Der Fall Maaßen geht einfach nicht weg. Ganz fette Schlagzeilen macht er nicht, aber er verschwindet eben auch nicht aus der Berichterstattung – und wird allmählich zum Beleg dafür, dass selbst ein noch so gemütlich wirkender Kanzlerkandidat nicht völlig vermeiden kann, gelegentlich mit der Realität konfrontiert zu werden.
Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Hans-Georg Maaßen, ein Mann von gestern mit Vorstellungen von vorgestern, derjenige sein würde, der die Schwachstellen von Armin Laschet deutlicher aufzeigt, als dies Markus Söder je gelingen könnte? Obwohl man eigentlich hätte darauf kommen müssen. Der Wunsch des Kandidaten, Konflikte um jeden Preis zu vermeiden, war und ist ja geradezu eine Einladung für den rechten Rand des politischen Spektrums, die Grenzen auszuloten.
Wir wissen nun: Sie sind weit gesteckt. Tagelang hatte Laschet dazu geschwiegen, dass Maaßen, der in Thüringen als Direktkandidat für die CDU bei der Bundestagswahl antritt, mit Äußerungen von sich reden machte, die ihn in seiner früheren Funktion als Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz hätten alarmieren müssen. Forderungen nach einem Charaktertest für Mitarbeiter der »Tagesschau« und nach Durchleuchtung ihrer Biografien, die Anregung, der NDR möge eine Untersuchung einleiten, um Verbindungen zur »linken und linksextremen Szene« in der Redaktion der Nachrichtensendung zu prüfen: Wer bei derlei Ansinnen nicht an die Reichsschrifttumskammer denkt, interessiert sich nicht für Geschichte.
Während der Kanzlerkandidat das Thema beharrlich ignorierte, erklärte immerhin CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak vor einigen Tagen feierlich: »Die Pressefreiheit, übrigens auch die Freiheit des Rundfunks, hat Verfassungsrang.« Nett, dass er das sagte, aber ein bisschen beunruhigend. Wenn eine derartige Selbstverständlichkeit es in die Nachrichten schafft, dann ist das kein gutes Zeichen. Inzwischen hat auch Laschet die Bedeutung eines starken öffentlich-rechtlichen Rundfunks betont. Und außerdem gesagt, er wolle nicht jede Bemerkung von Maaßen durch eine eigene Positionierung aufwerten.
Jede Bemerkung? Womit rechnet Laschet denn noch – und wo liegt für ihn die Grenze des Hinnehmbaren, so es sie denn gibt? Die unverhohlenen Angriffe von Hans-Georg Maaßen auf die Medienfreiheit sind keine lässliche Sünde. Sie wiegen schwer, vor allem deshalb, weil sie sich nahtlos in ein Klima einfügen, in dem »die Medien« von einem Teil der Bevölkerung inzwischen als Feinde betrachtet werden.
Angesichts der Lage in anderen Ländern verbietet sich jede Dramatisierung. Noch geht es uns gut, jedenfalls vergleichsweise. Auf Journalistinnen und Journalisten in Deutschland werden keine Mordanschläge auf offener Straße verübt. Bisher werden sie nur auf »Querdenker«-Demos angegriffen oder in Foren beleidigt und in Mails bedroht. Das ist unerfreulich genug, aber es gibt sehr viel Schlimmeres.