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Müllverbrennung

Erstellt von DL-Redaktion am Mittwoch 8. Oktober 2008

Millionenprofite mit Müllverbrennung.
Gebührenzahler werden abkassiert

File:Vuilnis bij Essent Milieu.jpg

von Hans Koberstein und Joe Sperling

Müllverbrennungsanlagen machen offenbar Millionengewinne auf Kosten der Gebührenzahler. Mit Umsatzrenditen bis zu 40 Prozent sind viele Müllkraftwerke wesentlich profitabler als andere Industriezweige. Das haben Berechnungen von Frontal21 ergeben. Trotzdem werden die Müllgebühren immer weiter erhöht. Experten halten das für illegal, raten den Bürgern, dagegen zu klagen.

In den vergangenen zehn Jahren sind die Müllgebühren um durchschnittlich 36 Prozent gestiegen, viel stärker als der allgemeine Preisindex. Die Gebühren sollen die Entsorgungskosten abdecken – von der Müllabfuhr bis zur Müllverbrennung. Letztere schlägt dabei mit etwa der Hälfte der Kosten zu Buche. Doch wieso für etwas zahlen, was am Ende Gewinn bringt? Denn der Müll ist für die Verbrennungsanlagen häufig ein wertvoller Rohstoff. Durch seine Verbrennung erzeugen sie Strom und Wärme und verkaufen die so gewonnene Energie teuer weiter.

In Bielefeld etwa erwirtschaftete die Müllverbrennungsanlage (MVA) im Jahr 2006 mehr als 13 Millionen Euro Gewinn nach Steuern. Die Umsatzrendite lag bei rund 35,3 Prozent. Der Großteil der Gewinne fließt über verschiedene beteiligte Unternehmen an den Energieriesen E.ON. 2006 waren das rund acht Millionen Euro. Die Stadt Bielefeld verdiente im gleichen Jahr rund 2,1 Millionen Euro an der MVA.

Frontal21 hat mehrere Verantwortliche gefragt, ob sie eine Umsatzrendite von 35,3 Prozent für angemessen halten. „Es ist in meinen Augen nicht verwerflich, wenn Unternehmen Gewinn erwirtschaften“, sagt Andreas Aumüller, Prokurist der E.ON Energy from Waste AG. Zwei Geschäftsführer der Interargem GmbH, der die MVA Bielefeld gehört, wollten die Höhe der Gewinne nicht vor der Kamera kommentieren.
Der Bielefelder Oberbürgermeister Eberhard David erklärte gegenüber Frontal21 schriftlich: „In den vergangenen Jahren konnten die Gebühren jeweils gesenkt werden.“ Wie das zu erklären ist, wollte David vor der Kamera allerdings nicht sagen, für ein Interview stand er nicht zur Verfügung.
Gewinnmargen wie in Bielefeld sind kein Einzelfall. Frontal21 wertete die Bilanzen von 13 großen Müllkraftwerken aus. Sie verarbeiten rund ein Viertel des in Deutschland verbrannten Mülls. Im Durchschnitt beträgt die Umsatzrendite der untersuchten Anlagen mehr als 20 Prozent. Die Gemeinschafts-Müllverbrennungsanlage Niederrhein GmbH in Oberhausen etwa erwirtschaftete 2006 eine Umsatzrendite von rund 32 Prozent, das Müllheizkraftwerk Rothensee GmbH in Magdeburg kam sogar auf rund 44 Prozent.
Karl-Heinz Gloe, Geschäftsführer eines mittelständischen Automobilzulieferers, hat die Frontal21-Berechnungen überprüft. „Das ist unverschämt“, kommentiert Gloe die exorbitanten Renditen der Müllkraftwerke. Sein Unternehmen schafft im Vergleich eine Umsatzrendite von acht Prozent – für den Mittelständler ein hervorragendes Ergebnis.
Der Verwaltungsrechtler Dieter Birk von der Universität Münster hält die Gewinne der Müllverbrennungsanlagen sogar für gesetzeswidrig. „Das ist illegal, das widerspricht der Rechtsprechung unserer höchsten Gerichte“, sagt Birk gegenüber Frontal21. Regelmäßige Gewinne liefen der Grundkonzeption einer Gebühr zuwider. „Denn die Gebühr wird für eine Leistung der Verwaltung erhoben, und die Leistung der Verwaltung kann sich nur in den tatsächlichen Kosten widerspiegeln, da ist kein Gewinnbestandteil enthalten.“
Birk fordert die Kommunen auf, angesichts der von Frontal21 ermittelten Zahlen ihre Gebühren zu überprüfen und entsprechend zu senken: „Sie müssten dann ihre Gebühren gemäß den Kosten ihrer Leistungen, die sie dem Bürger anbieten, anpassen, das heißt, sie müssten die Gebührenhöhe entsprechend reduzieren.“ Werde das nicht gemacht, könnten die Gemeinden in einem Musterverfahren durch Gerichte dazu gezwungen werden, so Birk gegenüber Frontal21.
Eine Gebührensenkung hält auch Monika Büning von der Verbraucherzentrale Bundesverband für zwingend notwendig. „Das, was Frontal21 herausgefunden hat, ist für uns auf jeden Fall ein Indiz dafür, dass die Gebühren gesenkt werden müssen.“ Sie fordert mehr Offenheit und Transparenz im Bereich der Abfallgebühren. „Um dem Verbraucher auch zu sagen: Ja, es werden Gewinne gemacht und das wird auch auf die Gebühren umgelegt“, so Büning. Um diese Transparenz und die Rechte der Gebührenzahler durchsetzen zu können, fordern die Verbraucherzentralen ein entsprechendes Verbandsklagerecht. Damit könnten Verbraucheranfragen vor Gericht gebündelt werden.
Auch ein einzelner Gebührenzahler kann jedoch Professor Birk zufolge erfolgreich gegen illegal hohe Gebühren vorgehen. „Er müsste gegen den Gebührenbescheid ans Verwaltungsgericht gehen“, rät Birk. Die Erfolgsaussichten seien gut, wenn die hohen Gewinne langfristig und systematisch erwirtschaftet werden. Per Gerichtsentscheid könnte der Gebührenzahler sein Geld teilweise zurückbekommen, erklärt Birk. „Das Gericht würde die Gemeinde verpflichten, die Gebühren zu senken.“

Gebührenzahler wehrt sich

Auf die Hilfe der Gerichte hat sich Roland Kurz aus Wittenberg bereits mehrfach verlassen. Er klagt seit zehn Jahren immer wieder gegen steigende Müllgebühren. Elf Prozesse hat er bereits gewonnen. Zuletzt musste der Landkreis vier Millionen Euro an Gebührenzahler zurückgeben. „Ich habe den Eindruck, dass das Müllgebührensystem ein Selbstbedienungssystem ist, weil von den Seiten der Verwaltung immer wieder versucht wird, es möglichst wenig transparent zu gestalten“, sagt Kurz.
Er hat nachgesehen, welchen Profit das für ihn zuständige Müllkraftwerk in Leuna macht. „Rund 11,3 Millionen Euro Gewinn – bei diesem Umsatz – ist eine Lizenz zum Gelddrucken“, meint Kurz. Das könne nicht mit rechten Dingen zugehen.

Quelle ; Frontal ZDF:
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