Mesut Özil playing for Arsenal.
Source | Mesut Özil
|
Author | Ronnie Macdonald from Chelmsford, United Kingdom |
This file is licensed under the Creative Commons Attribution 2.0 Generic license.
![]() |
This image, originally posted to Flickr, was reviewed on by the administrator or reviewer File Upload Bot (Magnus Manske), who confirmed that it was available on Flickr under the stated license on that date. |
——————————————————–
Unten — İlkay Gündoğan
Fußball-Weltmeisterschaft 2014/Qualifikation (UEFA), Gruppe C, 11. September 2012, Österreich gegen Deutschland im Wiener Ernst-Happel-Stadion.
Lizenz : Michael Kranewitter, Wikimedia Commons, CC-by-sa 4.0