Kuba nach Castro:
Erstellt von Redaktion am Samstag 21. April 2018
Aufbruch in Zeitlupe
Das waren noch Zeiten : Wagenbrett ungeschminkt ?
von Andreas Knobloch
Es ist das Ende einer Ära: Die historische Generation der kubanischen Revolution verabschiedet sich endgültig von der Macht. Am 19. April wird Raúl Castro nach zwei Legislaturperioden das Präsidentenamt abgeben. Bis 2021 bleibt er wohl noch Chef der Kommunistischen Partei Kubas (PCC). Doch selbst das bedeutet: Erstmals seit 1976 liegen Parteivorsitz und Präsidentenamt nicht mehr in einer Hand.
Zudem könnten sich mit Castro drei weitere zentrale Figuren der Revolution in den Ruhestand verabschieden. Mit den beiden Vizepräsidenten José Ramón Machado (87 Jahre) und Ventura Ramiro Valdés Menéndez (85 Jahre) werden wohl zwei Vertreter des konservativen Flügels der Regierung abtreten, der die von Raúl Castro initiierten Reformen und die Annäherung an die USA mit Argwohn betrachtet. Beide sind äußerst einflussreich: Machado ist Zweiter Sekretär der PCC, Valdés sitzt wie Machado im Politbüro und war lange Zeit verantwortlich für die Geheimdienste und die Leitung des Innenministeriums. Dritter im Bunde ist der 90jährige Guillermo García Frías, Mitglied in Zentralkomitee und Staatsrat. Alle drei waren bereits Ende Februar mit der Medaille der „Helden der Arbeit“ ausgezeichnet worden. In Kuba ist dies zumeist mit dem Ruhestand der Geehrten verbunden.
Alles deutet darauf hin, dass der derzeitige Vizepräsident Miguel Díaz-Canel das Präsidentenamt übernehmen wird. Erstmals seit 1959 würde mit dem 57jährigen ein Politiker an der Spitze Kubas stehen, der nach der Revolution geboren wurde und nicht den Namen Castro trägt. Díaz-Canel gilt als Parteisoldat und Mann Raúl Castros, der die staatlichen Medien modernisieren und den Ausbau des Internetzugangs auf der Insel vorantreiben will.
Doch dem neuen Präsidenten fehlt die historisch gewachsene Legitimation der alten Garde. Bleiben Parteivorsitz und Präsidentenamt zumindest übergangsweise getrennt, verfügt er zudem über weniger Macht. Unter Raúl Castro wurde die Balance zwischen Staat, Partei und Militär neu austariert. An die Stelle der charismatischen Führerschaft des Ende November 2016 verstorbenen Fidel Castro ist ein „institutionenbasierter bürokratischer Sozialismus“ (Bert Hoffmann) getreten. Ausdruck davon sind die von seinem jüngeren Bruder Raúl betriebene Amtszeitbegrenzung auf zweimal fünf Jahre und die Einführung einer Altersgrenze von 70 Jahren für Führungskader.
Vor allem aber hinterlässt Raúl Castro seinem Nachfolger ein Land, das vor gewaltigen Herausforderungen steht. Zehn Jahre nach seiner Machtübernahme fällt seine Bilanz gemischt aus: Die Lebensumstände weiter Teile der Bevölkerung haben sich auch mehr als sieben Jahre nach Beginn der proklamierten „Aktualisierung des sozialistischen Modells“ kaum verbessert. Viele Kubanerinnen und Kubaner kämpfen weiterhin mit geringen staatlichen Einkommen sowie hohen Lebensmittel- und Konsumgüterpreisen. Vor allem junge, gut ausgebildete Menschen verlassen daher in Scharen das Land oder tragen sich mit entsprechenden Gedanken. Das wiederum verstärkt den demographischen Druck. Denn die ironische Kehrseite des gut funktionierenden kubanischen Gesundheits- und Sozialsystems ist, dass die Gesellschaft altert und die Kosten für den Erhalt des Sozialsystems steigen. Dabei hatte Raúl Castro bei seiner Amtsübernahme vor zehn Jahren einen durchaus beachtlichen Reformprozess in Gang gesetzt. Die Wirtschaft wurde für ausländisches Kapital geöffnet, der Staatssektor reduziert und mehr Privatinitiative zugelassen. Darüber hinaus erlaubte die Regierung den Kauf und Verkauf von Autos und Immobilien, hob Reisebeschränkungen auf und baute den Internetzugang für die Bevölkerung aus. Viele dieser Maßnahmen haben durchaus für eine neue wirtschaftliche Dynamik sorgen können. Entscheidend waren neben dem Annäherungsprozess mit den USA insbesondere die größere Autonomie für Staatsunternehmen, die Ausweitung des Kleinunternehmertums und das Gesetz für ausländische Investitionen.
