Meine Wut und ich
Erstellt von DL-Redaktion am Sonntag 14. November 2010
Deutsch oder Nichtdeutsch scheint die Frage ?
Und auf einmal bist du „Migrant“. Diese Festellung durfte auch der Schriftsteller Nicol Ljubic machen. Die fruchtlose Debatte um Thilo Sarazzin hat hat bei vielen Menschen tiefe Spuren hinterlassen. IE
Vor Kurzem erst saß ich in einem freundlichen, hellen Tagungsraum einer christlichen Akademie. Hinter einer Glasfront: Wald, Wiesen und ein paar Kühe. Hier, dachte ich, sei ich geschützt vor den Ausläufern des Tiefs Sarrazin, das Deutschland schon seit Wochen beherrscht.
Es saßen literaturinteressierte Menschen im Raum. Thema der Tagung: „Deutschsprachige Gegenwartsliteratur und Globalisierung“. Ich war als Autor geladen. Es war auch nicht das erste Mal, dass ich aus meinem Roman las, in dem der Bosnienkrieg eine Rolle spielt, und mit den Zuhörern ins Gespräch kam. Ich weiß mittlerweile, worauf ich gefasst sein muss. Und trotzdem: An diesem Tag in der Akademie war etwas passiert, mit mir war etwas passiert, was mich selbst überraschte, und das hatte mit diesem Orkan zu tun, der draußen im Land tobte. Ich spürte zum ersten Mal Wut in mir.
Dazu muss man ein paar Dinge über mich wissen. Ich bin im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft, und zwar vom ersten Tag meines Lebens an. Meine Mutter war schon immer Deutsche, mein Vater seit 1971, als er für 750 Mark seine Einbürgerungsurkunde bekam. Jahre zuvor war er aus dem damaligen Jugoslawien über Italien, Frankreich nach Deutschland geflohen, ohne Papiere, mit siebzehn, als gelernter Autoelektriker. Damals, als die Welt noch in zwei Blöcke geteilt war, musste man kein Dissident sein, um politisches Asyl zu bekommen, da reichte schon der Wunsch nach einem besseren Leben. Auf die Frage der französischen Behörden, warum er nach Frankreich gekommen sei, schrieb mein Vater: „Dies ist ein entwickeltes Land, und ich hoffe, dass Sie mir erlauben, auch hier bleiben zu können.“ Er lernte dann aber ein deutsches Au-pair-Mädchen kennen, und zusammen suchten sie ihr Glück in Deutschland.
Quelle: TAZ >>>>> weiterlesen
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Notes | Person shown at Johann-Baptist Lampi is Katharina II.(Catherine II of Russia), born in Stettin Person shown at Bundesarchiv B 145 (…) is Konrad Adenauer, Bundeskanzler/Chancellor of Germany |
Sonntag 14. November 2010 um 12:24
Ich kann diesen Autor nur zu gut verstehen. Wenn ich an all diese Kowalschik, Kowallewskis, usw., usw. denke die sich heute als Deutsche begreifen. Menschen die vor erst zwei Generationen hier Arbeit und Wohnung gefunden haben. Ich empfehle allen Deutschen sich einmal mit ihrer eigenen Familiengeschichte zu beschäftigen. Viele werden sich erschrecken wie „DEUTSCH“ sie wirklich sind.
Aber das erstaunliche ist eigentlich, niemand in der Bevölkerung stört sich in der Öffentlichkeit an dererlei Namen. Sie gehören zu uns, zu unserer Geschichte, zu unserem Staat. Und das ist gut so. Nicht der Name macht den Menschen aus. Wir alle, damit meine ich auch die Leser der DL könnten sicherlich noch soviel mehr zu diesen Auswüchsen schreiben. Arbeiten wir lieber in unserem Umfeld dagegen.