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Nachruf: Elmar Altvater

Erstellt von DL-Redaktion am Dienstag 8. Mai 2018

Ein persönlicher Kommentar zum Tod von Elmar Altvater

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Quelle   :  Scharf – Links

Von Gerd Elvers

Wir waren eine kleine Clique von Studenten, die gemeinsam von 1959 bis 1964 an der Uni München Volkswirtschaft studierten. Wir traten 1960 in den SDS ein, gründeten den Gewerkschaftlichen Arbeitskreis der Studenten, genannt GAST, halfen uns gegenseitig gleichsam jeden Tag in unserem Studium die erforderlichen Scheine und Seminararbeiten zu bewältigen und verstrickten uns in heißen Debatten auf der Grundlage eines unorthodoxen Marxismus.

Von Anfang an waren wir mit dem „sozialistischen Geist“ geimpft, obwohl wir aus unterschiedlichen Elternhäusern stammten. Elmar trat mit seiner stattlichen Figur, seiner sonorigen Stimme und imponierenden Wesen von Anfang an als ein geborener deutscher Professor auf, der aus sich heraus  natürliche Souveränität ausstrahlte, aber andere Ansichten durchaus tolerierte. Diese Mischung von radikaler linker Meinung und großbürgerlichen, ja weltbürgerlichen Auftreten war wohl auch persönlich durch seine Verbindung mit einer Patriziertochter aus Hamburg begründet, einer elitären Herrschaftsschicht der Hansestadt, ungebrochen über 150 Jahre deutscher Geschichte. Diese Verbindung beendete  er aber schon zur Studentenzeit, vielleicht weil die politischen Ansichten zu weit auseinanderlagen.

Unser gemeinsamer geistiger und von uns verehrter Mentor war  Erich Preiser, der zwar kein Marxist war, aus der DDR nach Westdeutschland emigrierte aber sich eine kritische  antikapitalische Haltung als Professor der Volkswirtschaft bewahrt hatte, gegen den beginnenden Einbruch des Neoliberalismus in die Betriebswirtschaftslehre, vertreten durch den Professor Schneider, der ein Standardwerk geschrieben hatte, den Beginn der mathematisch-radikalmarktwirtschaftlichen Richtung. Diese Richtung sollte sich schnell an allen deutschen Unis durchsetzen. Elmar konnte nach 1965 das kleiner werdende Fenster in den Berufungsverfahren nutzen, bevor es für dezidierte Linke geschlossen wurde, und die Unis quasi „gleichgeschaltet“ wurden.

Wir waren aber auch ganz normale Studenten der damaligen Zeit der letzten Phase der Humboldt-Universität, als prinzipielle „Hätschelkinder“ des westdeutschen Wirtschaftswunders genossen wir die Freiheiten, die sich boten, ohne Karriereängste. In den Nachrufen zu Elmar findet sich die hübsche Geschichte, Elmar habe sich während der berühmt-berüchtigten Schwabinger Krawallen für einen verhafteten Kommilitonen eingesetzt und sei deshalb selber im Gefängnis gelandet. Tatsache ist aber ….seine Anverwandten mögen mir verzeihen …, dass er mit einem anderen Kumpel nachts über den Zaun des Ungerer Bades vor den Polizeihäschern geflohen war, dort sich aller Kleider – aus welchen Gründen auch immer – entledigt hatte und deshalb in Polizeigewahrsam genommen worden ist. Ernster war schon wesentlich später die Verhaftung durch die österreichische Polizei im Zug, auf der Grundlage eines Haftbefehls des durchgedrehten deutschen Polizeistaates, der Elmar fälschlicherweise der Kumpanei mit der Bader-Meinhof-Gruppe bezichtigte.

Zeitweise hatte Elmar durchaus das Zeug, so etwas wie der von den Linken geadelte Erbe von Karl Marx in Westdeutschland zu werden. Dazu kam es nicht. Dass er sich nicht wie Karl Marx  auf einer ständigen Flucht vor den Häschern des Kapitalismus befand, ist wohl den geänderten Zeiten zu verdanken, und dass linke Positionen dem kapitalistischen Staat nicht als Gefährdung erschienen. In Westdeutschland kam es zwar zu einer Hatz gegen die Mitglieder der KPD – geschuldet auch dem Kalten Krieg-  es kam zu  Mordaktionen Einzelner gegen Linke, Bild versuchte, eine Pogromstimmung zu erzeugen, es kam aber nicht zu einer totalen Verwilderung der politischen Sitten. Elmar hatte sicher seinen Anteil daran. Obwohl er mit soziologischen Techniken die Lage der Armen zu ergründen versuchte, wurde er als „professoraler Weltbürger“ wahrgenommen, abgehoben von der Wahrnehmung durch die Massen. Er wird unser Gedenken  sicher sein.

Gerd Elvers

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Grafikquelle   :     de:Elmar Altvater

 

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