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Macht kaufen mit Waffen

Erstellt von DL-Redaktion am Samstag 5. März 2022

Die Macht Architektur der Ampel in Kriegszeiten

Der deutsche Kampfpanzer Leopard 2A5

Von Stefan Reinecke, Anna Lehmann und Tobias Schulze

Mit der Ankündigung von 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr überrumpelt Olaf Scholz Teile der eigenen Fraktion und auch die Grünen. Ist der Basta-Politikstil ins Kanzleramt zurückgekehrt?

Rolf Mützenich hielt am Sonntag die wohl schwierigste Rede seines Lebens. Niemand steht in der SPD so für Abrüstung, Entspannungspolitik und rationale Kooperation auch mit autoritären Regimen wie der 62-jährige Fraktionsvorsitzende. Doch mit dem russischen Überfall scheint all das ausradiert zu sein. Putins Krieg, sagt Mützenich bei der Sondersitzung des Bundestages, sei „schmerzhaft und bitter“, auch für ihn, der bis „zum Schluss alle diplomatischen Mittel nutzen wollte“. Künftige Generationen, sagt er, „werden uns verurteilen, weil wir keine bessere Welt“ hinterlassen haben. Es klingt fast wie eine Abschiedsrede.

Die Ampel hat nun andere Pläne. 100 Milliarden Euro werden in die Aufrüstung gesteckt, so die Ansage des Bundeskanzlers. Damit hat Olaf Scholz die eigene Fraktion und auch die Grünen überrumpelt. Rolf Mützenich erfuhr von dem Plan, gemeinsam mit der Union per Grundgesetzänderung und Sondervermögen 100 Milliarden Euro lockerzumachen, erst kurz vor Scholz’ Regierungserklärung. Die Grünen verbreiten, dass noch nicht mal ihre eigenen Kabinettsmitglieder von der Summe wussten.

Der Stil ist die Botschaft. Scholz hat zwei Jahre akribisch darauf geachtet, die SPD-Linke mit einzubinden. Alle für Scholz, Scholz für alle, das war ein Rezept für den SPD-Wahlsieg. Und auch in der Dreierkoalition mit ihrer fragilen Balance hat der Kanzler auf Empfindlichkeiten geachtet. Nach knapp 90 Tagen Ampel scheint das nicht mehr zu gelten. Scholz, noch vor Kurzem als unsichtbar verspottet, regiert top-down – friss oder stirb, wie zu Zeiten Gerhard Schröders. So erscheint die Rückkehr des Basta-Kanzler-Politikstils als Kollateraleffekt des Krieges.

Als Olaf Scholz verkündete, man werde, wie von der Nato verlangt, künftig mindestens 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Militär ausgeben – also 70 statt 50 Milliarden Euro ­jährlich –, sprang die Unionsfraktion auf und applaudierte. Manch SPD-Linker fand diesen Hurra-Patriotismus befremdlich. Ein SPD-Kanzler, der von der Union bejubelt wird und die eigene Fraktion und den grünen Partner erst mal vor den Kopf stößt – ist das die Machtarchitektur der Ampel in Krisenzeiten?

In der SPD fürchten manche eine Zeitenwende, auch für die Inhalte der Koalitionspolitik. Also US-Tarnkappenjet F35 (Anschaffungskosten: 110 Millionen Euro pro Stück) statt sozialem Wohnungsbau. Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, glaubt, dass man die 100 Milliarden „in den nächsten vier, fünf Jahren gut ausgeben“ kann. Und er schließt nicht aus, dass zusätzlich im Haushalt noch mehr Geld für Verteidigungsausgaben bereitgestellt wird. Dann könnten auch sozial­politische Vorzeigeprojekte wie Bürgergeld oder Kindergrundsicherung wanken. Die stehen zwar fix im Koalitionsvertrag – aber ohne Preisschild. Es wäre der Albtraum der Jusos, die immerhin ein Viertel der SPD-Fraktion stellen.

