DEMOKRATISCH – LINKS

                      KRITISCHE INTERNET-ZEITUNG

RENTENANGST

Leben mit der Pandemie

Erstellt von DL-Redaktion am Mittwoch 16. Dezember 2020

Was wir von Depressiven lernen können

Sm3rt.jpg

Eine Kolumne von Margarete Stokowski

Was noch alles geht, wenn man glaubt, dass nichts mehr geht: Um die Corona-Mattheit zu überwinden, hilft es, sich anzusehen, wie depressive Menschen ihre Krankheit austricksen.

Es gibt gute und schlechte Nachrichten. Erst die schlechten. Ziemlich viele Leute erleben gerade eine ziemlich harte Zeit. Manche werden Weihnachten zum ersten Mal allein verbringen müssen, manche sind in Sorge um erkrankte Angehörige oder haben kein Geld mehr, manche sind einfach nur leer und zermürbt von diesem elenden Pestjahr.

Jetzt das Gute. Wer jetzt zum Jahresende nur noch wenig Energie und Hoffnung hat, kann von denen lernen, die diesen Zustand ganz gut kennen – von chronisch depressiven Menschen. Das klingt vielleicht erst mal nicht so einleuchtend. Geht es denen gerade nicht besonders schlecht? Von Leuten lernen, die morgens erst nicht aus dem Bett kommen und dann keine Kraft zum Duschen haben? Genau so.

Denn viele Menschen, die jahre- oder jahrzehntelange Erfahrung im Umgang mit Depressionen haben – ich gehöre dazu –, verfügen über ein ziemlich großes Repertoire an Fähigkeiten, die man einsetzen kann, wenn man das Gefühl hat, dass eigentlich gar nichts mehr geht.

Das soll Depressionen nicht verharmlosen. Depressionen sind eine Krankheit, die professionell behandelt werden sollte. Eine Krankheit, die tödlich verlaufen kann und oft nicht ernst genommen wird. Und sie sind eine Krankheit, für die Betroffene sich oft schämen, sodass sie lernen, in ihrem Alltag irgendwie noch – ich hasse dieses Wort – zu »funktionieren«, ohne dass andere merken, was los ist. Aber egal, ob man eher offen oder versteckend mit der eigenen Krankheit umgeht: Viele Menschen, die chronische Depressionen haben, entwickeln mit der Zeit kleine Tricks und Traditionen, die ihnen durch diese Zeiten helfen.

Der Quatsch mit der Schokolade

Das sind, um es gleich zu sagen, auf jeden Fall nicht die Tipps, die man oft von Leuten hört, die keine Ahnung haben: mal ein bisschen Schokolade essen (machen gerade eh die meisten), in Urlaub fahren (geht nicht), das Handy ausschalten (um noch einsamer zu sein?), sich zusammenreißen (tun wir alle), joggen gehen (es ist kalt). Es gibt nicht wenige Leute, die glauben, dass Depressionen damit weggehen würden – selbst das mit der Schokolade ist nicht ausgedacht. Im »Deutschland-Barometer Depression 2019« fanden 18 Prozent der Befragten, »Schokolade oder etwas Süßes essen« helfe gegen Depressionen, ein knappes Drittel fand, »Charakterschwäche« sei eine Ursache für Depressionen. Kurzgefasst: Zum Thema Depressionen ist viel Quatsch im Umlauf.

MJK63210 Margarete Stokowski (Frankfurter Buchmesse 2018).jpg

Nun ist es nicht so, dass es zurzeit in den Medien wenig Tipps dazu gibt, wie man sich im Lockdown – ob »light« oder »hart« – um das eigene Wohlbefinden kümmern kann: Achtsamkeit, Resilienz, Selfcare. Da liest man allerdings häufig Dinge, die man alle irgendwie schon mal gehört hat: Jeden Tag ein bisschen spazieren, ein neues Hobby anfangen, Yoga mit YouTube, was basteln, Brot backen. Kann man alles machen. Wenn man aber kurz vorm Verzweifeln ist und kaum noch Kraft hat, hilft ein Brotrezept wenig. Und vom Spazierengehen kann man auch mal die Schnauze voll haben, so langsam.

Hier also ein paar kurze Tipps aus der Welt der Depressiven:

Schritt 1. Erkennen, dass es ein Problem gibt: dass man eigentlich nicht mehr kann und nur noch so tut, als ob. Das geht ganz klassisch mit einem Nervenzusammenbruch – oder noch bevor es dazu kommt. Sich selbst vorzumachen, dass man noch ganz gut klarkommt, kann sehr viel Energie kosten. Falls Sie wirklich noch super klarkommen, können Sie hier aufhören zu lesen. Falls nicht, lesen Sie weiter.

Quelle       :       Spiegel-online            >>>>>        weiterlesen


Grafikquellen       :

Oben       —           Suizide    –  кримзон VI


Unten       —       Margarete Stokowski at the Frankfurt Book Fair 2018

Kommentar schreiben

XHTML: Sie können diese Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>