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Erstellt von Redaktion am Sonntag 11. März 2018

– Falsches Vorbild Mélenchon

File:Melenchon, 6ème République - MG 6549.jpg

Von Steffen Vogel

Die deutsche Linke ist so schwach wie lange nicht mehr. Was läge da näher, als Kräfte zu bündeln? Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht werben in diesem Sinne für eine „linke Sammlungsbewegung“ aus enttäuschten Sozialdemokraten, linken Grünen und Teilen der Linkspartei. Als leuchtendes Vorbild führen sie dabei immer wieder Jean-Luc Mélenchon ins Feld. Um ihrem innerparteilich stark umstrittenen Projekt den nötigen Glanz zu verleihen, luden sie den letztjährigen französischen Präsidentschaftskandidaten denn auch prompt zum Jahresauftakt der Linksfraktion nach Berlin ein.

Die Begeisterung für den Franzosen ist einerseits verständlich. Er hat bei den Präsidentschaftswahlen 2017 in der ersten Runde fast 20 Prozent geholt und galt zwischenzeitlich gar als aussichtsreicher Anwärter auf die Stichwahl. Bei Jungwählern schnitt er sogar am stärksten ab. Mélenchon trat dabei unabhängig von seiner Partei an und stützte sich auf eine eigens initiierte „Bewegung“ namens La France insoumise (Das unbeugsame Frankreich). Seither agiert er, auch angesichts der historischen Schwäche der Sozialisten, als stärkste Stimme der Linken, zeitweilig gar der gesamten Opposition.

Dennoch akzeptieren ihn trotz seiner enormen Medienpräsenz und seines guten Wahlergebnisses erhebliche Teile der Linken nicht als ihren Wortführer. Sie stoßen sich an seinen konfrontativen Strategien und Forderungen, aber auch an seinem unverhohlenen Machtanspruch. Und das verweist andererseits auf die Schwächen dieses vermeintlichen Vorbilds: Mélenchon sammelt nicht, er polarisiert.

Dabei konzedieren selbst Kritiker, dass Mélenchon intelligent, schlagfertig und ein mitreißender Redner ist, der wie kein anderer französischer Spitzenpolitiker große Plätze füllt und Hallen zum Kochen bringt. Auch die sozialen Medien bespielt er gekonnt. Seine Laufbahn zeigt aber auch überdeutlich die persönlichen Schwächen dieses Politikers.

Nach über 30jähriger Mitgliedschaft brach Mélenchon 2008 mit dem Parti Socialiste (PS), für den er Senator und kurzzeitig Minister für Berufsbildung war. Im Jahr darauf gründete er den Parti de Gauche (PdG), nach dem Vorbild der WASG seines Freundes Lafontaine. Seither verharrt Mélenchon in einer negativen Fixierung auf den PS, den er immer wieder in aller Schärfe attackiert – ähnlich wie es der Saarländer seit Jahren mit der SPD tut. Als etwa die französische Öffentlichkeit 2016 besorgt über eine wahrscheinliche Stichwahl mit Marine Le Pen vom Front National zu debattieren begann, lehnte Mélenchon eine gemeinsame linke Kandidatur gegen die Rechtsextremen ab. Er wolle damit verhindern, dass der seinerzeitige sozialistische Präsident François Hollande die Stichwahl erreicht. Das hätte nach damaligem Stand – noch vor dem kometenhaften Aufstieg Emmanuel Macrons – zu einem Stechen zwischen einer republikfeindlichen Rechten und dem bekennenden Thatcheristen François Fillon von den Konservativen führen müssen. Aber selbst diese Aussicht hielt Mélenchon nicht von seinem Kampf gegen die früheren Parteikollegen ab. Für so manchen PS-Wähler, der von seiner eigenen Partei enttäuscht ist, kommt daher eine Unterstützung Mélenchons nach Jahren der schroffen Abgrenzung bis heute nicht infrage.

Aber nicht nur seine ehemaligen Genossen, sondern auch einstige Verbündete Mélenchons haben sich im Streit von ihm abgewandt. Zuletzt stieß er zahlreiche Weggefährten vor den Kopf, als er Anfang 2016 überraschend verkündete, unabhängig von seiner Partei für die Präsidentschaft zu kandidieren und dazu La France insoumise (LFI) aus der Taufe hob. Diese Neugründung im Alleingang hat die vormaligen Verbündeten von der Kommunistischen Partei (PCF) nachhaltig verprellt. Sie haben sich inzwischen von Mélenchon distanziert und mit ihnen auch die zweitgrößte Gewerkschaft CGT. Lange war der PCF bei Wahlen gemeinsam mit dem PdG als Front de Gauche (Linksfront) angetreten. Doch bei der Parlamentswahl 2017 stellten die Kommunisten schließlich eigene Kandidaten gegen die von LFI auf, nachdem sie sich zuvor nur äußerst widerwillig dazu durchgerungen hatten, Mélenchon im ersten Wahlgang zu unterstützen. Hinter dieser Abneigung stehen allerdings auch strategische Differenzen: Der PCF stützt sich vor allem auf einige tausend lokale und regionale Mandatsträger, die ihre Sitze traditionell durch Wahlabsprachen mit den Sozialisten sichern und daher kein Interesse an einem Bruch mit dem PS haben.

In LFI wäre für die Spitzenleute des PCF wohl auch wenig Platz gewesen. Denn wie Macrons La République en Marche ist diese Bewegung bislang vor allem eine Machtmaschine, die ganz auf ihren prominenten Anführer zugeschnitten ist. LFI will sich von etablierten Parteien mit ihren oft bürokratischen Strukturen abgrenzen und verspricht informelle und dadurch zugänglichere Netzwerkstrukturen. So steht es jedem frei, ohne formelles Aufnahmeverfahren oder Mitgliedsbeitrag eine Ortsgruppe zu gründen und sofort aktiv zu werden. Der tatsächliche Einfluss der Basis ist jedoch arg begrenzt. Da die Partei, als die sich LFI formal registrieren lassen musste, über keine Zwischeninstanzen verfügt, kann die Spitze weitgehend unkontrolliert agieren: Sie besteht aus Mélenchon und den Leitern verschiedener Komitees, die sich keiner internen Wahl stellen mussten. Diese Führungsgruppe traf auch die endgültige Entscheidung über die LFI-Kandidaten bei der Parlamentswahl. LFI präsentiert sich somit weniger als ein horizontales Netzwerk denn als stark zentralisierte Organisation rund um den unangefochtenen Chef. An die Stelle der innerparteilichen Demokratie tritt ein vages Partizipationsversprechen.

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Description Marche pour une sixième République du Front de Gauche, Toulouse, allées Jean-Jaurès
Date
Source Own work
Author Pierre-Selim

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