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Liberal sein. Gern. Aber wie?

Erstellt von DL-Redaktion am Donnerstag 1. Januar 2015

Liberal sein. Gern. Aber wie?

SCHLAGLOCH VON GEORG SEESSLEN

Der politische Liberalismus ist gestorben. Woran eigentlich? Und warum ist sein Untergang auch für die Linke gefährlich? Ein Debattenbeitrag.

Es sind die drei Hauptpfeiler einer bürgerlichen Demokratie, wie man so sagt: der „Konservatismus“, die Sozialdemokratie und der Liberalismus. Die drei ergänzen sich, so ist das gedacht, einigermaßen prächtig, insofern sie imstande sind, sich wechselseitig die Spitzen abzubrechen, einander zu moderieren und zu kontrollieren.

Richtig geklappt hat das noch nie, aber so epochenweit wie heute war man wohl auch noch nie davon entfernt. Jetzt sind die Konservativen ja nicht mehr konservativ, sondern zerfallen in rhetorische Reaktion (einschließlich des endlosen „Zündelns nach rechts“) und ökonomische Hysterie (Scheiß auf alles, was anderen erhaltenswert erscheint, wenn es dem Wettbewerb, dem Wachstum und dem „Fortschritt“ dient), und die Sozialdemokratie – reden wir von etwas Erfreulicherem. Zu welchem unglückseligerweise der Liberalismus ganz und gar nicht zu zählen ist.

Zunächst einmal ging eine, wenngleich prekäre, Einheit von politischem und wirtschaftlichem Liberalismus flöten. Den wirtschaftlichen Liberalismus kaperten einfache alle Konkurrenten, manchenorts gar Parteien, die noch ein „sozialistisch“ im Namen führten; dazu wurde überhaupt kein eigenes Programm mehr gebraucht, so dass Wirtschaftsliberalismus als Programm in einer europäischen Demokratie heute in etwa so wirkt wie der Eifer eines mäßig begabten Schülers, der sich dringend beim Lehrer, nämlich der Ökonomie und ihren Vertretern, beliebt machen will.

Den politischen Liberalismus indessen hat eine neue, neoliberalistische Idee von Freiheit verdrängt, die man in den USA etwa libertarian nennt. Die „negative Freiheit“ des „Du kannst es schaffen, und heul nicht rum, wenn du zu den 95 Prozent gehörst, die es nicht tun“. Die vollendete Mischung aus bigottem Konformismus, Hass auf alles Sozialstaatliche und ökonomischer Brutalität.

Nazi-Organisationen und Spaßparteien

Und welche Transformationen nahmen jene Parteien vor, die einst den politischen Liberalismus zu vertreten hatten! Einige wandelten sich gleich in Halb- oder Dreiviertel-Nazi-Organisationen, wurden von „Nationalliberalen“ zu „Feschisten“ (wie in Österreich), andere wollten zwischenzeitlich „Spaßparteien“ werden, und nun will die F.D.P. sogar ihre Farben wechseln, tolle Sache.

Die Linken haben vielleicht ihre politische Heimat verloren, das steht so in den mittleren Erzählungen der europäischen Nachkriegsgeschichte. Aber verglichen mit den politischen Liberalen ging dieser Heimatverlust geradezu sanft vor sich. Der politische Liberalismus, der, angesichts seiner Väter und Mütter, von Locke und Montesquieu bis hin zu Hamm-Brücher sich so nennen dürfte, hat in Deutschland nicht einmal mehr eine publizistische Stimme, geschweige denn eine Organisation.

Es scheint also so leicht zu sein, sich höchstpersönlich für einen liberalen Menschen zu halten, wie es schwer ist, oder sagen wir gleich: unmöglich, die Ideale und Ziele des politischen Liberalismus gesellschaftlich, diskursiv und politisch durchzusetzen.

Postdemokratischer Sumpf

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Fotoquelle: Wikipedia – Urheber Rob Young from United Kingdom

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