DEMOKRATISCH – LINKS

                      KRITISCHE INTERNET-ZEITUNG

RENTENANGST

Nach dem Gipfelprotest

Erstellt von Redaktion am Freitag 16. Februar 2018

Die LINKE darf dem autoritären Trend nicht nachgeben

Nicht Wild in Flur und Feld – wird hier Protestlern nachgestellt ?

Von Jan Schlemermeyer

Mehr Solidarität und Selbstverwaltung statt mehr Staatsgewalt ist keine Utopie, sondern sollte Kernprojekt einer linken Partei sein, fordert Jan Schlemermeyer.

Bei allen Differenzen ist man sich in der gesellschaftlichen Linken in einem einig: Bewegung ist gut, gemeinsame Bewegung noch besser. Wieso stößt Wagenknechts Vorschlag einer Sammlungsbewegung dann ausgerechnet in der außerparlamentarischen Linken auf Skepsis? Um eine Antwort zu finden, macht es Sinn, sich das Konzept der Mosaiklinken in Erinnerung zu rufen. Denn zu Beginn der Krise 2009 war die Hoffnung auf ein produktives Verhältnis von Parteien und sozialen Bewegungen weit verbreitet. Eine solidarische Bearbeitung der Unterschiede sollte dafür sorgen, dass Reichweite wie Radikalität des Protests »mit der Krisendynamik Schritt halten« (Hans-Jürgen Urban, IG Metall).

Die Pluralität der Linken sollte zu ihrer Stärke gemacht werden, in dem man alte Alleinvertretungsansprüche überwand. Für die Partei hieß das, sich von der Fokussierung auf den parlamentarischen Betrieb zu lösen und sich als Partner sozialer Bewegungen zu verstehen. Und genau hier liegt ein wesentlicher Unterschied zu Wagenknechts Sammlungsbewegung: Bei ihr wird die Bewegung (wieder) als Anhängsel des Betriebes gedacht, sie darf Flyer verteilen, soll aber den Profis nicht in die Quere kommen soll. Ungehorsam, Autonomie oder gar Rebellion sind nicht vorgesehen. Dementsprechend ist von der Hoffnung, die mal mit dem Konzept der Mosaiklinken verbunden war, nichts mehr zu spüren. Die »Sammlungsbewegung« zeigt vielmehr: Wir haben es nicht nur mit einem Rechtsruck in der Gesellschaft, sondern auch mit einem in der Linken zu tun. Während eine autoritäre Welle rollt, geben Teile der LINKEN ihr bereitwillig nach. Nicht nur in der Migrationspolitik, sondern auch bei Freiheitsrechten scheint es eine linke Lust am Einknicken zu geben.

Die Reaktionen auf die Proteste gegen den G20-Gipfel sind dafür ein gutes Beispiel. Denn wegen der Auseinandersetzung in Hamburg hagelte es seitens der linken Fraktionsführung im Bundestag Distanzierungen. Distanziert wurde sich jedoch nicht von einer hochgerüsteten Polizei, die – unbekümmert von Gerichtsurteilen – die Proteste schikanierte und zahlreiche Menschen ins Krankenhaus prügelte. Distanziert wurde sich auch nicht von einem Innenminister, der nach dem Gipfel ohne Rücksicht auf die Pressefreiheit eine linke Internetseite verbot. Mit dem Bannfluch der Entpolitisierung belegt wurden vielmehr die »kriminellen Gewalttäter« (Wagenknecht) auf Seiten der Gipfelgegner. Dafür war die Fraktionsführung in Gedanken bei Polizisten, die häufig Opfer des eigenen Reizgases und der sommerlichen Temperaturen geworden waren. Man könnte das schlechte Timing vor der Bundestagswahl dafür verantwortlich machen, aber auch nach dem Wahlkampf wurde es nicht besser. Stattdessen immer wieder die Forderung nach mehr Polizei.

Partei in Bewegung – aber nicht zu hören

Was hier mit der Hand geschieht – schaft  bei mir ein Finger

Zugegeben: es ist eine Einsicht der Mosaikdebatte, dass Parteipolitik einer anderen Handlungslogik (Kalkül und Breitenwirkung) folgen muss, als soziale Bewegungen oder die radikale Linke. Deren Prinzipien sind eher Autonomie bzw. Zuspitzung. Man darf von einer Partei keine Solidaritätsadressen an den schwarzen Block erwarten, die braucht es auch nicht. Zudem hat die Linkspartei in Hamburg die Kriminalisierung der Proteste kritisiert. Von Frankfurt bis Leipzig sind ParteigenossInnen gegen die rechte Kampagne und für linke Zentren aufgestanden. Die Bundespartei hat die G20-Bewegung unterstützt, auch viele Bundestagsabgeordnete haben Widerspruch angemeldet. In die Öffentlichkeit durchgedrungen ist das jedoch selten. Das scheint kein Zufall: In den Thesen der Fraktionsführung zur strategischen Ausrichtung spielt das Thema Grundrechte (abgesehen von der »Verteidigung« des längst zerlöcherten Asylrechts) keine Rolle. Es ist daher weniger bemerkenswert, dass es LINKE-PolitikerInnen gibt, die sich im rechten Shitstorm für soziale Bewegungen und zivilen Ungehorsam stark machen. Bemerkenswert ist, dass der Widerspruch gegen den sicherheitsindustriellen Komplex aus Konservativen, Lobbyisten und Polizeigewerkschaftern nur etwas für den Lokalteil bzw. das Spartenprogramm zu sein scheint. Die letzten Monate markieren so den demokratiepolitischen Schwächeanfall einer Partei, die in ihrem Programm davon spricht, dass sie für »die Wiedereinsetzung der Grundrechte kämpft«. Und das ist dann doch etwas erklärungsbedürftig. Denn unklar bleibt, wie so »parlamentarisch und außerparlamentarisch Widerstand gegen die weitere Umverteilung von unten nach oben« (Wagenknecht/Bartsch) organisiert werden soll.

Quelle        :    ND       >>>>>      weiterlesen

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