Lobbyisten unter uns
Erstellt von DL-Redaktion am Montag 29. März 2010
Die Normalität der Käuflichkeit
Manipulatives
In unserem letzten Artikel berichteten wir über englische Abgeordnete, die ihre Einflussmöglichkeiten auf Minister und Parlamentsentscheidungen für bescheidene 5 000 Pfund am Tag verhökern. Dagegen ist aus Deutschland bekannt, dass der Kauf ganzer Fraktionen wesentlich teurer, vielleicht aber auch effektiver ist und dass Parlamentarier teils Dutzenden gewinnbringenden Nebenjobs nachgehen. Doch das Problem liegt nicht allein in diesen Auswüchsen sich bereichernder Parlamentarier oder Parteien; es liegt in den Strukturen, die diesen Missbrauch überhaupt erst möglich machen.
In England wird aufgrund der Häufigkeit der Skandale um bestechliche und sich bereichernde Parlamentarier zunehmen konsterniert auf solche Vorfälle reagiert. Und auch hierzulande hat längst eine Gewöhnung an den alltäglichen Lobbyismus stattgefunden. Wahrgenommen und öffentlich ausgeschlachtet werden dabei nur die dreistesten Auswüchse: Horrende Parteispenden aus der Privatwirtschaft werden zum Problem, wenn sich diese wirklich allzu offensichtlich auf die politische Agenda der bedachten Parteien auswirken (wie bei der Mövenpick-Partei FDP). Das Verkaufen von Gesprächen oder Fotos mit Ministerpräsidenten und Ministern (wie jüngst u.a. bei der Rüttgers-CDU) wird kritisiert, weil es derart öffentlich vonstatten geht. Zu Recht Skandale sind auch das Ausnutzen von dienstlich gesammelten Bonusmeilen für private Zwecke, die Inanspruchnahme von Fahrtdiensten im Privaturlaub oder das Profitieren bei der Vergabe von Wirtschaftsaufträgen aufgrund der eigenen Stellung. Öffentlich problematisiert werden diese Erscheinungen erst dann, wenn der Zusammenhang zwischen dem politischen Handeln einerseits und den Interessen der Spender andererseits zu offensichtlich wird oder wenn eine direkte private Vorteilsnahme eines Politikers publik wird.
Lobbyismus und Einflussnahme als Basis des Parlamentarismus
Jedoch sind die genannten Beispiele nur die offensichtlichen Spitzen eines tiefer liegenden Problems. Nur weil die grundlegend enge Kooperation, Verflechtung und Beratung der etablierten Parteien mit der Privatwirtschaft allgemein hingenommen, oder gar als nützlich angesehen wird, sind derartige Praktiken, die nur selten ihren Weg an die Öffentlichkeit finden, überhaupt erst möglich. Parteispenden von Unternehmen sind allgemein toleriert. Schlimmer noch, vielfach wird aus einer besonderen Wirtschaftsnähe, gar auf eine besondere Wirtschaftskompetenz der Parteien geschlossen. Ebenfalls bekannt und weitgehend akzeptiert sind die Beziehungen einzelner Politiker in die Privatwirtschaft. Auch hier, heißt es, können Politiker eine Nähe zur Realität behalten und die Auswirkungen ihres Handelns direkt nachprüfen. Das Sammeln von Aufsichtsratsposten und diversen anderen (lukrativen) Nebentätigkeiten von Abgeordneten (nachzulesen hier) ist demnach, sofern es transparent gemacht wird, akzeptiert.
Grundsätzliche Zweifel an der Vereinbarkeit von Privatwirtschaft und parlamentarischem Handeln
Statt der allgemeinen Sorglosigkeit wäre hingegen ein grundsätzliches Hinterfragen der benannten Praktiken notwendig: Also: Kann es überhaupt legitim und unproblematisch sein, wenn Parteien Spenden von Wirtschaftsunternehmen erhalten? Und: Inwieweit lässt sich die Tätigkeit von Abgeordneten, die nur “dem Grundgesetz und ihrem Gewissen“ verpflichtet sind, mit einer Beschäftigung in der Privatwirtschaft vereinbaren?
