Maria 2.0 wird scheitern
Erstellt von Redaktion am Samstag 28. September 2019
– aber auf christliche Weise
Von Philipp Gessler
Scheitern ist kein Problem im Christentum, zumindest kein größeres. Zur Erinnerung für den religiös unmusikalischen Teil der taz-Leserschaft: Jesus von Nazareth, auf den sich das Christentum bekanntlich beruft, endete als verschmähter Aufrührer im römischen Palästina der Zeitenwende am Kreuz, öffentlich zu Tode gefoltert – auf den ersten Blick nicht unbedingt der Messias und König, auf den das jüdische Volk so sehnlichst wartete.
Nun, die wenigen Anhängerinnen und Anhänger des so offensichtlich gescheiterten Wanderrabbis betonten, dass er nach drei Tagen auferstanden und ihnen noch leibhaftig, samt Kreuzesnarben, begegnet sei – das Ganze also kein wirkliches Scheitern war. Aber das überzeugte halt nur sie. Immerhin ist die Anhängerschaft Jesu seitdem beachtlich gestiegen: Weltweit sind es rund 2,2 Milliarden Menschen, allein in Deutschland über 40 Millionen.
Diese Definition von Scheitern sollte man im Kopf haben, wenn man sich die Initiative Maria 2.0 anschaut. Sie vereint in den deutschsprachigen Ländern Hunderte, wenn nicht Tausende Katholikinnen. Ihre Forderung: Zugang von Frauen zu allen Weiheämtern, wie das im katholischen Duktus heißt, also: das Frauenpriestertum. Dazu eine wirkliche Aufarbeitung des Mega-Skandals der sexualisierten Gewalt im Raum der katholischen Kirche. Schließlich das Ende des Pflichtzölibats, also der Ehelosigkeit katholischer Priester.
Die Mittel der „Maria 2.0“-Aktivistinnen (nur fürs Protokoll: Es sind auch ein paar Männer dabei): Sie verweigern ihren Dienst in der Kirche, also zum Beispiel das ehrenamtliche Schmücken des Altars, das Putzen der Kirche oder die Kinderbetreuung in den Gemeinderäumen. Auf Deutsch gesagt: Sie haben keinen Bock mehr, die Drecksarbeit zu machen, während nur Männer alle Macht behalten und in der Öffentlichkeit glänzen können, ja allein berechtigt sind, das Zentrum der katholischen Frömmigkeit, die Eucharistie, zu feiern.
Jetzt die Steile These: Maria 2.0 wird scheitern – aber auf christliche, genauer: katholische Art und Weise. Das bedeutet: am Ende eigentlich nicht.
Es ist nicht zu erwarten, dass die katholischen Bischöfe in Deutschland, der Papst in Rom oder gar ein weltweites Konzil zu Lebzeiten der „Maria 2.0“-Aktivistinnen das Frauenpriestertum einführen. Die deutschen Katholiken dürften das gar nicht allein, aber vor allem sind dafür die Beharrungskräfte in der Weltkirche noch viel zu stark, und das nicht unbedingt nur im Vatikan. Man frage zum Beispiel einmal polnische oder afrikanische Bischöfe, was sie vom Frauenpriestertum (und von der Homo-Ehe) halten.
Aber eines Tages wird es das Frauenpriestertum auch in der katholischen Kirche geben, vielleicht zu der Zeit, wenn wir auch den Mars besiedelt haben. Ob dann aber die katholische Kirche noch eine Rolle spielt, ist nicht ausgemacht. Die Mehrheit der Frauen wird sie bis dahin wahrscheinlich verloren haben.
Die meisten Frauen, die sich bei Maria 2.0 engagieren, dürften ähnlich denken – aber ihr Handeln ist dennoch aller Ehren wert, ja dringend nötig. Denn sie halten das Thema, genauer: den Skandal der offensichtlichen Diskriminierung der Hälfte der katholischen Christenheit in der Öffentlichkeit. Sie benennen es als das, was es ist, nämlich eine weder biblisch, noch historisch, noch theologisch zu begründende Idiotie, Schweinerei und Herzlosigkeit.
Jesus hat sich nie, auch nicht mit einer Silbe oder einer irgendwie so zu interpretierenden Aussage, gegen das Frauenpriestertum ausgesprochen. Im Gegenteil war sein Umgang mit Frauen seiner Zeit weit voraus. In den ersten Jahrzehnten des Christentums gab es Apostelinnen, unter anderem Maria Magdalena, und Gemeindevorsteher*innen – und aus diesem Kreis entstand später das Priestertum der christlichen Kirche. Auch theologisch ist die Argumentation, die das Priestertum nur Männern zubilligt, im besten Fall abenteuerlich, in der Regel aber schlicht absurd. (Eine solch irrwitzige „Argumentation“ lieferte jüngst etwa der emeritierte katholische Dogmatik-Professor Karl-Heinz Menke aus Bonn.)
Quelle : TAZ >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Demonstration der Initiative „Maria 2.0“ nach einer Priesterweihe im Freiburger Münster. Sie kämpft dafür, dass Frauen ALLE Ämter in der römisch-katholischen Kirche bekleiden können.…