Merkels Flüchtlingspolitik
Erstellt von DL-Redaktion am Freitag 22. Januar 2016
Yes, we can‘t – but we dont want
von Jagoda Marinić
Souveräne Flüchtlingspolitik statt Abwehr, gelassene Macht statt Hysterie: Mit jedem Tag habe ich mehr Angst vor einer Zukunft ohne Merkel.
Nie hätte ich gedacht, dass ich eines Tages einen Text schreiben würde, in dem Merkel gut wegkommt. Aber so ist das eben heutzutage, man kann sich nicht einmal mehr auf sich selbst mit Sicherheit verlassen.
Merkel, das war für mich immer die mächtigste Frau Europas, die es schaffte, bei jeder Neujahrsrede den Eindruck zu erwecken, schon so ein Dreieck aus ihren Händen zu falten sei eine größere Herausforderung für sie.
Das erste Mal beeindruckt hat sie mich bei einer Veranstaltung im Deutschen Theater. Den Anlass weiß ich nicht mehr, dieser langhaarige Pop-Geiger hat gespielt und Johannes B. Kerner hat moderiert, es hätte also alles Mögliche sein können.
Als ich ging, ging zufällig auch Merkel. Ich sah sie vor ihrem Dienstwagen stehen, von Männern umringt. Obwohl sie kleiner war als die meisten, sah sie auf die Herren herab. Gelassene Macht. Und weil ich damals nicht wusste, wofür diese Frau wirklich steht, hatte ich einen kurzen Moment lang Angst vor einer Zukunft mit ihr.
Gebeugt, ratlos und klein
Vor bald zehn Jahren war das. Heute kriege ich mit jedem Tag mehr Angst vor einer Zukunft ohne sie. Jetzt, da sie endlich tut, was man immer von ihr gefordert hat, nämlich Haltung zeigen, gerät ihre mächtige Gelassenheit ins Wanken. Das Gute: Merkels Leidenschaft kommt zum Vorschein. Das Schlechte: Seit ihrer Standhaftigkeit in Sachen Flüchtlingspolitik sieht man Merkel immer wieder gebeugt, ratlos und klein – den Gipfel dieser Bildsprache erreichte Seehofer mit seiner Rede auf dem CSU-Parteitag: Da stand sie neben ihm wie ein gescholtenes Kind. Demontieren sieht genau so aus.
Anfang Oktober letzten Jahres, als viele noch auf den Bahnhöfen klatschten, stellten sich de Maizière und Schäuble zunächst gegen die Staatschefin. Ich dachte gleich an diesen Moment vor dem Dienstwagen zurück; es wird nicht leicht gewesen sein für diese Alphatiere, Merkel an sich vorbeiziehen zu sehen. De Maizière und Schäuble hat sie wieder eingefangen. Doch das Wahlvolk kippt jetzt um. Nicht die vielbeschworene Stimmung kippt, sondern ein Volk verliert seine Haltung, weil es jenen glaubt, die behaupten, man könne sich in einer globalisierten Welt seine Probleme aussuchen.
Quelle: TAZ >>>>> weiterlesen
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Fotoquelle: Wikipedia – Urheber Raimond Spekking –/–
Samstag 23. Januar 2016 um 16:03
Mir kommen gleich die Tränen.