Kubas stockende Erneuerung
Doch inzwischen hat Havanna weitere Schritte in Richtung Öffnung und Reform vorerst ausgesetzt. So läuft die Dezentralisierung staatlicher Betriebe nur sehr langsam, und der Genehmigungsprozess von Auslandsinvestitionen verläuft nur schleppend. Überdies ist die Öffnung des Privatsektors ins Stocken geraten. Die lange angekündigte Währungsunion zwischen dem Kubanischen Peso und dem sogenannten Konvertiblen Peso, die seit 1994 parallel zirkulieren, lässt weiter auf sich warten. Das Gleiche gilt für die Verfassungsreform und einen Rechtsrahmen für kleine und mittlere Privatunternehmen.
Selbst von den bereits beschlossenen Reformen wurde bisher nur ein Bruchteil umgesetzt. Zentrale Vorhaben sind ins Stocken geraten – allen voran die Erneuerung des Staatssektors. Dieser soll dezentralisiert werden, und die staatlichen Unternehmen sollten größere Autonomie erhalten, um Produktivität und Investitionen zu erhöhen. Zudem sollten innerhalb von drei Jahren 1,5 der knapp fünf Millionen Staatsangestellten entlassen werden. Angesichts der Tatsache, dass mehr als 70 Prozent der Kubaner in staatlichen Behörden und Betrieben beschäftigt sind, haben Veränderungen in diesem Bereich große Auswirkungen. Doch bereits Mitte 2011 wurde dieser Plan wieder aufgegeben, da die Dinge – wie so oft auf Kuba – doch mehr Zeit in Anspruch nehmen.
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Auch die im Oktober 2010 beschlossene Ausweitung des Kleinunternehmertums, der sogenannten trabajo por cuenta propia (Arbeit auf eigene Rechnung), liegt derzeit auf Eis. Zwar haben sich schon rund 570 000 Kubaner (12 Prozent der arbeitenden Bevölkerung) selbstständig gemacht, in der Regel mit einfachen Dienstleistungen und in Handwerksberufen. Der Ausbau dieser privatwirtschaftlichen Tätigkeiten auf kleiner und mittlerer Ebene gilt als wichtiger Impulsgeber für Kubas wirtschaftliche Entwicklung. Doch im Sommer 2017 entschied die Regierung, vorübergehend keine neuen Geschäftslizenzen mehr zu vergeben. Man wolle das Kleinunternehmertum auf den Prüfstand stellen und Missstände beseitigen. Zudem seien „Materialien und Gerätschaften verbotenen Ursprungs“ verwendet worden, und es sei zur „Nichterfüllung von Steuerverpflichtungen“ gekommen. Oft müssen Kubas Privatunternehmer aber schlicht aufgrund der Umstände in einer rechtlichen Grauzone operieren. Die Regierung befürchtet nicht zuletzt, dass die USA den Privatsektor als Hebel für Veränderungen nutzen könnten.
Überdies verfehlt Kuba auch sein Ziel, jährlich 2,5 Mrd. US-Dollar an ausländischem Kapital anzuziehen, derzeit bei weitem. Um die Wirtschaft in Schwung zu bringen und neue Technologien ins Land zu holen, hatte die Regierung Ende 2013 rund um den Hafen Mariel, 45 Kilometer westlich von Havanna, eine Sonderwirtschaftszone eingerichtet. Mit besonders günstigen Zoll- und Steuerregelungen sollten ausländische Kapitalgeber ins Land gelockt werden – ein Modell, dass sich am Vorbild Vietnam orientiert. 2014 trat zudem ein neues Investitionsgesetz in Kraft, das ausländischen Unternehmen ermöglicht, in fast alle Bereiche der kubanischen Wirtschaft zu investieren – ausgenommen bleiben Bildung, Gesundheit und Militär. Doch trotz Sonderwirtschaftszone und Auslandsinvestitionsgesetz stagniert die wirtschaftliche Entwicklung. 2016 rutschte das Land erstmals seit zwei Jahrzehnten in die Rezession; im vergangenen Jahr wuchs die Wirtschaft zwar offiziell wieder um 1,6 Prozent, doch viele Beobachter betrachten die vorgelegten Zahlen mit Skepsis.
Quelle: Blätter >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen:
Oben —
Description |
English: Cuba-Russia friendship poster showing Fidel Casto and Nikita Krushchev, stating „Long live the eternal, indestructible friendship and cooperation between the Soviet and Cuban peoples“
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Author | Keizers |
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Deutsch: Roberto Blanco als Teilnehmer der Oldtimerrallye „ZF Sachs Franken Classic 2017“ in Bad Kissingen
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Source | Own work |
Author | Sigismund von Dobschütz |