Erstellt von Redaktion am Freitag 6. August 2021
Die Stellschrauben drehen durch
„Wenn das Holz aber schon faul ist, oh Henry …. „
Im Wahlkampf erwecken die Parteien den Eindruck, es wären nur kleine Änderungen nötig – im Prinzip könne aber alles weitergehen wie immer. Das ist allzu bequem.
Klatsch macht Spaß, fast allen, fast immer. Deshalb ist die Klage darüber, dass in Wahlkämpfen zu viel über Personalien und zu wenig über Sachthemen geredet wird, nicht nur alt, sondern auch ein wenig scheinheilig.
Worüber redet ihr denn ausführlicher in der Kneipe, liebe Kolleginnen und Kollegen – über das Binnenverhältnis zwischen Annalena Baerbock und Robert Habeck oder über Steuerkonzepte? Über die Tatsache, dass Markus Söder seine Niederlage im Kampf um die Kanzlerkandidatur noch immer nicht verwunden hat und Armin Laschet mit der Aufgabe überfordert zu sein scheint oder über den CO₂-Preis?
Ja, genau. Warum sollten Leute, die nicht hauptberuflich mit Politik befasst sind, sich anders verhalten?
Wenn jetzt eine »Amerikanisierung« des Wahlkampfs beklagt wird, die mit der Konzentration auf das Spitzenpersonal unserem System zuwiderlaufe – Kanzler oder Kanzlerin werden eben im Unterschied zum US-Präsidenten nicht von der Bevölkerung, sondern vom Parlament gewählt –, dann zeugt das von einem kurzen Gedächtnis. Als ob Willy Brandt oder Franz Josef Strauß als Kanzlerkandidaten seinerzeit keine zugespitzten, hitzigen Personaldebatten ausgelöst hätten.
Und dennoch bestanden tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten zwischen den verschiedenen politischen Lagern trotz und neben Auseinandersetzungen über Personalien fort. Bekanntes Stichwort: die Ostpolitik. Der Streit darüber war auch nach dem Rücktritt von Willy Brandt als Bundeskanzler noch lange nicht vorbei.
An diesem Mechanismus hat sich bis heute nichts geändert, obwohl die Bindung an die einzelnen Parteien schwächer geworden ist. Der Kampf gegen den Klimawandel, Grundrechtseinschränkungen im Zusammenhang mit der Seuchenbekämpfung: Wie derlei Themen beurteilt werden, ist zwar bei der Wahlentscheidung nicht ganz unabhängig von der Einschätzung des Spitzenpersonals, die ist aber auch nicht das allein ausschlaggebende Kriterium.
Den Parteien fehlt es an festen Gerüsten, in die sich Themen einfügen, die nur selten für Schlagzeilen sorgen.
Wäre es anders, dann hätte der derzeit populäre Olaf Scholz gute Chancen, ins Kanzleramt einzuziehen. Da jedoch seine SPD weniger beliebt ist als er selbst und ihr zündendes Thema bisher nicht gefunden hat, ist die Lage für ihn eben nicht so rosig.
Selbstverständlich haben es Sozialdemokraten besonders schwer, bekanntlich in vielen europäischen Ländern. Unter der Tatsache, dass die Verankerung von Parteien in bestimmten Milieus abgenommen hat, haben naturgemäß diejenigen am meisten zu leiden, denen Grundsatzprogramme früher besonders wichtig waren. Die Situation wird nicht dadurch einfacher, dass die Systemfrage in westlichen Demokratien seit dem Ende der bipolaren Welt nicht mehr Gegenstand politischer Kontroversen ist.
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Grafikquellen :
Oben — Verbindung zweier Hölzer mit Distanzschraube, Schrauben-Durchmesser 6 und 10 mm
Erstellt am Freitag 6. August 2021 um 13:01 und abgelegt unter Deutschland_DE, P. DIE LINKE, P.Die Grünen, Regierung.
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