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Lügen über Katalysatoren

Erstellt von Redaktion am Mittwoch 28. Dezember 2022

Die Lüge von den wirksamen Katalysatoren

Quelle      :        INFO Sperber CH.

Esther Diener-Morscher /   

Die heutigen Katalysatoren funktionieren noch immer viel zu schlecht. Weil die Autoindustrie von laschen Vorgaben profitiert.

Marc Gonin fährt jeden Morgen mit dem Velo durch zwei Wohnquartiere zur Arbeit. Ihm fällt dabei jedes Mal auf, dass es in den Quartieren viel mehr nach Abgasen stinkt als in der Thuner Innenstadt. Nun ist Marc Gonin nicht nur Velofahrer, sondern auch Physiker und Chef der Thuner Firma Tofwerk. Diese stellt Geräte her, die Luftverschmutzungswerte messen. Deshalb ging er den Ursachen für seine Sinneseindrücke mit wissenschaftlichen Methoden auf den Grund.

Geräte messen im Sekundentakt

In einem Gastbeitrag im Velojournal zeigte er, wie es um die Luftqualität in Thun bestellt ist. Eine Besonderheit seiner Messstation ist, dass sie nicht nur Durchschnittswerte über eine Viertelstunde liefert, sondern die Luftqualität im Sekundentakt messen kann. Das Gerät zeigte einzelne, sehr hohe Schadstoffspitzen, die bis das Zwanzigfache der Durchschnittswerte betrugen. Die Luftverschmutzung sei wie Lärm neben einem Schiessstand, kurze aber unglaublich intensive Ereignisse, kommentierte Gonin die gemessenen Werte.

Er fragte sich, warum das so ist und kam zum Schluss: Die Abgasbelastung stammt weitgehend von einzelnen «Stinker»-Autos, welche kurzfristig ein Hundertfaches der Immissionen eines normalen Autos produzieren. Seine Analyse an zwei Messstellen zeigte auch: Je weniger lang die Autos bereits unterwegs waren, umso mehr schädliche Stoffe stiessen sie aus.

Gonin geht davon aus, dass die Schadstoffspitzen, die er mit seinem Gerät gemessen hat und die er mit seiner Nase jeweils morgens im Quartier auch riecht, von kalten oder von kaputten Katalysatoren herrühren. Wissenschaftliche Untersuchungen geben Marc Gonin recht.

«Nur ein heisser Kat ist ein guter Kat»: Das haben zum Beispiel Viola Papetti und Panayotis Dimopoulos Eggenschwiler von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) schon vor drei Jahren gezeigt.

In den ersten drei Minuten sind Autos unglaubliche Dreckschleudern

Bei einem Kaltstart bläst der Motor heisse Verbrennungsgase in den kalten Katalysator. Dieser muss sich aber erst aufwärmen, damit er seine chemische Reinigungswirkung entfalten kann. Solange er kalt ist, entweichen Kohlenmonoxid (CO), Stickoxide (NOx) und unverbrannte Kohlenwasserstoffe ungehindert an die Aussenluft. Die guten Emissionswerte erreichen auch moderne Fahrzeuge erst bei warmem Katalysator. Die Unterschiede sind drastisch: Bei Minus-Temperaturen stösst ein Fahrzeug in den ersten drei Minuten nach dem Kaltstart mehr Schadstoffe aus als bei einer 1000 Kilometer langen Fahrt mit betriebswarmem Motor.

Ausgerechnet die als umweltfreundlicher geltenden Hybridautos können sogar besonders viele giftige Schadstoffe absondern. Denn in der Stadt schalten sie besonders oft zwischen Elektro- und Verbrennungsmotor um. Im Elektrobetrieb kühlt der Katalysator immer wieder ab. Startet der Verbrennungsmotor danach wieder, strömen Abgase teils ungereinigt durch den Katalysator.

Den Katalysator vorzuwärmen, wäre einfach

Es gäbe eine Lösung für das Kaltstartproblem, das die Luft vor allem in Städten und bei kalten Aussentemperaturen stark belastet.

Das Empa-Forschungsteam mit Pananyotis Dimopoulos Eggenschwiler hat eine wirksame Vorheizung für Katalysatoren entwickelt. Sobald die Autotür geöffnet wird, heizt Mikrowellenstrahlung den Katalysator auf. Die dazu nötige Leistung von einem Kilowatt kommt aus der Autobatterie.

Kaltstart-Emissionen könnten somit längst Geschichte sein. Doch solche Verbesserungen der Katalysator-Wirkung kosten etwas. Viele Autohersteller begnügen sich deshalb damit, den Katalysator möglich nahe am Motor zu platzieren, damit er schneller aufgewärmt wird.

Wirksamere Massnahmen sind für die gesetzlich vorgeschriebenen Abgasmessungen nicht nötig, weil die Testbedingungen derzeit noch zu wenig streng sind. Der «Kaltstart» wird bei einer Umgebungstemperatur von 23 Grad durchgeführt.

Damit die Hersteller auf Katalysatoren umstellen, die ihre Wirkung schneller entfalten, bräuchte es strengere Abgasvorschriften. Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) setzt sich zwar gemäss eigenen Angaben «für strengere Kaltstart-Vorgaben ein, die den Temperaturen in unserem Land gerecht werden» – vorgesehen ist unter anderem auch ein Kaltstart bei minus 7 Grad –, doch bis solche Vorschriften kommen, dauert es noch mindestens bis 2025. Mindestens. Denn einflussreiche Organisationen, wie der deutsche Verband der Automobilindustrie (VDA), haben bereits Opposition gegen «die unrealistischen Extrem-Ziele» angekündet. Der Verband prophezeit «signifikante Preiserhöhungen», während die EU-Kommission abwiegelt und die Mehrkosten pro Fahrzeug auf 80 bis 180 Euro schätzt.

Die Schweiz wartet nun ab, was die EU dereinst beschliesst. Hierzulande gab es bis 1995 zwar eigene und im Vergleich mit anderen Ländern viel strengere Abgasgrenzwerte. Diese hatten denn auch zur Folge, dass sich der Katalysator in der Schweiz früher als anderswo etablierte. Seit 1995 sind die Abgasvorschriften aber vollständig mit denjenigen der EU harmonisiert.

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Grafikquellen        :

Oben      —    Abgase eines Autos

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