Eine quälende Frage, die sich auch Rolf Mützenich stellt, lautet: Was ist schiefgelaufen in der deutschen Russlandpolitik? Hätte Berlin das Desaster verhindern können? Hat man Putins Angriff unfreiwillig durch Nord Stream 2 und zu viel Sanftmut befördert? Das Konzept „Wandel durch Handel“, der Versuch, das Gewaltrisiko durch wechselseitige Abhängigkeiten mit autoritären Regimen zu mindern, scheint seit dem 24. Februar obsolet geworden zu sein. „Die Zeiten werden rauer, härter und kälter“ sagt Nils Schmid.

Der Wechsel beginnt. Vorstellung des Grün-Roten Koalitionsvertrags (2).jpg

Das war sicher der richtige Lehrer – für eine Punktlandung

„Die Zeiten werden rauer, härter und kälter“

NILS SCHMID, AUSSENPOLITISCHER SPRECHER DER SPD-BUNDESTAGSFRAKTIO

Michael Roth, als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses der einflussreichste SPD-Außenpolitiker, meint, dass die russischen Raketen auf Kiew ein politisches Konzept in Schutt und Asche gelegt haben: „Es war ein Trugschluss, zu glauben, dass wirtschaftliche Verflechtungen zu mehr Stabilität und Frieden führen.“ Das Sinnbild für das moralische Desaster dieser Strategie in Sachen Russland ist ausgerechnet ein SPD-Mann: Ex-Kanzler Gerhard Schröder. Der hat als Gazprom-Lobbyist Nord Stream 2 unterstützt und klammert sich nun, fast eine tragische Figur, stur an seinen Aufsichtsratsposten bei russischen Konzernen.

Was also ist schiefgelaufen? Die Erzählung, dass Deutschland es versäumt habe, nach 2001, als Wladimir Putin noch im Bundestag umjubelt wurde, auf Russland zuzugehen, und dass überhaupt die Nato-Osterweiterung falsch war – sie hat in der SPD kaum noch Fürsprecher. Roth, der schon lange mehr Distanz zu Moskau forderte, glaubt vielmehr, dass der Westen zu weich war. Als Putin 2014 die Krim besetzte, seien die Sanktionen zu lasch gewesen, sagt er: „Hätte man damals schärfer und weitreichender gehandelt, dann hätte man Schlimmeres verhindern können.“

Natürlich will auch Michael Roth am Grundprinzip der friedlichen Konfliktlösung festhalten. Doch Abschreckung und Wehrhaftigkeit müssten nun größer geschrieben werden. So sieht es auch Siemtje Möller, Sprecherin des Seeheimer Kreises und Staatssekretärin im Verteidigungsministerium. Nach Putins „eklatantem Bruch des Völkerrechts“ müsse Berlin nun „Bündnisverteidigung und Abschreckung stärken“. Aber, das betont auch die SPD-Rechte, wir müssen „gleichzeitig auf Dialog, internationale Organisationen und friedliche Konfliktlösung setzen“.

Im Grunde ist das die alte Nato-Formel: Härte und Dialog. Trotz aller Zeitenwende will die SPD nicht den Eindruck erwecken, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Man redet nicht von einer Aufrüstung der Bundeswehr, sondern lieber von einer besseren ­Ausrüstung. SPD-Chefin Saskia Esken behauptet: „Die SPD bleibt Friedens­partei.“

Der Aufstand in der SPD-Fraktion, der sich am Montag zart angedeutet hatte, bleibt aus. Bei der digitalen Fraktionssitzung am Dienstag nimmt Olaf Scholz Kritikern den Wind aus den Segeln. Er habe den Weg über das Sondervermögen ja extra gewählt, um genug Geld für den klimaneutralen Umbau und Wohnungsbau zu haben, so die Botschaft. Scharfe Nachfragen gibt es nicht. Kein Riss, nirgends. Scholz habe mit einer emotionalen Rede und einer Art Regierungserklärung nach innen die Fraktion mitgenommen, heißt es lobend.

Quelle       :     TAZ-online           >>>>>         weiterlesen

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