Kunde statt Bürger
Erstellt von DL-Redaktion am Freitag 14. August 2015
Billigflieger als Modell für den öffentlichen Dienst
Aus einer Deutschen Amtsstube – verschiedene Bürger und Vorsteher Fieg ?
von Colin Crouch
Der einschlägige Begriff, unter dem man öffentliche Dienstleistungsanbieter zu Handlungsweisen verpflichten will, die denen gewöhnlicher Marktteilnehmer entsprechen, lautet „New Public Management“. Geprägt wurde er vermutlich 1991 von dem britischen Verwaltungsexperten Christopher Hood. Zwei Jahre später erschien in den USA das Buch „Der innovative Staat. Mit Unternehmergeist zur Verwaltung der Zukunft“ von David Osborne und Ted Gaebler. Die Idee fand in vielen Ländern Anklang, vor allem aber bei der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung).
Keiner der Autoren war ein Feind des öffentlichen Dienstes. Vielmehr befürchteten sie, dass er ineffizient und zunehmend unnahbar werde, weil er von jenem Wettbewerbsdruck verschont war, der privaten Anbietern Anreize zu ständigen Verbesserungen gerade auch im Bereich der Kundenfreundlichkeit gibt. Sie wollten den öffentlichen Sektor retten, indem sie Verfahren vorschlugen, um diesem Problem entgegenzuwirken.
Ein Vorwurf der Neoliberalen und der Befürworter des „New Public Management“ (NPM) gegenüber dem öffentlichen Dienst alter Form lautet, er habe seine Nutzer nicht als Menschen, sondern gleichsam als Objekte betrachtet, weshalb es zu erheblichen Verbesserungen für diese führen müsse, wenn sie den Status von „Kunden“ erhielten. Die Advokaten des alten öffentlichen Dienstes hingegen behaupten, seine Nutzer müssten als Bürger begriffen werden, und erst ihre Verwandlung in Kunden mache sie tatsächlich zu Ausbeutungsobjekten.
Den Nutzer öffentlicher Dienstleistungen als „Kunden“ zu bezeichnen, ist zunächst einmal eine britische Spezialität (die in Deutschland von der Bundesagentur für Arbeit übernommen wurde). Eine Zeit lang haben die Behörden sogar mit dem Gedanken gespielt, Gefängnisinsassen zu „Kunden“ zu erklären, für die man immerhin die Dienstleistung des Freiheitsentzugs erbringe. Aus den offiziellen Verlautbarungen des britischen Transportwesens indes ist das Wort „Fahrgast“ komplett verschwunden, dort ist nur mehr von „Kunden“ die Rede.
In beiden Bereichen war die Umbenennung eine Begleiterscheinung weitreichender Privatisierungsmaßnahmen. Was bedeutet es, wenn im Bahnhof heute statt „Passengers for Manchester please change at Birmingham“ die Durchsage „Customers for Manchester …“ erklingt? Eine durchaus zweifelhafte Formulierung, da man annehmen könnte, dass die „customers for Manchester“ die Stadt nicht bereisen, sondern kaufen wollen. Soll die Umbenennung dazu führen, dass das Bahnpersonal die vormaligen Fahrgäste respektvoller behandelt? Das allerdings ließe sich auch erreichen, indem man den Mitarbeitern im Zuge ihrer Ausbildung beibringt, dass Fahrgäste keine Objekte, sondern Bürger sind.
Quelle: le monde diplomatique >>>>> weiterlesen
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Fotoquelle: Wikipedia – Urheber Autoren der angegebene WP-Commons (Tom Ordelman, M.Garde, Gerbil), Antiachtundsechziger
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