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Erstellt von Redaktion am Samstag 15. Oktober 2022

Was Hans-Georg Maaßen mit Winnetou verbindet

Eine Kolumne von Thomas Fischer

Ob albernes Kinderbuch oder Kommentar zum Grundgesetz: Ist es richtig, Bücher und Autoren aus dem Sprach- und Denkraum tilgen zu wollen?

Indianer

Wer von Ihnen, sehr geehrte Leser, den Film »Karl May« von Hans-Jürgen Syberberg (1974; 187 Minuten) gesehen hat, wird sich vermutlich an die wunderbare Szene erinnern, in welcher der Protagonist nach eines weiteren Radebeuler Tages Müh’ sich so hoffnungsvoll wie tiefenpsychologisch verstrickt in das von Federkissen quellende Ehebett begibt und der dort schon schlummerbereiten Liebsten mitteilt: »Heute ist unser Winnetou gestorben«. Sodann umarmen sich die Liebenden, Winnetou inside, auf das Berührendste und opfern dem toten Freund ihre Tränen.

Das ist, wenn Sie möchten, selbstverständlich nichts wert. Gleichwohl könnte man es unter Gesichtspunkten der Kunst als solcher einmal bedenken, was ja den Winnetou-Kollegen Prinz Eisenherz, Superman, Ronja Räubertochter und Lukas Lokomotivführer auch gern zuteilwird. Der Südseekönig ist, wie wir wissen, nicht mehr mit an Bord, dafür inzwischen aber ein paar rassereine Elben sowie jede Menge kampfstarke Amazonenkriegerinnen.

Karl Mays Figuren waren durchaus erträglich, wenn man sie mit dem Tiger von Eschnapur vergleicht

Man kann auch »Old Shatterhand vor Gericht« von Jürgen Seul (2009) lesen, die ebenso berührende wie entnervende Geschichte des Scheiterns eines früh Verzweifelten an sich selbst.

Natürlich sprechen wir aufgeklärt Gebildeten hier nicht über Humboldt, Cooper oder London. Aber auch nicht über Brice und Barker, Elspe und Bad Segeberg. Der Apache wohnte bei May ja nicht in Zelten, wie dem Radebeuler Weltreisenden derzeit von der unbelesenen Bachelor-Schar vorgehalten wird, sondern in liebevoll beschriebenen Pueblos, und die »Westmann«-Community des kleinen Herrn May bestand zu erheblichen Teilen aus gierigen Verbrechern und Landräubern, hasszerfressenen Zivilisationsflüchtlingen und halbverrückten Bisonausrottern. Also eigentlich durchaus erträglich, wenn man es mit der deutschen Südafrikaliteratur, dem Tiger von Eschnapur samt Elefantenboy oder der französischen Afrika-Kultur vergleicht.

Dass man als Außenminister nicht Indianerhäuptling werden gewollt haben darf, die Sprechzettel-Lieferanten aus der Ministerial-Unterabteilung aber gerne »Sherpas« nennen dürfte, wenn man wollte, ist eines der kleineren Rätsel der selektiven Erweckungsbewegung.

Der Indianer als solcher ist ja gar kein echter Inder, sondern ein verwechselter. Er lebte teils am Thlewiaza-River, teils in der Gegend von Tenochtitlan, gern auch am Rio Gallegos. Er sprach 1200 Sprachen, die allesamt von Herrn May beherrscht wurden, der die Bösen belauschte und den Guten half, wo immer es etwas auf Zehen- und Fingerspitzen anzuschleichen gab zwischen Ernstthal, Kötzschenbroda, Oberlößnitz und Radebeul.

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