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Transparenz bei Politiker

Erstellt von DL-Redaktion am Freitag 28. Januar 2022

Auf der Honorarliste der Pharmaindustrie

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Von Klaus-Peter Görlitzer

Um ihre Produkte auf den Markt zu bringen, nehmen Pharmaunternehmen viel Geld in die Hand. Zwar werden die Summen veröffentlicht, doch bei der Frage, wer davon profitiert, gibt es kaum Transparenz.

Im Gesundheitswesen gibt es viel Geld zu verteilen, das gilt auch bei Kooperationen zwischen Medizin, Wissenschaft und Industrie. 2020 zahlten umsatzstarke Pharmafirmen rund 558 Millionen Euro hierzulande an medizinische Institutionen, Ärzt*innen, Apo­the­ke­r*in­nen und weitere Fachberufler*innen. So bilanziert es die Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e. V. (FSA), ein Verein von 55 großen Unternehmen, die rund 75 Prozent des deutschen Pharmamarktes repräsentieren, darunter Hersteller wie AbbVie, AstraZeneca, Bayer, GlaxoSmithKline, Grünenthal, Merck, Novartis, Pfizer, Roche, Sanofi-Aventis, Takeda.

Laut FSA flossen 408,2 Millionen Euro für klinische Studien und Anwendungsbeobachtungen zugelassener Medikamente; 55,8 Millionen Euro gingen an Personen für Fortbildungen und Vorträge, und 93,7 Millionen Euro gaben die Pharmafirmen aus, um Veranstaltungen und Kongresse sowie die Arbeit medizinischer Institutionen zu unterstützen.

Im Prinzip veröffentlichen die Unternehmen seit dem Jahr 2015 auch die Namen der von ihnen bezahlten Ärz­t*in­nen – auf der Webseite www.fsa-pharma.de steht eine „Transparenzliste“ mit FSA-Mitgliedsfirmen; klickt man auf die Namen der Unternehmen, erreicht man direkt deren Seiten mit Offenlegungen finanzieller Zuwendungen.

Anspruch auf Vollständigkeit erhebt der FSA aber nicht. Denn genannt werden nur Namen derjenigen Geldnehmer*innen, die einer Veröffentlichung freiwillig zugestimmt haben. Das passiert eher selten, 2020 erklärten sich laut FSA „rund 20 Prozent“ mit der „individualisierten Nennung von Leistungsbezügen“ einverstanden, 2019 waren es 19 Prozent.

Die mangelnde persönliche Transparenz ihrer ärztlichen Ko­ope­ra­ti­ons­part­ne­r*in­nen findet die Pharmaselbstkontrolle offenbar auch nicht gut. Jedenfalls versicherte der Verein im Juli 2021 einmal mehr: „Der FSA und seine Mitgliedsunternehmen werden sich weiterhin dafür einsetzen, Ärztinnen und Ärzte zu überzeugen, einer individualisierten Veröffentlichung zuzustimmen.“

Das klingt redlich bemüht, blendet jedoch denkbare Alternativen aus: Jedem Arzneimittelhersteller steht es ja frei, Me­di­zi­ne­r*in­nen und Pro­fes­so­r*in­nen nur dann für Studien, Vorträge, Gutachten etc. zu bezahlen, wenn diese sich bereit erklären, dass ihr Name sowie Honorar und Angaben zu ihrer Dienstleistung später publiziert werden. So lange dies nicht regelmäßig geschieht, ist die Selbstverpflichtung der FSA-Firmen ein Muster, das in der Praxis ganz überwiegend ohne Transparenzwert ist.

Für mehr Verbindlichkeit und detaillierteren Durchblick könnte der Gesetzgeber selbst sorgen; eine Andeutung dazu gibt es tatsächlich im Koalitionsvertrag der politischen Ampel. Im Abschnitt zum Thema „Versorgung mit Arzneimitteln und Impfstoffen“ formulieren SPD, Grüne und FDP zunächst diese Ankündigung: „Wir ergreifen Maßnahmen, um die Herstellung von Arzneimitteln inklusive der Wirk- und Hilfsstoffproduktion nach Deutschland oder in die EU zurück zu verlagern.“ Im selben Abschnitt steht am Ende aber auch dieser Satz: „Um Interessenkonflikte zu vermeiden, schaffen wir mehr Transparenz über finanzielle Zuwendungen an Leistungs- und Hilfsmittelerbringer.“

Was genau wann verbindlich passieren soll, ob und welche gesetzliche Regelungen geplant sind – das alles lässt der Koalitionsvertrag allerdings offen.

Interessenkonflikte können unter anderem entstehen,wenn Ärz­t*in­nen und Wis­sen­schaft­le­r*in­nen für Hersteller von Arzneien und Medizinprodukten bezahlte Leistungen erbringen, etwa im Rahmen klinischer Auftragsstudien, mit Gutachten oder Vorträgen bei Ärztefortbildungen. Oder wenn sie Unternehmen beraten, deren Produkte sie auch wissenschaftlich bewerten oder verschreiben. Oder falls sie selbst Patente auf pharmazeutische und medizintechnische Erfindungen halten, womöglich auch Aktien einschlägiger Firmen besitzen.

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Bei solch schweren Verläufen fragen Sie bei DR. Professor Lauterbach oder bei Lindner an.

Orientieren könnten sich Bundesregierung und Bundestag zum Beispiel an den Vorschlägen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ). Die fordert seit Jahren eine „gesetzliche Verpflichtung“ mit dem Ziel, finanzielle Beziehungen von Ärz­t*in­nen zu Pharma- und Medizinprodukteherstellern öffentlich nachvollziehbar zu machen. Die gezahlten Gelder müssten in einer Onlinedatenbank publiziert und „durch geeignete und unabhängige Hintergrundinformationen“ ergänzt werden – einsehbar für alle, die es interessiert.

Ideen für mehr verbind­liche Transparenz fanden im Bundestag bisher kaum Rückhalt

Nachzulesen ist diese Idee auch in einer mit der Bundesärztekammer abgestimmten AkdÄ-Stellungnahme, veröffentlicht im Februar 2019 im Deutschen Ärzteblatt. Zum praktischen Nutzen schreibt die AkdÄ: „Insbesondere Patientinnen und Patienten würden durch die Einführung einer gesetzlichen Transparenzverpflichtung Gelegenheit bekommen, sich schnell und zuverlässig zu Interessenkonflikten ihrer behandelnden Ärzte zu informieren.“

Interessenkonflikte sind nach Einschätzung der AkdÄ „nicht per se schlecht oder verwerflich“. Problematisch sei aber das „beeinflusste bzw. verzerrte Urteilsvermögen oder Handeln (‚bias‘) derjenigen, die Interessenkonflikte haben“. Ein Arzt, der nach Besuch einer gesponserten Fortbildung Produkte der einladenden Firma bevorzugt verschreibe, obwohl andere Präparate womöglich wirkungsvoller, sicherer oder preisgünstiger seien, „kann der einzelnen Patientin/dem einzelnen Patienten Schaden zufügen“, gibt die AkdÄ zu bedenken.

Quelle       :          TAZ-online          >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —       Outside Drug Mart Pharmacy, eine unabhängige Drogerie in South Plainfield, New Jersey

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