Dass Konzerne nicht uneigennützig sind, also wie so gern behauptet zur „politischen Landschaftspflege“ sechs- und siebenstellige Summen an die Parteien überweisen, ist offensichtlich. Wirtschaftsunternehmen verschenken kein Geld. Keine unternehmerische Tätigkeit, die nicht von Rechnungsprüfern auf ihre Plausibilität untersucht wird. Selbst soziales Engagement und Spenden sind Mittel, die als Werbeleistungen angesehen werden, deren Mehrwert sich bestimmt einstellen wird. Ganz nach dem Motto: Tue Gutes, und sprich darüber. Dass von den Parteien Gegenleistungen für das eingesetzte Kapital erwartet werden,liegt auf der Hand, auch wenn diese selten so offensichtlich zu Tage treten wie bei der Mehrwertsteuersenkung für Hoteliers. Per Parteiengesetz sind zwar Spenden verboten, „die der Partei erkennbar in Erwartung oder Gegenleistung eines bestimmten wirtschaftlichen oder politischen Vorteils gewährt werden“; tatsächlich jedoch bewirkt dieses Verbot überhaupt nichts, weil es nur auf dem Papier existiert. Hätte diese Regelung irgendeinen Einfluss, wäre die Spende der Mövenpick-Hotelgruppe an die FDP nicht möglich gewesen. Genauso wenig sinnvoll wäre die zur Debatte stehende Höchstgrenze für Parteispenden. Nichts ist leichter, als die für ein erkauftes Gesetz notwendige Gesamtsumme in beliebig viele kleinere Raten aufzuteilen.
Bei Abgeordneten, die Nebenverdienste haben, kann ebenfalls weder ausgeschlossen, noch davon ausgegangen werden, dass sie dadurch in ihrer politischen Tätigkeit nicht beeinflusst werden. Daran ändert auch das Transparenzgesetz nichts, das Abgeordnete dazu zwingt, ihre Einkünfte offen zu legen. Zum 1. März dieses Jahres haben 111 Abgeordnete des Deutschen Bundestages eine oder mehrere Nebentätigkeiten angegeben, die mit mindestens 7 000 Euro monatlich vergütet werden (eine detailliertere Angabe als „über 7000 Euro“ muss nicht gemacht werden). Diese Abgeordneten, mehrheitlich aus CDU (67) und FDP (25), können ihre gewinnträchtigen Aufsichtsrats- und sonstigen Pöstchen dann schnell als Hauptaufgabe begreifen; schließlich handelt es sich um die lukrativeren Tätigkeiten. Und nicht nur das: Ein Abgeordneter, der einem Unternehmen Vorteile bringt, kann sich seiner Weiterbeschäftigung auch nach Ausscheiden aus Bundes- oder Landtag sicher sein. Das liegt nicht nur an der Dankbarkeit für seinen Verdienst, sondern auch an seinen politischen Kontakten und Einflussmöglichkeiten, die er als Ex-Parlamentarier weiterhin ausspielen kann. Im Zweifel ist der Nebenjob also die sichere Alternative zum Mandat, das spätestens nach vier Jahren wieder futsch sein kann.
Strengere Regeln notwendig
Die in den letzten Jahren beschlossenen Transparenz-Regeln reichen bei weitem nicht aus. Defizite existieren nicht nur bei den Angaben über die Höhe der Nebeneinkünfte, sondern auch bei der Angabe über berufliche Kontakte. Abgeordnete, die in ihrem „Nebenberuf“ bspw. einer Tätigkeit als Anwalt oder Unternehmensberater nachgehen, müssen nicht offen legen, welche Auftraggeber sie haben (siehe Studie von LobbyControl). Allein die potentiellen Möglichkeiten, die sich daraus für die Abgeordnete ergeben, sollten ausreichen, diese Regelungen zu verändern. Und wenn dies, z.B. aufgrund einer anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht nicht möglich ist, muss über ein Verbot dieser Tätigkeiten parallel zu einer Abgeordneten-Tätigkeit nachgedacht werden.
Somit bleibt festzustellen, dass die Unabhängigkeit von Parteien und Abgeordneten nicht gewährleistet und vielfach nicht überprüfbar ist. Einzelne Skandale lassen die Öffentlichkeit aufhorchen, aber sonst ist die Aufmerksamkeit eher gering. Dabei ist es dringend nötig, eine Debatte zu führen, mindestens über strengere Transparenz-Regeln und Verbote von Parteispenden und Nebentätigkeiten, aber am besten über eine direkte Demokratie, die dem Begriff der „Selbstbestimmung“ der Bevölkerung auch gerecht wird.
Bleib Passiv Tipp: LobbyControl führt gemeinsam mit Campact und Transparency Internalional eine Kampagne für eine Reform der Parteienfinanzierung durch. Der Einfluss großer Spenden soll begrenzt werden, Geldflüsse an Parteien transparenter gestaltet und eine unabhängige Kontrolle der Parteifinanzen durchgesetzt werden. Unterstützung per Unterschrift hier
Quelle : Bleib Passiv
——————————————————————————————————–
Fotoquelle :
- Gemeinfrei
- File:Henri de Toulouse-Lautrec 012.jpg
- Erstellt: 1. Januar 1894