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RENTENANGST

M. Müller-Aus für Hartz IV

Erstellt von Redaktion am Mittwoch 16. Mai 2018

„Das wird die Linkspartei ärgern“

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Hält er Ausschau nach Scholz oder Nahles ?

Interview  von Bert Schulz und Antje Lang-Lendorff

Berlins Bürgermeister Michael Müller (SPD) will Hartz IV abschaffen. Sein Alternativkonzept: das Solidarische Grundeinkommen.

taz: Herr Müller, wie ist es denn so auf Facebook?

Michael Müller: Na, da fragen Sie ja den Richtigen.

Sie haben gerade Ihre Facebookseite als Regierender Bürgermeister gestartet. Glückwunsch! Nicht nur die SPD, auch Sie erneuern sich.

Ich bin als SPD-Landeschef ja schon länger bei Facebook, aber jetzt eben offiziell auch über die Berliner Senatskanzlei. Das gehört zur heutigen Kommunikation dazu. Ich freu‘ mich auf die Reaktionen.

Beginnen wir mit einem kleinen Spiel. Bitte vervollständigen Sie folgende Sätze: Hartz IV ist …

… dringend reformbedürftig.

Die SPD ist zurzeit …

… auf einem guten Weg.

Die SPD und Hartz IV, das ist wie …

(überlegt lange) Sagen wir: eine Beziehung mit Höhen und Tiefen.

Welche Folgen hatte aus Ihrer Sicht die Einführung von Hartz IV für die SPD?

Früher gab es ein Grundvertrauen; die SPD war ganz selbstverständlich die Partei der sozialen Gerechtigkeit. Das ist auch so und nach wie vor unser wichtigstes Anliegen. Aber mit der Agendapolitik ist dieses Vertrauen verloren gegangen. Es ist an der Zeit, dass wir uns ehrlich machen.

Das heißt?

Wir müssen uns kritisch mit dieser Reform auseinandersetzen. Mit der Einführung von Hartz IV hat es einen tiefen Bruch zwischen der SPD und ihrer Wählerschaft gegeben. Viele haben diese Reform als zutiefst ungerecht empfunden, weil sie ihre Lebensleistung nicht respektiert. Das ist etwas, was wir bis heute spüren. Zum Beispiel im letzten Bundestagswahlkampf. Wenn ich am Infostand Flyer verteilen wollte, sagten die Leute: „Solange ihr eure Agendapolitik macht, kannste die Flyer behalten.“

Sie werben seit einigen Monaten für Ihr Konzept eines Solidarischen Grundeinkommens. Ist auch das ein Versuch, es wieder zu richten?

Vor allem geht es darum, auf neue Herausforderungen mit neuen Ideen zu antworten. Unser Zusammenleben und die Arbeitswelt verändert sich mit der Digitalisierung dramatisch. An so einem Punkt muss man auch die alten Konzepte wie die Agenda 2010 selbstkritisch hinterfragen. Wenn wir in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik etwas neu verabreden wollen, ist dafür jetzt ein guter Zeitpunkt.

Ihr Konzept sieht vor, dass Langzeitarbeitslose gemeinnützige Jobs verrichten sollen, die der Staat finanziert.

Mein Grundgedanke ist, den Menschen nicht durch Alimentierung, sondern durch Arbeit ein Auskommen zu sichern. Es geht darum, den Wert von Arbeit in den Mittelpunkt zu rücken. Das geht am ehesten über feste, unbefristete Stellen mit Sozialversicherung und einer Bezahlung nicht unter dem Mindestlohn. Gleichzeitig gibt es viele Aufgaben in unserer Gesellschaft, die dringend für ein besseres Zusammenleben erledigt werden müssen. Das Solidarische Grundeinkommen will das zusammenzuführen. Man gibt den Menschen Arbeit und eine Aufgabe für die Gemeinschaft, über die sie sich definieren können. Das hat für viele einen hohen Stellenwert.

Der Begriff Solidarität beschreibt aber traditionell etwas Größeres als eine Beschäftigungsmaßnahme.

Mein Modell bedeutet Solidarität in beide Richtungen: Der Staat zeigt sich solidarisch, weil er mehr leistet als Menschen in Not nur Hartz IV zu zahlen. Die Menschen sind solidarisch, indem sie ihre Arbeitskraft einbringen. Aber ich weiß, nicht alle teilen meine These vom Wert der Arbeit. Deshalb gibt es ja auch die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens. Da bekommt jeder Geld, ohne etwas dafür zu tun.

Mit einem bedingungslosen Grundeinkommen, also mit einer Zahlung an alle, hat Ihr Modell nichts zu tun. Warum der Etikettenschwindel?

Das ist kein Etikettenschwindel. Mir geht es sehr wohl um ein Grundeinkommen im Sinne eines Mindesteinkommens, das wir Menschen ohne Arbeit anbieten. Ich habe es bewusst mit dem Zusatz „Solidarisch“ verbunden um es vom „Bedingungslosen“ Grundeinkommen abzugrenzen – verschieden Adjektive beschreiben den Begriff Grundeinkommen eben anders. Aber entscheidend ist doch, dass wir in eine Diskussion über die bisherige und künftige Arbeitsmarktpolitik kommen. Wenn der Begriff des Grundeinkommens mit dazu führt, dann finde ich das gut – auch wenn das einige zu Widerspruch reizt,

Die Diskussion anzustoßen ist Ihnen tatsächlich gelungen. Ist das Solidarische Grundeinkommen der Anfang vom Ende von Hartz IV?

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Möglicherweise – aber das kann ich noch nicht beurteilen. Ich will mich da nicht verheben. Ich habe als Regierender Bürgermeister von Berlin und als Bundesratspräsident diese Diskussion angestoßen. Und ich führe sie mit vielen weiter – mit den Gewerkschaften, Arbeitsmarktpolitikern und auch mit dem Bundesarbeitsminister.

Sie haben anfangs gesagt, die SPD müsse von Hartz IV loskommen. Ihr Vorschlag ergänzt aber nur das Hartz IV-System, es stellt es nicht grundsätzlich in Frage.

Wir sind erst am Beginn der Debatte. Das bisherige Arbeitslosensystem ist ein Riesen-Apparat. Jetzt werden wir sehen, ob es finanziell und organisatorisch die Grundlage gibt, um komplett umzusteuern. Allerdings geht das nur gemeinsam. Ich kann nicht allein das Hartz IV-System ablösen.

Wieso so defensiv: Sie haben eine Debatte angestoßen, warum gehen Sie nicht weiter, fordern mehr? Sie könnten einfach sagen: Lasst uns mit Hartz IV abschließen!

Okay, dann sage ich das hiermit! Ich möchte diese 15 Jahre alte Arbeitsmarktreform perspektivisch überwinden. Aber was wir zunächst konkret erreichen können, ist eine neu ausgerichtete Arbeitsmarktpolitik mit einer sozial orientierter Beschäftigung statt Langzeitarbeitslosigkeit.

Was Sie vorschlagen, ist so neu nicht: Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Ein-Euro-Jobs, der öffentliche Beschäftigungssektor ÖBS, den es bis 2011 in Berlin gab – bei all diesen Maßnahmen ging es und geht es darum, Langzeitarbeitslose in gemeinnützige Jobs zu bringen.

Ja, wir hatten zu anderen Zeiten verschiedene Beschäftigungsmaßnahmen. Jetzt wollen wir unter Berücksichtigung dieser Erfahrungen einen anderen, besseren Weg versuchen. Zum Beispiel wissen wir, dass es ein Problem ist, öffentliche Jobs auf wenige Monate oder auch maximal ein oder zwei Jahre zu befristen. Da sehen die Menschen keine Perspektive für sich. Deshalb sage ich, wir brauchen unbefristete Arbeitsverträge.

Das wäre für die Erwerbslosen tatsächlich eine deutliche Verbesserung. Aber was, wenn in fünf Jahren doch kein Geld mehr in der Kasse ist, die Leute aber unbefristete Verträge haben?

Ob ABM-Stellen, der Öffentliche Beschäftigungssektor in Berlin oder jetzt das Solidarische Grundeinkommen: Nichts ist für die Ewigkeit. Das Wesen von Politik ist aber, auf neue Anforderungen zu reagieren. Natürlich haben wir den Anspruch, dass Menschen eine Tätigkeit auf dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt finden. Weil das aber trotz boomender Wirtschaft nicht für alle gelingt, sage ich: Wir müssen den Leuten eine Perspektive bieten. Auch, damit sie sich aus der öffentlichen Beschäftigung heraus bewerben und andere Stellen – auch auf dem ersten Arbeitsmarkt – finden. Dazu gehört im Übrigen auch, wenn sie sich in den kommunalen Unternehmen beruflich weiter entwickeln.

Wenn die Arbeitsbedingungen so gut sind, warum sollten sie sich weg bewerben?

 

Quelle     :          TAZ         >>>>>          weiterlesen

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Grafikquelle    :

Oben     —       Michael Müller, Landesvorsitzender der SPD Berlin, Fraktionsvorsitzender im Abgeodnetenhaus von Berlin

SPD-Fraktion des Abgeordnetenhauses von Berlin
Author Ulrich Horb
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Foto: Ulrich Horb, Genehmigung durch die Pressestelle in der SPD-Fraktion des Abgeordnetenhauses von Berlin

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Lügen HABEN KURZE BEINE. >>Ich stehe dafür, daß die Renten steigen wie die Nettoeinkommen.<< Gerhard Schröder, 17. Februar 1999 Abbildung: Porträtfoto Plakatart: Kandidaten-/Personenplakat mit Porträt Auftraggeber: CDU-Bundesgeschäftsstelle, Hauptabteilung Öffentlichkeitsarbeit, Bonn Objekt-Signatur: 10-025 : 311 Bestand: Wandzeitungen (10-025) GliederungBestand10-18: CDU-Bundesgeschäftsstelle Lizenz: KAS/ACDP 10-025 : 311 CC-BY-SA 3.0 DE

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